Priesterseminar Freiburg: „Berufungen sind kein Schicksal“
Am kommenden Samstagmittag
trifft Papst Benedikt XVI. in Freiburg ein. Liturgische Höhepunkte des ersten Besuchstages
in der Stadt im Breisgau sind das Angelus-Gebet im Freiburger Münster und die Gebetsvigil
mit Jugendlichen auf dem Messegelände. Am Nachmittag stehen für den Papst weitere
wichtige Begegnungen auf dem Programm: Die Laien, die orthodoxe Kirchen und der priesterliche
Nachwuchs in Deutschland sind hier die Schwerpunkte.
„Wir erhoffen uns
ein ermutigendes Wort“ Die Zukunft der Kirche in Deutschland steht und fällt
– zu einem großen Teil – mit dem priesterlichen Nachwuchs. Wohl deshalb hat sich Benedikt
XVI. die Begegnung mit Seminaristen im Priesterseminar Freiburg auch angesichts eines
übervollen Reiseprogramms nicht nehmen lassen. Hoch rechnen dem Papst das die angehenden
jungen Priester an, betont der Leiter des Freiburger Priesterseminars, Regens Michael
Gerber. Und vielleicht wird Benedikt XVI. ja bei seinem „Tête a tête“ mit den Seminaristen
in der kleinen Kapelle des Seminars auch Dinge ansprechen, die für die Zukunft des
Priesterberufs in Deutschlands wegweisend sind. Das habe er schließlich bei solchen
Gelegenheiten in der Vergangenheit auch getan, meint Gerber:
„Wenn man
die Ansprachen anschaut, die er in diesen Kontexten immer wieder gehalten hat, ob
das jetzt in Madrid, damals in Altötting oder in Freising war – da hat man gespürt,
dass er da sehr persönlich werden kann. Das ist natürlich eine Thematik, die uns selber
sehr berührt, und deshalb lassen wir uns überraschen. Und wir erhoffen uns ein ermutigendes
Wort für die Zukunft, gerade auch die persönliche Zukunft der Seminaristen.“
Die
Zukunft der Kirche sieht in der Diözese Freiburg – anders als in anderen Gegenden
Deutschlands – jedenfalls nicht schlecht aus: Die Zahl der Berufungen ist jedes Jahr
zweistellig und bleibt schon länger konstant, aktuell zähle man knapp 70 Seminaristen,
berichtet Gerber. Die Diözese tut viel, um junge Männer und Frauen für den Dienst
in der Kirche zu begeistern. So habe man nach dem Kölner Weltjugendtag in Freiburg
ein „Jahr der Berufung“ ausgerufen und ganz bewusst den Austausch zwischen Priestern
und Interessenten am Dienst in der Kirche gefördert. Was das Problem des Priestermangels
in Deutschland betrifft – da denkt Gerber ganz praktisch:
„Das ist meines
Erachtens kein Schicksal, ob es Berufungen gibt oder nicht – die Frage ist, welche
Wege gehen wir zu den jungen Menschen, um auch Berufungen zu wecken! Wer macht ihnen
Mut im konkreten persönlichen Gespräch? Welche priesterlichen Vorbilder erleben sie?
Diese Frage ist zum Beispiel auch ein Stück meiner eigenen Berufungsgeschichte.“
„Kardinal
Ratzinger war eine Inspiration“ Zum Priesternachwuchs in der Diözese Freiburg
habe auch Benedikt XVI. beigetragen, verrät Gerber weiter und erinnert an den Katholikentag
von 1978:
„Damals gab es im Freiburger Münster einen Begegnungsabend, bei
dem der damalige Kardinal Ratzinger und Mutter Theresa zu über tausend jungen Menschen
gesprochen haben. Und für nicht wenige dieser jungen Menschen hat sich damals die
Berufungsfrage neu gestellt. Wir haben aus diesem Ereignis also einige Ordensleute
gewonnen, die heute um die 50 sind und die darauf ihr Berufungsereignis zurückführen.
Das ist eine sehr wichtige Erfahrung für uns als Diözese.“
Auch in Rom
hätten Freiburger Seminaristen Kardinal Ratzinger regelmäßig getroffen – im Rahmen
des so genannten Propädeutikums, eines Semesters in der Ewigen Stadt:
„Immer
am Dienstag der Karwoche gab es ein Treffen mit dem Präfekten der Glaubenskongregation,
das letzte Mal war das exakt vier Wochen vor der Wahl des heutigen Heiligen Vaters:
Und diejenigen, die damals ganz junge Studienanfänger bei ihm waren, werden am kommenden
Sonntag bei der Messe mit dem Heiligen Vater diakonieren.“
„Priester
brauchen tragfähige Beziehungen“ Angesichts der Diskussion um die so genannten
„viri probati“ – also verheiratete Männer, die aufgrund vorbildlicher Lebensweise
für den Dienst des Diakons empfohlen werden – und eine bessere Priesterausbildung,
folge man in Freiburg den entsprechenden Richtlinien des Vatikans, unterstreicht Gerber
weiter. Seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Deutschland
wird über diese Fragen nicht nur innerhalb des Vatikans diskutiert.
„Wir
verwirklichen schon seit zehn, fünfzehn Jahren die Standards, die uns das entsprechende
päpstliche Dokument „Pastores dabo vobis“ vorgibt. Dieses nennt ja vier Dimensionen
der Priesterausbildung: erstens die menschliche Reife, dann die theologische Bildung,
die spirituelle Formierung und die pastorale Befähigung. Im Sinne der menschlichen
Reife ist uns das Bewerbungsverfahren ganz wichtig, das jeder von uns hier durchläuft:
Das sind drei Gespräche, zwei davon mit Ausbildungsleitern, mit mir und einem Kollegen,
und dann ein weiteres Gespräch mit einem Priester, der am Institut für Psychologie
an der Gregoriana-Universität in Rom ausgebildet worden ist.“
Um die Priester
in ihrem Auftrag und Lebensform besser zu stützen, müsse man weiter zum Beispiel über
Priestergemeinschaften nachdenken, schlägt Gerber weiter vor. Probleme wie Überforderung
und Vereinsamung von Priestern dürften nicht unterschätzt werden, so der Leiter des
Priesterseminars:
„Vor Hintergrund der Vereinsamung und auch gerade aufgrund
der Tatsache, dass viele Menschen unsere Lebensform nicht verstehen, braucht es tragfähige
Beziehungen, in denen auch wir Priester leben. Tragfähig – damit meine ich Beziehungen,
wo ich auch in meiner Berufung, auf meinem Lebensweg als Priester, als ehelos lebender
Mensch, angenommen bin in Beziehungen, in denen ich auch das zur Sprache bringen kann,
wo ich an Grenzen komme, aber auch Beziehungen, die von einer gemeinsamen Vision leben,
eine positiven Vision.“
Übrigens: Papst Benedikt XVI. schläft im Freiburger
Priesterseminar praktisch „Tür an Tür“ mit den Seminaristen. Keine goldenen Wasserhähne
und auch kein Baldachin wurden eingebaut – die Kammer des Papstes ist ganz einfach,
so wie damals vor einem halben Jahrhundert, als Ratzinger selbst Seminarist in München
war.