Seit dem 30. Oktober
2009 ist die evangelische Theologin Christine Lieberknecht Ministerpräsidentin des
Freistaates Thüringen. Unser Korrespondent in Erfurt hat mit ihr über den Papstbesuch
gesprochen.
Frau Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, was ist Ihr persönliches
Resümee von dieser Reise des Papstes und dem Besuch Benedikts in Ihrem Land?
„Der
Besuch war ein ganz großartiges Ereignis. Ich bin mir ganz sicher, dass es eine wichtige
Nachwirkung geben wird. Es hat historische Begegnungen gegeben. Diese werden um die
Welt gehen. Das Treffen von katholischer und evangelischer Kirche im Augustinerkloster
ist von globaler Wichtigkeit. Immer wieder stand die Frage im Mittelpunkt nach der
Grundlegung unserer ethischen Normen. Das gilt auch nach der Grundlegung der Ökumene.
Ich finde, das war sehr richtig. Darüberhinaus gab es eine Hinwendung und Liebe gegenüber
den Menschen. Der Papst lebt das, was er von den hörenden Herzen erwartet, in einer
sehr berührenden Weise. Das haben auch die Menschen gespürt.“
Der Papst
hat angesprochen, dass dieses Land jahrelang dem Komunismus unterworfen war und das
Christentum unterdrückt wurde. Sie sind evangelische Theologin und Ministerpräsidentin
von Thürigen. Wieviel hat sich geändert?
„Wir haben eine Revolution erlebt.
Es war eine friedliche Revolution, die zunächst den Mauerfall geführt hat. Das galt
nicht nur für Deutschland sondern für ganz Europa. Einen wichtigen Beitrag kam auch
vom Vorgänger Benedikts, Johannes Paul II., der die polnischen Christen Mut gemacht
hat, Solidarnosc zu gründen. Dieser unvergessene Spruch „Habt keine Angst“ von Papst
Johannes Paul II. war einer der Schlüsselbegriffe, die zum Fall der Grenzen in Europa
geführt hat. Auf diesem Hintergrund, die ich hinter dem Eisernenen Vorhang war, mit
allen Zwängen und Absurditäten des Alltags, ist es etwas Besonders, dass ein solcher
Besuch in Erfurt stattfinden konnte. Das ist ja ein Land, das es zu DDR-Zeiten gar
nicht gab. Es war zentralistisch abgeschafft. Dass ich dazu noch als Ministerpräsidentin
und als evangelische Theologin den Papst am Rollfeld des Flughafens begrüßen durfte
ist etwas Besonders. Ich hatte als junge Theologin in den 80er Jahren den Theologen
Ratzinger in einer ökumenischen Arbeit zitiert. Da ging es um das Augsburger Bekenntnis.“
Der
Papst hat im Augustinerkloster sehr positiv von Luther gesprochen. Luther wiederum
war ein großer Kritiker des Papstes. Das heißt, es hat sich sehr viel getan. Wie sieht
es die sozusagen „Landesmutter Luthers“ und evangelische Theologin?
„Ich
bin sehr dankbar, dass die kirchenpolitischen und geschichtlichen Überlagerungen des
theologischen Denkens von Martin Luther abgeschichtet werden konnten. Wir leben in
einem guten ökumenischen Dialog miteinander. Dieser Besuch von Papst Benedikt XVI.
im Augustinerkloster ist sozusagen auf den Spuren Luthers und das ist ein Zeichen
dafür.“