Vor allem die Rede
Benedikts XVI. im Freiburger Konzerthaus beschäftigt zwei Tage nach der Papstreise
durch Deutschland noch die Gemüter. Benedikt hatte dort eine „Entweltlichung“ der
Kirche gefordert, ein Abwerfen ihrer „materiellen und politischen Last“. Die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ von diesem Dienstag glaubt in dem Text fast wortwörtliche Passagen
aus Texten Joseph Ratzingers in den sechziger Jahren wiederzufinden: Papst Benedikt
sei also „dem Professor Ratzinger treu geblieben“. Einen anderen Anklang hörte der
Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, aus der Papstansprache heraus:
„Die
Plattform für seine Rede war nichts anderes als Lumen gentium 8: Ich erkannte
in einigen Formulierungen wortwörtlich Formulierungen aus der Konstitution Lumen
gentium wieder, wo ja auch schon steht, dass die Kirche den Weg Christi gehen muss,
der sich selbst entäußert hat und arm geworden ist. Dass die Kirche nicht auf Macht
und Glanz in der Gesellschaft angelegt ist usw. Also, ich denke, der Heilige Vater
hat uns hier einen kräftigen Impuls gegeben, uns mit dem Konzil auseinanderzusetzen.
Wir sind vielleicht hierzulande deshalb so erschrocken über diese Rede, weil wir uns
innerlich von diesen Forderungen des Konzils schon viel zu weit entfernt haben.“
Schon
Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, hat deutlich gemacht,
dass es dem Papst in dieser Rede nicht um einen Verzicht auf die Kirchensteuer in
Deutschland gegangen sei. Bischof Hanke, von Haus aus Benediktiner, spricht in einem
Interview auf der Internetplattform kathtube von einer Hausaufgabe Benedikts für die
deutsche Kirche, sich wieder mehr mit dem Konzil zu beschäftigen. Und:
„Wir
sind – so hat es Papst Benedikt früher einmal formuliert – vielleicht in Zukunft nur
noch eine konstruktive Minderheit. Aber eine konstruktive! Wer konstruktiv ist, der
braucht keine Angst zu haben.“
Hanke äußerte sich in dem Gespräch auch
zum Auftritt des Papstes in Martin Luthers früherem Kloster in Erfurt. Diese Geste
solle man nicht unterschätzen, sie sei „physische Ökumene“.
„Mir kam da
gleich der Gedanke: Wie steht es denn in unseren Pfarreien mit dieser physischen Ökumene,
etwa bei Gottesdiensten in der Woche zur Einheit der Christen? Wie klein ist da die
Schar – wo bleibt da die physische Ökumene? Mich hat das sehr ermuntert, was der Papst
durch seinen Besuch im Augustinerkloster hier bewegt hat.“
Natürlich habe
Benedikt bei seinem Ökumene-Termin nicht alle Probleme im Miteinander der Kirchen
lösen können. Der Papst habe eindringlich gezeigt, dass Ökumene nicht ohne Geduld
geht:
„Er hat natürlich nicht diese Koalitions-Mentalität unterstützt: Ökumene
als mögliche Schnittpunkte und Schnittmengen. Nein, das ist nicht sein Weg, sondern
dieses Durchdringen und Durchbeten, dieses gemeinsame Ringen, um miteinander den Weg
bis zu einem Ergebnis auszuhalten und zu gehen.“
Bis zum Reformationsjubiläum
im Jahr 2017 wird in der Ökumene jetzt immer mehr die Person und die Theologie Luthers
in den Mittelpunkt rücken, glaubt der Bischof von Eichstätt.
„Ich denke,
das Lutherbild in der katholischen Kirchengeschichtsschreibung und auch in der systematischen
Theologie ist sehr viel differenzierter geworden in der Vergangenheit; ich meine,
die Rede des Papstes ist uns noch einmal ein Impuls, um uns auch theologisch stärker
mit Luther auseinanderzusetzen. Und ich denke, diese Worte des Papstes könnten auch
für die Protestanten Impuls sein, sich mit Luther intensiv auseinanderzusetzen, denn
dort ist ja die Sicht Luthers keineswegs einheitlich!“