2011-09-21 11:12:39

Bischof Wanke: Papst wird uns die Gottesfrage vor Augen halten


RealAudioMP3 Benedikt XVI. besucht in diesen Tagen nicht nur Berlin: Sein Reiseprogramm führt ihn am Freitag und Samstag auch nach Erfurt, zum ersten Aufenthalt eines Papstes in den neuen Bundesländern. Der Leiter des deutschen Programms von Radio Vatikan, Pater Bernd Hagenkord SJ, sprach am Dienstag in Erfurt mit Bischof Joachim Wanke.

Herr Bischof, was wünschen Sie sich, was erwarten Sie vom Papstbesuch in Thüringen?

„Dass der Papst die Gläubigen stärkt und uns hilft, in der veränderten geistigen und politischen Situation unseren Weg als Christen in Zuversicht weiterzugehen.“

Erhoffen Sie sich das durch die reine Anwesenheit des Papstes oder durch die speziellen einzelnen Gesten, die der Papst machen wird, die Ökumene oder die Vesper in Etzelsbach zum Beispiel?

„Das Gesamtereignis Papstbesuch wird dazu beitragen, natürlich aber auch vornehmlich seine Verkündigung. Aber auch, dass er einfach auch bei diesem Besuch einmal Halt macht in den sogenannten neuen Bundesländern und auf diese Weise seine Verbundenheit mit Gläubigen und den Menschen hierzulande zum Ausdruck bringt.“

...und auch mit der sehr eigenen Geschichte, die der Katholizismus hier hat und der anders ist als der, den man erlebt, wenn man hundert Kilometer gen Westen fährt?

„Das ist ja bekannt, dass die katholische Kirche in unterschiedlicher Weise in Deutschland präsent ist, aber wir haben ja alte christliche Wurzeln hier, von Bonifatius angefangen. Die große Bistumspatronin, die heilige Elisabeth von Thüringen, ist auch in der nichtkirchlichen Bevölkerung durchaus emotional verankert, sodass wir hier eine interessante Kirchengeschichte haben. Aber die Entwicklung ist bekannt: Die säkularistischen Tendenzen sind sehr stark, und viele Menschen haben leider auch von Kindheit an auch keine Verbindung mehr mit christlichem Glauben.“

Ungefähr 5% der Thüringer sind Katholiken, ist das richtig?

„Das könnte hinkommen, wir haben 2,3 Millionen Einwohner im Bundesland Thüringen, und wenn man die katholische Rhön, die zum Bistum Fulda gehört, und das Altenburger Land, das zu Dresden-Meissen gehört, mitzählt, werden es vielleicht 200.000 katholische Christen sein, die hier im Freistaat Thüringen leben.“

Ist es denn nicht ein bisschen viel Aufwand, wenn so eine kleine Minderheit katholisch ist, dass der Papst kommt, und wenn Sie hier durch Erfurt gehen, ist ja alles blockiert und zugeschweißt... Ist das nicht alles ein bisschen viel?

„Das ist natürlich ein offizieller Besuch, den der Papst hier in Deutschland macht, und die Sicherheitsvorkehrungen sind auch von den Behörden veranlasst, dafür braucht man ein gewisses Verständnis. Aber ich denke, man sollte die Besuchsziele des Papstes nicht von Quantitäten abhängig machen, sondern für uns ist es eine Freude und Ehre - und das stärkt natürlich auch unsere weltkirchliche Zusammengehörigkeit und es stärkt uns auf unserem Wege hier, auch in der Diaspora-Situation als katholische Christen zu leben.“

Die große Unbekannte der Reise ist Etzelsbach: Das ist ja außerhalb von Thüringen, vielleicht sogar außerhalb vom Eichsfeld relativ wenig bekannt. Warum steht das auf dem Programmplan, warum hat der Papst entschieden, nach Etzelsbach zu fahren?

„Es gab früher Einladungen an den Papst, wenn er in die neuen Länder kommt, dann einmal das Eichsfeld zu besuchen, es ist ja eine katholisch geprägte Region, und von daher erklärt sich das Ziel. Ich denke schon, dass der Papst sonst auch unbekanntere Orte besucht, die aber von regionaler Bedeutung sind. Ich freue mich, dass das möglich ist und der Papst die Strapaze sozusagen eines doppelten Aufenthaltes hier in Thüringen auf sich nimmt; das ist nicht nur für die Eichsfelder eine Freude, sondern ich denke schon, auch für die Eichsfelder, die in ganz Deutschland leben und mit ihrer Heimat immer verbunden sind.“

Für alle Nicht-Eichsfelder wie mich und wohl die meisten unserer Hörerinnen und Hörer bitte ein-zwei Sätze zu der geistigen Bedeutung dieses Wallfahrtsorts für das Eichsfeld und für Thüringen...

„Das Eichsfeld ist kleinteilig. Es hat nicht so große bekannte Wallfahrtsorte wie vielleicht im süd- oder westdeutschen Raum, aber es hat in der wechselvollen Geschichte des Eichsfeldes eine Rolle gespielt, dass dort Marienwallfahrtsorte vorhanden waren, und da ist Etzelbach mit das älteste Marienwallfahrtsheiligtum (neben dem Hölfensberg, das dem gekreuzigten Herrn gewidmet ist). Die Sammlung der Menschen auch in den Nöten und in den Wechselfällen der Geschichte, in den Nöten der Zeit, das hat eine große geistliche, seelsorgliche Bedeutung gehabt und sehr viel für den Erhalt eines geistlichen Grundwasserspiegels, auch in der Geschichte der Region, bedeutet.“

Und wenn Etzelsbach die große Unbekannte ist, so ist die scheinbar große Bekannte die Ökumene. Was bedeutet der Besuch an diesem Lutherort für die Ökumene, für die Entwicklung der Ökumene in Deutschland?

„Der Papst hat selbst auch die Anregung gegeben bzw. ist der Einladung gefolgt, das Augustinerkloster zu besuchen, in dem bekanntlich Luther als Mönch lebte. Das freut uns, dass diese Begegnung mit der Spitze der evangelischen Kirche in Deutschland hier bei uns in Erfurt auf diese Weise stattfinden kann. Es bringt auch ein wenig das gewachsene, gute ökumenische Verhältnis zum Ausdruck, das wir in den ganzen Jahrzehnten auch der alten DDR-Zeit hatten. Wir wissen, dass wir als evangelische und katholische Christen nur zusammen das Evangelium bezeugen können, und diese Begegnung wird ohne Zweifel auch dieses ökumenische gute Klima, das wir hier vor Ort haben, weiter beflügeln.“

Der Papst ist ein ausgesprochener Kenner der Theologie Martin Luthers; im Vorfeld haben wir uns jetzt auch ein bisschen mehr damit beschäftigt. Was kann denn Martin Luther heute vielleicht auch anlässlich des Luther-Jubiläums uns Katholiken sagen?

„Er kann uns die Gottesfrage wieder vor Augen halten, denn die religiöse Situation vor 500 Jahren war ohne Zweifel anders als in der derzeitigen Situation. Luther ist ein durch und durch religiöser Mensch, und er ist bewegt von der Frage nach Gott und dem Verhältnis des Menschen zu seinem Schöpfer und Erlöser. Unsere Zeit ist gottvergessen, und der Gotteshorizont ist uns entschwunden, insofern ist der energische Ruf Luthers, Gott die Ehre zu geben, auch ein Anruf für uns, und wir können als evangelische und katholische Christen gemeinsam auf diese Grundbotschaft hören, Gott wirklich die Ehre zu geben, mit seiner Wirklichkeit zu rechnen, unser Leben nach seinem Willen auszurichten.“

Die Visite des Papstes gilt ja der deutschen Kirche im ganzen, und dort läuft im Augenblick der Gesprächsprozess. Was glauben Sie, inwiefern wird der Besuch des Papstes beitragen zu diesem Gesprächsprozess?

„Wir leben in einem tiefen geistigen Umbruch unserer Zeit und es ist allenthalben zu spüren, dass die Sozialgestalt von Kirche sich auch wandeln wird. Dieser geschlossene Katholizismus der letzten Generationen bricht auf in eine Gestalt, von der wir noch nicht so genau wissen, wie sie aussehen wird. Auf jeden Fall wird der Pluralismus, der in der Gesellschaft vorherrschend ist, auch Rückwirkungen haben auf das Leben und die Gestalt des kirchlichen Lebens. In dieser Situation, in der die Kirche in einem tiefen Umbruch steht, ist es wichtig, dass der Papst uns ein Stück Mut gibt und Zuversicht, auch mit neuen Herausforderungen fertig zu werden. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Wege in eine solche neue Situation nur durch das Gespräch gefördert werden können. Nicht polarisierend, nicht gegeneinander, sondern in der gemeinsamen Verantwortung zur Suche nach dem, was Gottes Wille für hier und heute ist.“

(rv 21.09.2011 sk)







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