Monsignor Türk: „In ökumenischer Hinsicht ein Meilenstein“
Auch wenn es wohl
keinen „großen Durchbruch“ geben wird – auf dem Weg der Ökumene wird der Papstbesuch
in Deutschland dennoch ganz sicher ein „Meilenstein“. Das unterstreicht wenige Tage
vor dem Eintreffen Benedikts XVI. in Deutschland Matthias Türk von Päpstlichen Rat
für die Einheit der Christen. Beim Treffen des Papstes mit Vertretern der evangelischen
Kirche werde es wohl um Grundfragen der Rechtfertigungslehre gehen, meint Türk. Ein
gemeinsames Dokument zum Thema wurde von Vertretern der römisch-katholischen Kirche,
des Lutherischen Weltbundes und dem Weltrat methodistischer Kirchen 1999 feierlich
in Augsburg unterzeichnet; Josef Ratzinger wirkte damals maßgeblich an dem Papier
mit. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert Monsignore Türk weiter, welche Bedeutung
der geschichtsträchtige Ort Erfurt hat, wo der Papst kommenden Freitag EKD-Vertreter
trifft – in der Lutherstadt widmete sich der Student und spätere Reformator vor allem
der Lektüre der Heiligen Schrift.
„Im Blick auf das Reformationsjahr
im Jahr 2017, auf das wir zugehen, ist es jetzt an der Zeit, die ökumenischen Beziehungen
noch weiter zu intensivieren und zu stärken. Das Jahr erinnert an 500 Jahre Reformation,
aber auch an 50 Jahre gemeinsamen ökumenischen Dialog. Auf dieser Basis können wir
ökumenisch verantwortlich in die Zukunft Hand in Hand gehen. Der Papstbesuch ist ein
wichtiger Punkt, wenn nicht sogar Meilenstein auf diesem Weg unserer gewachsenen Beziehungen.“
Zum
Ort des ökumenischen Treffens, Erfurt: Martin Luther hat in der Stadt studiert und
wurde dort 1507 zum Priester geweiht – warum wurde dieser Ort für die Begegnung gewählt?
„Der
Papst selbst hat darauf hingewiesen, dass es der Ort ist, an dem Martin Luther studiert
hat und wir wissen, dass er dort vor allem die Heilige Schrift gelesen hat und sich
mit ihr beschäftigt hat, wiederum ein Ansatzpunkt für Katholiken und Lutheraner, gemeinsam
das Wort Gottes zu hören, im Bibelstudium die Anstrengungen ökumenisch zu intensivieren
und von dort auch auf die weiteren drängenden Fragen einzugehen. Ein Ort mit einer
großen symbolischen Bedeutung, aber auch mit einem klaren Auftrag für die Ökumene.“
Es
wird ja einen dialogischen und einen liturgischen Teil bei der Begegnung in Erfurt
geben, bei welcher der Papst ein Gebet für die Einheit der Christen sprechen wird.
Warum wurde diese Struktur gewählt, was sagt sie aus?
„Wir sagen immer,
das ökumenische Gespräch in Wahrheit und Liebe führen, das heißt neben den inhaltlichen
Gesprächen auch das menschliche Miteinander zu pflegen und vor allem den Gottesdienst,
also das Gespräch mit Gott selbst suchen. Denn je näher wir Christus kommen, desto
näher kommen wir zueinander, ein unverzichtbarer Bestandteil und ich würde sagen Höhepunkt
dieser ökumenischen Begegnung, was die ökumenische Wort-Gottes-Feier betrifft.“
Was
wäre denn ein echter Durchbruch in der Ökumene in Deutschland? Es gibt da ja schon
so einige mögliche Ansatzstellen, etwa die Frage der konfessionsverschiedenen Ehen
wäre ein Ausgangspunkt – die ist dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider nach
eigener Angabe bei der Begegnung mit Papst Benedikt am Wichtigsten…
„Viele
Themen stehen im Raum und werden angesprochen. Für den ökumenischen Dialog ist es
entscheidend wichtig, den nächsten möglichen Schritt zu gehen, der sich aus den bisherigen
Gesprächen und dem bisherigen Konsens nahelegt. Und das wäre nach unserer Einigung
in Grundwahrheiten zur Rechtfertigungslehre, die 1999 feierlich in Augsburg unterzeichnet
wurde die Frage nach dem Wesen und der Rolle der Kirche bei der Heilsvermittlung selbst,
inwieweit Christus sakramental in den Diensten, Ämtern, Grundvollzügen und Sakramenten
der Kirche handelt. Das ist unser nächster Schritt, der sich aus den bisherigen Gesprächen
ergibt und der noch vor allen Einzelthemen unverzichtbar wichtig ist.“
Und
dieses Grundfragen werden also in Erfurt zur Sprache kommen?
„Es wäre anzuraten
und ich bin mir bewusst, bin überzeugt, dass die Gesprächspartner das grundlegende
Thema sehr gut kennen und von dort aus versuchen werden, die nächsten Schritte zugehen.“
Präses
Schneider geht auch davon aus, dass der Papst in Erfurt etwas zu Martin Luther sagen
wird. Schneider hat Luther als „Scharnier“ zwischen beiden Kirchen beschrieben. Wo
gibt es denn Punkte in Luthers Lehre und Wirken, die tatsächlich beide Kirchen verbinden
und heute Ausgangspunkt der Begegnung sein können?
„Die Frage nach Martin
Luther ist eine ganz entscheidende Frage unseres Dialogs. Wir haben auf der internationalen
Ebene mit dem lutherischen Weltbund einen Text in Vorbereitung, der das Anliegen Luthers,
die Kirche zu erneuern ökumenisch aufgreift und zeigt, wie viele wichtige Elemente
in der Theologie Luthers enthalten sind und wie sie dazu dienen, ökumenisch weitergehen
zu können. Es geht darum, die Position des jeweiligen anderen übernehmen zu müssen,
sodass man das eigene, die eigene Identität schmälern müsste, sondern darum, das gemeinsame,
tiefer liegende wieder freizulegen, um so zusammen die Inhalte des Glaubens neu zu
formulieren und damit auch erneuert zu formulieren. Also Erneuerung der Kirche als
Grundanliegen. Eclesia sempre reformanda, wie wir wissen.“
Papst Benedikt
XVI hat sich schon vor seiner Zeit als Papst für die Ökumene stark gemacht, er hat
zum Beispiel entscheidend an dem gemeinsamen Papier zur Rechtfertigungslehre mitgewirkt.
Bei der kommenden Deutschlandreise hat er selbst den ökumenischen Teil „aufgestockt“.
Wie sehr liegt dem deutschen Papst die Ökumene am Herzen?
„Man muss die
Ökumene mit den eigenen Worten des Papstes als dessen Hauptanliegen bezeichnen. Das
wurde ja deutlich beim ersten Gottesdienst nach seiner Wahl, wo er das unmissverständlich
zum Ausdruck gebracht hat. Und wie könnte ein Pontifex Maximus, ein Nachfolger des
Heiligen Petrus im Einheitsdienst für die Kirche ein anderes Anliegen haben, das ihm
nicht ähnlich oder gleich wichtig wäre.“