Eminenzen, Exzellenzen! Sehr
geehrte Vertreter der orthodoxen und orientalischen Kirchen! Es ist mir eine große
Freude, daß wir uns heute hier zusammengefunden haben. Von Herzen danke ich Ihnen
allen für Ihr Kommen und für die Möglichkeit dieses freundschaftlichen Austauschs.
Einen besonderen Dank sage ich Ihnen, lieber Metropolit Augoustinos für seine vertrauensvollen
Worte. Es hat mich vor allem sehr bewegt, was Sie über die Muttergottes gesagt haben
und über die Heiligen, die alle Jahrhunderte umgreifen und einen. Und gern wiederhole
ich in diesem Kreis, was ich schon an anderer Stelle gesagt habe: unter den christlichen
Kirchen und Gemeinschaften steht uns ohne Zweifel die Orthodoxie theologisch am nächsten;
Katholiken und Orthodoxe haben die gleiche altkirchliche Struktur bewahrt. In diesem
Sinne sind wir alle alte Kirche, die doch immer gegenwärtig und neu ist. Und so wagen
wir zu hoffen, auch wenn menschlich immer wieder Schwierigkeiten auftreten, daß der
Tag nicht zu ferne ist, an dem wir wieder gemeinsam Eucharistie feiern können. (vgl.
Licht der Welt. Ein Gespräch mit Peter Seewald, S. 111). Mit Interesse und Sympathie
verfolgt die katholische Kirche und ich persönlich die Entwicklung der orthodoxen
Gemeinden in Westeuropa, die in den letzten Jahrzehnten merklichen Zuwachs verzeichnen.
In Deutschland – so habe ich gelernt – leben heute ca. 1,6 Millionen orthodoxe und
orientalische Christen. Sie sind ein fester Bestandteil der Gesellschaft geworden,
der den Schatz der christlichen Kulturen und des christlichen Glaubens Europas belebt.
Ich begrüße die Intensivierung der panorthodoxen Zusammenarbeit, die in den letzten
Jahren wesentliche Fortschritte erzielt hat. Die Gründung orthodoxer Bischofskonferenzen
dort, wo die orthodoxen Kirchen in der Diaspora sind, wovon Sie uns gesprochen haben,
ist Ausdruck der gefestigten innerorthodoxen Beziehungen. Ich freue mich, daß in Deutschland
im vergangenen Jahr dieser Schritt vollzogen wurde. Mögen die Erfahrungen, die in
diesen Bischofskonferenzen gemacht werden, den Verbund zwischen den orthodoxen Kirchen
stärken und die Bestrebungen zu einem panorthodoxen Konzil weiter voranschreiten lassen. Seit
meiner Zeit als Professor in Bonn und dann besonders als Erzbischof von München und
Freising habe ich durch persönliche Freundschaft mit Vertretern der orthodoxen Kirchen
die Orthodoxie immer tiefer kennen- und liebengelernt. Es begann damals auch die Arbeit
der Gemeinsamen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Kirche.
Mit ihren Texten zu pastoral-praktischen Fragen fördert sie seither das gegenseitige
Verständnis und trägt zu einer Festigung und Weiterentwicklung der katholisch-orthodoxen
Beziehungen in Deutschland bei. Ebenso wichtig bleibt die Weiterarbeit an der
Klärung theologischer Differenzen, weil deren Überwindung für die Wiederherstellung
der vollen Einheit, die wir erhoffen und um die wir beten, unerläßlich ist. Wir wissen,
dass es vor allem die Primatsfrage ist, um deren rechtes Verständnis wir weiter geduldig
und demütig ringen müssen. Ich denke, dabei können uns die Gedanken zur Unterscheidung
zwischen Wesen und Form der Ausübung des Primates, die Papst Johannes Paul der II.
in der Enzyklika Ut unum sint (N. 95) vorgenommen hat, weiterhin fruchtbare Anstöße
geben. Dankbar blicke ich auch auf die Arbeit der Gemischten Internationalen Kommission
für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und den orientalischen
orthodoxen Kirchen. Ich freue mich, verehrte Eminenzen und Vertreter der orientalischen
Kirchen, in Ihnen Repräsentanten jener Kirchen zu treffen, die an diesem Dialog beteiligt
sind. Die Ergebnisse, die dort erreicht wurden, lassen das Verständnis füreinander
wachsen und uns einander näher kommen. In der gegenwärtigen Zeitströmung, in der
nicht wenige Menschen das öffentliche Leben von Gott sozusagen „befreien“ wollen,
gehen die christlichen Kirchen in Deutschland – unter ihnen gerade auch die orthodoxen
und orientalischen Christen – vom Glauben an den einen Gott und Vater aller Menschen
her Hand in Hand den Weg eines friedlichen Zeugnisses für Verständigung und Völkergemeinschaft.
Dabei lassen sie nicht davon ab, das Wunder der Menschwerdung Gottes in das Zentrum
der Verkündigung zu stellen. Im Bewußtsein, daß auf ihm jede Würde des Menschen beruht,
treten sie gemeinsam für den Schutz des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis
bis zu seinem natürlichen Tod ein. Der Glaube an Gott, den Schöpfer des Lebens, und
das unbedingte Festhalten an der Würde jedes Menschen bestärken gläubige Christen,
jedem manipulativen und selektiven Eingriff am menschlichen Leben entschlossen entgegenzutreten.
Im Wissen um den Wert von Ehe und Familie ist es uns zudem als Christen ein sehr wichtiges
Anliegen, die Integrität und die Einzigartigkeit der Ehe zwischen einem Mann und einer
Frau vor jeglicher Mißdeutung zu schützen. Hier leistet das gemeinsame Engagement
der Christen, darunter der orientalischen Orthodoxen, einen wertvollen Beitrag zum
Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft, in der der menschlichen Person der ihr
geschuldete Respekt entgegengebracht wird. Am Schluss mochte ich den Blick auf
Maria richten: Sie haben sie als die Panaghia uns vorgestellt; die Hodegetria, die
„Wegführerin“, die auch im Westen unter dem Titel „Unsere Lieben Frau vom Weg“ verehrt
wird. Die Allerheiligste Dreifaltigkeit hat der Menschheit die jungfräuliche Mutter
Maria geschenkt, auf daß sie uns Menschen mit ihrer Fürbitte durch die Zeiten führe
und uns den Weg weise in die Vollendung. Ihr wollen wir uns anvertrauen und unser
Anliegen vorlegen, eine immer innigere Gemeinschaft in Christus zu werden zum Lob
und zur Ehre seines Namens. Gott segne euch alle! Danke.