2011-09-26 13:42:42

Papstvisite im Rückspiegel: Internationale Presseschau


Zeitungen in Europa haben den Besuch von Papst Benedikt XVI. in seinem Heimatland unterschiedlich kommentiert. Eine besondere Rolle spielen in den Montagsausgaben das vom Papst angesprochene Verhältnis von Geist und Struktur in der deutschen Kirche.

Der in Mailand erscheinende „Corriere della Sera“ schreibt über den Papst: „Er ist knallhart mit der Reformbewegung 'Wir sind Kirche' und sagt: 'Es kann niemals eine Mehrheit gegen die Apostel geben.'
Aber die wesentliche Frage ist eine andere: Es geht um die Kirche in der Glaubenskrise. (...) Die rhetorische Frage des Papstes, ob es nicht einen Überhang der Strukturen gegenüber dem Geist gibt, ist
nicht nur eine Schelte gegen die Kirche in Deutschland. Die gesamte Kirche des Westens - angefangen mit den Bischöfen und Priestern - müsste vor allem daran denken, die Botschaft zu verkünden. Denn
'wenn wir nicht zu einer wahren Erneuerung im Glauben kommen, wird eine bloße Reform der Strukturen nichts nützen.'“

„Le Figaro“ in Frankreich schreibt: „Die Deutschen lieben eine klare Ansage, und die haben sie bekommen! (...) 'Ihr' Papst hat ihnen eine Botschaft serviert, die er keiner anderen Ortskirche in der Welt in dieser Form zu sagen gewagt hätte. In Freiburg (...) hat er das ganz laut gesagt, was alle in Rom im Grunde denken: 'In Deutschland ist die Kirche bestens organisiert. (...) Ehrlicherweise müssen wir aber sagen, dass es einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist gibt.'“

Die in Madrid herausgegebene Zeitung „El Mundo“ meint: „Der Papst hat bei dieser Reise seine konservativste Seite gezeigt und die Hoffnungen aller enttäuscht, die dachten, er würde seine Deutschland-Visite nutzen, um Reformen anzukündigen. Mit seinen Reden und Predigten (...) hat er den Glauben vieler Gläubiger gestärkt, aber auch die Haltung seiner Kritiker bestätigt. (...) Er hat die Notwendigkeit unterstrichen, die ,Glaubenskrise' mit einer ,Erneuerung' zu bekämpfen - eine Erneuerung jedoch allein des Glaubens, weil er jegliche Art von Reform kategorisch abgelehnt hat.“

„La Razon“ schreibt ebenfalls in Spanien: „In einer höchst innovativen Rede, die seine Vision von der Kirche enthüllt, hat Benedikt XVI. die Epochen der Säkularisierung als hilfreich gepriesen (...) In die Praxis umsetzt, werden diese Ideen eine tiefgreifende Reform der Kirchenorganisation bewirken. (...) Nicht umsonst hat der Pontifex diese Rede in Deutschland gehalten. Die dortige Kirche ist dank der Kirchensteuern eine der reichsten der Welt. Dieses Geld unterstützt die Kirchen in Lateinamerika und
Osteuropa, aber es hat auch eine große Zahl von bürokratischen Institutionen entstehen lassen.“

Die in Dublin erscheinende „Irish Times“ rückt das Treffen mit Missbrauchsopfern in die Schlagzeile ihrer Zusammenfassung der Papstreise. Benedikt XVI. habe „erschüttert und beschämt“ auf die Begegnung reagiert. Bei seiner Sonntagsmesse in Freiburg habe das Oberhaupt sein deutlichstes Signal gegeben, „dass katholische Reformer nicht mit Veränderungen während seines Pontifikats rechnen sollten“. „Der Besuch hat eine gemischte Reaktion bei den 24 Millionen Katholiken des Landes und Gleichgültigkeit beim Rest der Bevölkerung“ ausgelöst. Die Aussage des Papstes in der Schlussrede, die Kirche erfülle ihre missionarische Aufgaben am besten, wenn sie sich von materiellem und politischem Ballast befreie, sei von Beobachtern als Wink an die deutschen Bischöfe verstanden worden, das Kirchensteuersystem erneut unter die Lupe zu nehmen, schreibt „Irish Times“.

„The Telegraph“ in London hebt den Appell des Papstes zur Einheit der Katholiken untereinander und mit dem Vatikan in den Vordergrund. „Aber der Papst besucht ein Deutschland, in dem die Kirchenlehre über Themen wir Priesterzölibat, Empfängnisverhütung, Homosexualität und dem Verbot für Frauen, Priester zu werden, schwer umstritten ist. Unterdessen ist ein Skandal um sexuellen Missbrauch durch Kleriker einer der Gründe, der für den Austritt von Zehntausenden Katholiken aus der deutschen Kirche genannt werden.“

(kna 26.09.2011 gs)







All the contents on this site are copyrighted ©.