2011-09-28 15:30:48

Der Papst und die Politik: Die Begrüßungsrede in Berlin


RealAudioMP3 Der Papst und die Politik. Im ersten Teil unserer Schwerpunktsendungen zum Papstbesuch in Deutschland widmen wir uns ganz den politischen Gedanken und Anregungen, die Benedikt XVI. seinem Heimatland geschenkt hat. Der Papst stellte schon am ersten Tag seiner Reise vor dem Schloss Bellevue in Berlin, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, klar, dass er nicht, wie es andere Staatsmänner zu Recht tun, nur politische und wirtschaftliche Ziele verfolge. Bei seiner ersten Rede auf deutschem Boden deutete Benedikt an, dass es ihm um die Grundsätze geht, auf denen auch die deutsche Gesellschaft fußt.

„Der Religion gegenüber erleben wir eine zunehmende Gleichgültigkeit in der Gesellschaft, die bei ihren Entscheidungen die Wahrheitsfrage eher als ein Hindernis ansieht und statt dessen Nützlichkeitserwägungen den Vorrang gibt. Es bedarf aber für unser Zusammenleben einer verbindlichen Basis, sonst lebt jeder nur noch seinen Individualismus.“

Die Religion sei eine der Grundlagen für ein gelingendes Minteinander, so der Papst. Und zitiert den Arbeiterbischof aus Mainz, Wilhelm von Ketteler, der sich im 19. Jahrhundert für die Arbeiterklasse und die Armen eingesetzt hat. Unter dem Einfluss Adolph Kolpings erkannte der Bischof die Bedeutung der Sozialen Frage in der neu entstehenden Industriegesellschaft und trug mit dazu bei, dass sich die katholische Kirche mehr mit den sozialen Probleme der Arbeiter auseinandersetzte. Er gilt damit als einer der Begründer der katholischen Soziallehre.
Der Zusammenhang zwischen Solidarität und Freiheit - dem Papst geht es in seiner Rede um die Bedeutung großer Begriffe, die ein friedliches Zusammenleben überhaupt erst ermöglichen.

„Freiheit braucht die Rückbindung an eine höhere Instanz. Dass es Werte gibt, die durch nichts und niemand manipulierbar sind, ist die eigentliche Gewähr unserer Freiheit. Der Mensch, der sich dem Wahren und dem Guten verpflichtet weiß, wird dem sofort beipflichten: Freiheit entfaltet sich nur in der Verantwortung vor einem höheren Gut. Dieses Gut gibt es nur für alle gemeinsam; deshalb muss ich immer auch meine Mitmenschen im Blick haben. Freiheit kann nicht in Beziehungslosigkeit gelebt werden.“

An diesem Punkt offenbart sich der Zusammenhang zwischen Freiheit und Solidarität. Im menschlichen Miteinander gehe Freiheit nicht ohne Solidarität, so Benedikt.

„Was ich auf Kosten des anderen tue, ist keine Freiheit, sondern schuldhaftes Handeln, das den anderen und auch mich selbst beeinträchtigt. Wirklich frei entfalten kann ich mich nur, wenn ich meine Kräfte auch zum Wohl der Mitmenschen einsetze. Das gilt nicht nur für den Privatbereich, sondern auch für die Gesellschaft. Diese hat gemäß dem Subsidiaritätsprinzip den kleineren Strukturen ausreichend Raum zur Entfaltung zu geben und zugleich eine Stütze zu sein, damit sie einmal auf eigenen Beinen stehen können.“

Eine direkte Aufforderung an die Politik, diese grundlegenden Voraussetzungen für eine funktionierende Gesellschaft niemals außer Acht zu lassen. Mit Blick auf das Schloss Bellevue weist der Papst auf die dunklen Seiten der deutschen Vergangenheit hin, die er später dann auch in seiner Rede vor dem Bundestag wieder aufgreift. Und erinnert daran, dass wir auch heute von unserer Vergangenheit lernen können:

„Das Schloss ist - wie viele Gebäude der Stadt - mit seiner bewegten Vergangenheit ein Zeugnis deutscher Geschichte. Der klare Blick auch auf ihre dunklen Seiten ermöglicht uns, aus der Vergangenheit zu lernen und Anstöße für die Gegenwart zu erhalten. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die von der Verantwortung vor Gott und voreinander gestaltete Kraft der Freiheit zu dem geworden, was sie heute ist. Sie braucht diese Dynamik, die alle Bereiche des Humanen einbezieht, um unter den aktuellen Bedingungen sich weiter entfalten zu können. Sie braucht dies in einer Welt, die einer tiefgreifenden kulturellen Erneuerung und der Wiederentdeckung von Grundwerten bedarf, auf denen eine bessere Zukunft aufzubauen ist.“

(rv 28.09.2011 ak)








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