Papst Benedikt hat
sich bei seinem Deutschlandbesuch in einer „ökumenischen Offenheit“ und gleichzeitig
„theologischem Tiefgang“ gezeigt, „von dem wir alle lernen können“. So resümiert der
deutsche Ökumene-Bischof Gerhard Ludwig Müller die Begegnungen in Erfurt. Benedikt
XVI. sei es nicht auf „Effekthascherei“ angekommen, sondern auf das Wesentliche, nämlich
die Gottesfrage und „die Verwirklichung der Gottesfrage in der Kirche“, sagte Müller
im Gespräch mit Radio Horeb.
„Es gab von evangelischer Seite ja auch viele
gute Reaktionen, in denen man erkannte, worum es geht. Wenn man – im alten Sinn –
Ökumene als „Fingerhakeln“ betreibt, wer ist am Schluss der Gewinner, dann kann man
vielleicht enttäuscht sein. Aber das kann man zurückgeben: Auch wir könnten enttäuscht
sein und äußern, dass da vielleicht die evangelische Seite zu wenig dem Papst entgegengekommen
ist in diesen zentralen Fragen, die uns bewegen.“
Konkret nannte Müller
das Thema der Sakramentalität der Kirche, also „was Kirche ist“. Dieses Thema werde
„sehr wenig gewürdigt“, sei aber zentral für das Anliegen der gemeinsamen Eucharistiefeier.
„Dieser Weg, den wir (als Katholiken) gehen, der geht nur über die Einheit
im Kirchenverständnis. Das umfasst auch das Verständnis des sakramentalen Bischofsamtes
und das Verständnis des Papstes als Nachfolgers Petri.“
Für die katholische
Kirche seien diese Fragen nicht etwa nebensächlich, sondern „wichtig, entscheidend
und konstitutiv für die Kirche“.
„Deshalb ist diese Äußerung von manchen
in der Öffentlichkeit wirklich schädlich für die Ökumene, wenn man den Papst ständig
unter die Bringschuld führt: Der Papst muss ein Gastgeschenk mitbringen, dann fragt
man ja auch einmal, was die Gastgeber selber für Geschenke bringen.“
Papst
Benedikt habe in Erfurt aber ohnehin ganz deutlich gesagt, dass die Wahrheit nicht
verhandelbar sei wie unter Tarifpartnern bei der Gewerkschaft.
„Sondern
es kann nur eine Annäherung geben, indem wir tiefer hineingeführt werden in das Verständnis
der uns allen gemeinsame gegebeben, geoffenbarten Wahrheit.“
Auf evangelischer
Seite hatten einige Kommentatoren beanstandet, Papst Benedikt habe in Erfurt den Reformator
Martin Luther nicht genug gewürdigt. Dazu sagte Bischof Müller:
„Der Papst
ist bis an die Grenze dessen gegangen, was man von katholischer Seite ehrlich zu Luther
sagen kann. Er sagte, die Luther bewegende Frage nach dem gnädigen Gott ist eine Frage,
die wir uns alle zu eigen machen sollen, gerade heute in einer säkularisierten Zeit,
wo der Glaube und die christliche Religion nur funktionalistisch gesehen werden, ist
doch die große Thematik und Herausforderung, dass wir uns gemeinsam auf die Wurzeln
beziehen: Es geht um Gott, es geht um Jesus Christus. Und diese Konzentration auf
Christus als den einzigen Erlöser und Retter aller Menschen, das ist, was der Papst
gesagt hat, das Thema bei Luther, das uns zueinander bringen kann.“
Gleichzeitig
zog Bischof Müller eine klare Grenze zum Verständnis Martin Luthers aus katholischer
Sicht. Es widerspreche dem katholischen Glauben zu meinen, über viele Jahrhunderte
sei das Evangelium verdeckt gewesen, und dann habe Martin Luther es wieder entdeckt.
Es könne nicht erwartet werden, dass der Papst und die katholische Kirche Martin Luther
„gleichsam als zweite Offenbarungsgestalt neben Jesus Christus“ akzeptieren würde.
„Die definitiven Widersprüche Luthers zum katholischen Glauben können und
werden von uns niemals akzeptiert werden. Das ist ja immer latent vorhanden in diesem
ständigen Drängen, wir müssen noch mehr sagen über Luther: Da wird eigentlich von
uns verlangt, wir sollten sozusagen im Zug einer Nachhol-Ökumene evangelisch werden,
und das wird einfach nicht der Fall sein.“
Müller würdigte „viele gute,
verständige, ehrliche und fromme Gesprächpartner“ auf evangelischer Seite. Indes habe
er bei manchen Stimmen Bedenken, „ob es da wirklich um Ökumene und echte Begegnung
geht, oder ob sie einfach meinen, die Katholiken müssen im Nachhinein nach 500 Jahren
den protestantischen Glauben annehmen – das geht einfach nicht.“