Der Papst kommt nach
Hause – und trotzdem wird ein bißchen gefremdelt. Denn Benedikt XVI., der jetzt schon
seit etwa dreißig Jahren im Ausland lebt, sieht sein Mutterland ähnlich wie Spanien
oder Frankreich: als ein vom Säkularismus befallenes Gebiet, das dringend wieder fürs
Christentum zurückerobert werden muss. Nicht der Islam und auch nicht die Kirchen
der Reformation sind für den Papst das eigentliche Problem, sondern vielmehr die „neue
Welle einer drastischen Aufklärung oder Laizität“, wie er das nennt. Den deutschen
Bischöfen sagte Benedikt vor ein paar Jahren in einer frei gehaltenen Rede: „Wir
sind in Deutschland gewöhnt, und ich als Professor auch ganz besonders, daß man vor
allem Probleme sieht... Nicht wenige Menschen verlassen die Kirche, oder, wenn
sie bleiben, akzeptieren sie doch nur ein Auswahlchristentum, einen Teil der katholischen
Lehre. Besorgniserregend bleibt die religiöse Situation im Osten, wo ja, wie wir wissen,
die Mehrheit der Bevölkerung nicht getauft ist und keinerlei Kontakt zur Kirche hat,
oft überhaupt nichts von Christus und von der Kirche weiß.“ „Wir sind zum Missionsland
geworden“, so zitiert der Papst den deutschen Bekennerjesuiten Alfred Delp. Und nicht
umsonst führt ihn sein Besuch in der zweiten Septemberhälfte erstmals als Papst auch
auf das Gebiet der früheren DDR – eine Region, wo nach seinem Eindruck gar nicht Neuevangelisierung,
sondern eigentlich „Erstevangelisierung“ geleistet werden müsste. „Die Menschen
kennen Gott nicht, kennen Christus nicht. Ein neues Heidentum ist da, und es genügt
nicht, daß wir versuchen, die bestehende Herde zu erhalten – das ist sehr wichtig
–; aber es drängt sich die große Frage auf: Was ist eigentlich das Leben? Und wir
müssen, denke ich, alle miteinander versuchen, neue Weisen zu finden, wie wir in diese
heutige Welt hinein wieder das Evangelium tragen, dort wieder Christus verkünden und
den Glauben aufrichten können.“ Deutschland, ein Missionsland: Dabei hatte
es noch vor ein paar Jahren geheißen „Wir sind Papst“! Unser Audio-Dossier von Stefan
v. Kempis beschäftigt sich mit zwei Schwerpunkten der Visite. E in erster Schwerpunkt
der Papstreise – wenn man`s rein chronologisch sieht – ist die Politik: Joseph Ratzinger,
übrigens neben Bundespräsident Wulff und Schwedens Königin Silvia das dritte lebende
Staatsoberhaupt, das aus Deutschland kommt, ist Staatsgast. Und er hält eine Rede
vor dem Deutschen Bundestag in Berlin, die mit Spannung erwartet wird. Ein zweiter
Schwerpunkt der Reise wird die Ökumene. Dazu äußern sich u.a. der Päpstliche Nuntius
Erzbischof Jean-Claude Périsset, Erzbischof Robert Zollitsch von Freiburg, der Unionspolitiker
Hans-Gert Pöttering und – zur Ökumene – der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche
in Deutschland, Nikolaus Schneider. (rv/domradio/adenauer-stiftung)