Mit einem gemeinsamen
Friedensappell ist am Dienstagabend in München das Friedenstreffen der Religionen
zu Ende gegangen. In dem Text rufen die Vertreter der Religionen zu einer Globalisierung
der Gerechtigkeit auf. Das große Treffen war von der römischen Basisgemeinschaft Sant`Egidio
und vom Erzbistum München-Freising ausgerichtet worden – 25 Jahre nach dem großen
Friedensgebet von Assisi, zu dem Papst Johannes Paul II. 1986 erstmals eingeladen
hatte.
Dämmerung über dem Marienplatz, im Zentrum von München: Umgeben von
Mullahs, Rabbinern oder orthodoxen Bischöfen zog Kardinal Reinhard Marx von München
eine positive Bilanz des dreitägigen Treffens. Vertreter aus den verschiedenen Weltreligionen
und der Politik hätten echten Dialog praktiziert. „Wir haben nicht übereinander gesprochen,
sondern miteinander.“ Der Geist von Sant'Egidio sei eine Inspiration für die Weltgemeinschaft,
die Kraft eines solchen Treffens sei nicht zu unterschätzen. „Geben Sie die friedensstiftende
Kraft eines wirklichen Dialogs, die wir hier miteinander erlebt haben, weiter in Ihre
jeweiligen Verantwortungsbereiche! Erzählen Sie zu Hause davon! Begeistern Sie andere
Menschen für unsere gemeinsame Sache! Für den Frieden und die Zukunft der Welt sind
wir alle verantwortlich. Deshalb dürfen und wollen wir keine Mühe scheuen. Friede
ist jeden Einsatz wert!“
Kardinal Marx: „Wir sprachen mit-, nicht übereinander“
„Es
waren gesegnete Tage, die uns stärken“, erklärte Andrea Riccardi, der Gründer der
römischen Sant`Egidio-Gemeinschaft, vom Münchener Podium herab. „Diese Kraft wird
das Feuer des Krieges auslöschen. Diese Kraft wird uns stützen, wenn wir Frieden an
Orte bringen müssen, an denen Hass, Unverständnis und Gleichgültigkeit herrschen.
Geben wir uns nicht damit zufrieden, in einem Winkel Zuflucht zu suchen und dort ohne
Hoffnung für die große Welt in Ruhe zu leben. Ruhen wir nicht, bis Frieden in unserer
Nähe und auf der ganzen Welt geschaffen ist. In der globalen Welt dürfen wir uns nicht
mit einer wirtschaftlichen Globalisierung begnügen. Vielmehr brauchen wir ein weites
Herz mit einem universalen Blick.“
Für diesen universalen Blick stand in München
unter anderem Gijun Sugitani, ein hochrangiger Buddhist aus Japan. Er berichtete den
Teilnehmern an der Abschlussveranstaltung von den Tagen des Erdbebens vom 11. März,
von den dreißig Küstenstädten, die der Tsunami sofort zerstörte, von den 20.000 Todesopfern
beziehungsweise Vermißten. „Durch dieses so schreckliche Erdbeben haben wir Wichtiges
gelernt: Die Menschen müssen gegenüber der Natur demütiger werden, gleichzeitig sind
wir ganz und gar Teil einer großen Familie und brauchen das Zusammenleben, weil wir
zum Zusammenleben bestimmt sind.“
Japanischer Buddhist: „Demütiger werden“
Der
japanische Buddhist zog noch eine weitere Lehre aus der Katastrophe von Fukushima:
„Nein, unsere Zukunft ist nicht die „Technologie“. Die Probleme im Atomkraftwerk von
Fukishima wurden erst durch den Menschen geschaffen. Unsere Zukunft liegt nicht in
Sicherheiten des Wirtschaftssystems. Unsere Zukunft liegt in der Weisheit, indem wir
die Kunst des Zusammenlebens lernen, wie sie in den alten Traditionen der Religionen
enthalten ist. Eine Welt, eine Menschheitsfamilie, ein großes Herz: Liebe und Mitleid,
um in Frieden und Harmonie zusammenzuleben.“
Der lutherische Bischof Christian
Maelen Kvarme aus Norwegen erinnerte beim Friedenstreffen von München an eine weitere
Katastrophe, diesmal eine menschengemachte: das Massaker, das ein Norweger am 22.
Juli auf einer Insel in der Nähe von Oslo verübte. 77 Menschen starben, viele weitere
wurden verwundet.
„Einer der Getöteten war ein guter Freund von mir: ein brillanter
junger Mann, ein zukünftiger Verantwortlicher in unserer Kirche und im politischen
Leben. Der terroristische Angriff hat auch unsere Zukunft zerstört. Ein Norweger hat
unsere offene Gesellschaft attackiert, und seine Attacke richtete sich besonders gegen
die Anwesenheit von Muslimen in unserer Mitte. Wie kann man auf einen solchen Extremismus
und das Böse reagieren, auf solche Einstellungen und die Rhetorik des Hasses?“
Bischof
aus Norwegen: Auf Terror mit Gutem antworten
Norwegen habe trotz des
Schocks eine solche Antwort gefunden, berichtete der Bischof. Vor allem junge Menschen
hätten „eine Richtung“ vorgegeben.
„Ich traf in unserer Kathedrale einige von
ihnen, die das Massaker überlebt haben, und ich war berührt von ihrer Entschlossenheit.
Was wir jetzt brauchen, ist nicht weniger Offenheit, sondern mehr Zusammenleben und
das Aufbauen von Vertrauen durch den Dialog. Eine junge Frau sagte: „Wenn eine Person
soviel Böses tun kann, stell Dir vor, wieviel Liebe wir zusammen erschaffen können.“
Diese Antwort habe sich dann auch generell in Norwegen durchgesetzt. „Kirchen, Moscheen
und Synagogen waren voll mit Leuten, die beteten. In der Kathedrale lasen wir die
Seligpreisungen: „Selig die Trauernden, selig, die die hungern und dürsten nach der
Gerechtigkei, selig die Barmherzigen, selig, die die Frieden stiften.“ Wir gingen
auf die Straße, Christen und Muslime Hand in Hand, um einen neuen Sinn des Zusammenseins
zu leben.“
Am Dienstag Nachmittag hatten an verschiedenen Punkten von München
die Friedensgebete der einzelnen Religionen stattgefunden. Das ökumenische Gebet der
christlichen Kirchen wurde im Liebfrauendom abgehalten, die jüdische Glaubensgemeinschaft
versammelte sich in der Hauptsynagoge am Jakobsplatz. Bei der Abschlußkundgebung wurde
auch der Ort des nächsten Friedensgipfels der Religionen im Jahr 2012 bekannt: Sarajevo,
die Haupstadt von Bosnien-Herzegowina.