Papst in Etzelsbach: „Maria ist unser aller Mutter“
Die traditionelle katholische Marienverehrung stand im Mittelpunkt der Vesper, die
Papst Benedikt XVI. am Abend im Marienwallfahrtsort Etzelsbach gefeiert hat. In der
katholischen Enklave Eichsfeld im mehrheitlich protestantischen Thüringen wies der
Papst auf die Kraft der Gottesmutter hin, gerade in den dunklen und schweren Stunden
der deutschen Geschichte:
„In zwei gottlosen Diktaturen, die es darauf
anlegten, den Menschen ihren angestammten Glauben zu nehmen, waren sich die Eichsfelder
gewiß, hier am Gnadenort Etzelsbach eine offene Tür und eine Stätte inneren Friedens
zu finden. Die besondere Freundschaft zu Maria, die daraus gewachsen ist, wollen wir
– auch mit der heutigen Marienvesper – weiter pflegen.“
Wenn sich Christen
an Maria wenden, so der Papst, dann ließen sie sich dabei von der spontanen Gewissheit
leiten, dass Jesus die Bitten seiner Mutter nicht abschlagen kann. Und sie stützten
sich auf das unerschütterliche Vertrauen, daß Maria zugleich auch ihre Mutter ist.
„Eine Mutter, die das größte aller Leiden erfahren hat, alle unsere Nöte
mitempfindet und mütterlich auf ihre Überwindung sinnt. Wie viele Menschen sind Jahrhunderte
hindurch zu Maria gepilgert, um vor dem Bild der Schmerzensreichen – wie hier in Etzelsbach
– Trost und Stärkung zu finden!“
Der Papst weist in seiner Predigt auf
die künstlerische Besonderheit der Pietà von Etzelsbach hin, des Gnadenbildes der
Muttergottes und ihrem gekreuzigten Sohn: Der Gekreuzigte liegt nicht wie üblich mit
dem Kopf nach links, sondern ist auf die andere Seite gewandt.
„Mir scheint,
dass sich in dieser Darstellung eine tiefe Bedeutung verbirgt, die sich erst in ruhiger
Betrachtung erschließt: Im Etzelsbacher Gnadenbild sind die Herzen Jesu und seiner
Mutter einander zugewandt; sie kommen einander nahe. Sie tauschen einander ihre Liebe
aus. Wir wissen, dass das Herz auch das Organ der feinsten Sensibilität für den anderen
wie auch des innigsten Mitgefühls ist. Im Herzen Marias ist Platz für die Liebe, die
ihr göttlicher Sohn der Welt schenken will.“
Nicht das moderne Leitbild
der Selbstverwirklichung, das leicht in Egoismus umschlagen könne, schaffe die wahre
Entfaltung des Menschen, mahnt der Papst. Vielmehr sei es die Haltung der Hingabe,
die auf das Herz Marias und damit auch auf das Herz des Erlösers ausgerichtet sei.
„Unter
dem Kreuz wird Maria zur Gefährtin und Beschützerin der Menschen auf ihrem Lebensweg.
In ihrer mütterlichen Liebe trägt sie Sorge für die Brüder und Schwestern ihres Sohnes,
die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie
zur ewigen Heimat gelangen. Ja, wir gehen durch Höhen und Tiefen, aber Maria tritt
für uns bei ihrem Sohn ein und vermittelt uns die Kraft der göttlichen Liebe.“
Indem
die Gottesmutter helfe, so der Papst, wolle sie uns in ihrer mütterlichen Behutsamkeit
verstehen lassen, dass unser ganzes Leben die Antwort auf die erbarmungsreiche Liebe
unseres Gottes sein soll.
„ Begreife – so scheint sie uns zu sagen –, dass
Gott, der die Quelle alles Guten ist und der nie etwas anderes will als dein wahres
Glück, das Recht hat, von dir ein Leben zu fordern, das sich rückhaltlos und freudig
seinem Willen überantwortet und danach trachtet, dass auch die anderen ein Gleiches
tun. „Wo Gott ist, da ist Zukunft“. In der Tat – wo wir Gottes Liebe ganz über unser
Leben wirken lassen, dort ist der Himmel offen. Dort ist es möglich, die Gegenwart
so zu gestalten, dass sie mehr und mehr der Frohbotschaft unseres Herrn Jesus Christus
entspricht. Dort haben die kleinen Dinge des Alltags ihren Sinn, und dort finden die
großen Probleme ihre Lösung. Amen.“