Papst im Olympiastadion: „In Christus bleiben, heißt auch in der Kirche bleiben“
Erstmals hat sich
Papst Benedikt XVI. öffentlich in der kirchlichen Reformdebatte in Deutschland zu
Wort gemeldet. Manche Kirchenkritiker sähen nur die äußerliche Gestalt der Kirche
und betrachteten sie nur als „eine der vielen Organisation innerhalb der demokratischen
Gesellschaft“. Sie begriffen aber nicht ihre „eigentliche Sendung“, sagte der Papst
in seiner Predigt im Berliner Olympiastadion am Donnerstagabend.
Zehntausende
jubelnde Menschen haben Papst Benedikt XVI. an diesem Donnerstagabend zur Heiligen
Messe im Berliner Olympiastadion empfangen. Der Papst, der zusammen mit dem Berliner
Erzbischof Rainer Woelki im Papamobil eine Runde durch die Menge machte, segnete Neugeborene
und begrüßte die Anwesenden. In einem Meer von bayrischen, vatikanischen und deutschen
Fahnen und Transparenten überreichte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit dem Papst
eine Modellstatue des Brandenburger Tors. Symbolisch das Geschenk der Berliner Jugend
an den Papst: Die Jugendlichen überreichten Benedikt den Helm eines Bauarbeiters.
Anwesend waren auch die Mitglieder des Bundestags und der Regierung, vor denen der
Papst wenige Stunden vorher eine Rede gehalten hatte. In seiner Predigt appellierte
der Papst vor allem an die Gemeinschaft der Kirche. Das Gleichnis vom Weinstock aus
dem Johannes-Evangelium nannte Benedikt als jenes Symbol für die Kirche, in der sich
die untrennbare Verbindung ihrer Mitglieder untereinander sowie zu Jesus Christus
ausdrückt.
„Im Gleichnis vom Weinstock sagt Jesus nicht: „Ihr seid der
Weinstock“, sondern: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“. Das heißt: „So wie
die Rebzweige mit dem Weinstock verbunden sind, so gehört ihr zu mir! Indem ihr aber
zu mir gehört, gehört ihr auch zueinander.“ Und dieses Zueinander- und Zu-ihm-Gehören
ist nicht irgendein ideales, gedachtes, symbolisches Verhältnis, sondern – fast möchte
ich sagen – ein biologisches, lebensvolles Zu-Jesus-Christus-Gehören. Das ist die
Kirche, diese Lebensgemeinschaft mit ihm und füreinander, die durch die Taufe begründet
und in der Eucharistie von Mal zu Mal vertieft und verlebendigt wird.“
Der
Papst sprach in seiner Predigt auch die Probleme und die Kritik an, mit denen sich
die Gemeinschaft der Kirche heute konfrontiert sieht:
„Manche bleiben mit
ihrem Blick auf die Kirche an ihrer äußeren Gestalt hängen. Dann erscheint die Kirche
nur mehr als eine der vielen Organisationen innerhalb einer demokratischen Gesellschaft,
nach deren Maßstäben und Gesetzen dann auch die so sperrige Größe „Kirche“ zu beurteilen
und zu behandeln ist. Wenn dann auch noch die leidvolle Erfahrung dazukommt, dass
es in der Kirche gute und schlechte Fische, Weizen und Unkraut gibt, und der Blick
auf das Negative fixiert bleibt, dann erschließt sich das große und tiefe Mysterium
der Kirche nicht mehr. Dann kommt auch keine Freude mehr über die Zugehörigkeit zu
diesem Weinstock „Kirche“ auf. Es verbreiten sich Unzufriedenheit und Missvergnügen,
wenn man die eigenen oberflächlichen und fehlerhaften Vorstellungen von „Kirche“,
die eigenen „Kirchenträume“ nicht verwirklicht sieht! Da verstummt dann auch das frohe
„Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad’ in seine Kirch’ berufen hat“, das Generationen
von Katholiken mit Überzeugung gesungen haben.“
Der Papst wies auf die
Bedeutung der Lebensentscheidung hin, der Kirche anzugehören. Das Bild vom Weinstock
sei ein Zeichen der Hoffnung und Zuversicht
„Christus selbst ist durch seine
Menschwerdung in diese Welt gekommen, um unser Wurzelgrund zu sein. In aller Not und
Dürre ist er die Quelle, die das Wasser des Lebens schenkt, die uns nährt und stärkt.
Er selbst nimmt alle Sünde, Angst und Leid auf sich und reinigt und verwandelt uns
schließlich geheimnisvoll in guten Wein. Manchmal fühlen wir uns in solchen Stunden
der Not wie in die Kelter geraten, wie Trauben, die völlig ausgepresst werden. Aber
wir wissen, mit Christus verbunden werden wir zu reifem Wein. Auch das Schwere und
Bedrückende unseres Lebens weiß Gott in Liebe zu verwandeln.“
Wichtig
sei, so der Papst, dass wir am Weinstock, bei Christus bleiben. Dieses „In-Christus-Bleiben“
präge das ganze Gleichnis.
„In unserer Zeit der Rastlosigkeit und Beliebigkeit,
wo so viele Menschen Orientierung und Halt verlieren, wo die Treue der Liebe in Ehe
und Freundschaft so zerbrechlich und kurzlebig geworden ist, wo wir in unserer Not
wie die Emmausjünger rufen wollen: „Herr bleibe bei uns, denn es ist Abend, ja, es
ist dunkel um uns!“, da schenkt uns der Auferstandene eine Bleibe, einen Ort des Lichtes,
der Hoffnung und Zuversicht, der Ruhe und Geborgenheit. Wo den Rebzweigen Dürre und
Tod drohen, da ist in Christus Zukunft, Leben und Freude.“
In Christus
bleiben hieße, auch in der Kirche bleiben, so der Papst. In der Gemeinschaft der Kirche
trage Christus uns und tragen zugleich alle Glieder sich gegenseitig.
„Liebe
Brüder und Schwestern! Das wünsche ich euch allen, dass ihr immer tiefer die Freude
entdeckt, in der Kirche mit Christus verbunden zu sein, dass ihr in eurer Not Trost
und Erlösung findet und immer mehr zum köstlichen Wein der Freude und Liebe Christi
für diese Welt werdet. Amen.“