Fünf Tage noch bis
zum großen Friedenstreffen der Religionen in München – am zehnten Jahrestag des 11.
September. Zur Erinnerung, es ist die größte Gedenkfeier an die Terroranschläge in
Europa. Hunderte Religionsvertreter und Politiker wollen in München ein Zeichen für
eine friedliche Zukunft setzen. Neben Religionsführern kommen auch deutsche Spitzenpolitiker
nach München: Bundespräsident Christian Wulff, Kanzlerin Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble. Insgesamt 5.000 Teilnehmer erwarten das Erzbistum München und Freising und
die katholische Gemeinschaft Sant’Egidio, die das dreitägige Treffen ausrichten. Sinn
der Veranstaltung ist es laut Klaus Reder von Sant’Egidio Deutschland zu zeigen, dass
im Namen Gottes keine Gewalt zu rechtfertigen ist.
„Die Religionsvertreter
werden sich vor die Öffentlichkeit stellen und sagen: der Name Gottes ist mit Gewalt
nicht in Übereinstimmung zu bringen. Das ist nur möglich für solche Religionsführer,
die fest im Glauben sind. Deshalb werden Sie bestimmte Namen auf der Gästeliste von
Sant´Egidio nicht finden, die weltweit reisen und gewisse Dinge verkünden. Wir legen
Wert darauf, dass diejenigen, die zum Treffen kommen, authentisch und mit Vollmacht
für ihre Religionsgemeinschaft sprechen können, und sie werden sich dezidiert gegen
Gewalt aussprechen. Auf der anderen Seite aber auch nicht negieren, dass die Religionen
missbraucht werden und im Namen der Religion leider sehr oft Dinge passieren, die
nicht mit Religion in Übereinstimmung zu bringen sind.“
Die Friedenstreffen
gehen auf Papst Johannes Paul II. zurück, der 1986 erstmals die Weltreligionen zum
gemeinsamen Gebet nach Assisi geladen hatte. Dieses Treffen erfährt im kommenden Oktober,
genau am 25. Jahrestag, eine Neuauflage, diesmal mit Gastgeber Papst Benedikt XVI.
Wie auch in Assisi, wird es in München nicht zu einem gemeinsamen Gebet der Religionsvertreter
kommen; jede Religion betet in ihrer Überzeugung und Tradition für den Frieden, erklärt
Armin Wouters vom Erzbischöflichen Ordinariat München im Münchner Kirchenradio:
„Da
muss man ehrlich und nüchtern sein, es gibt keine Verständigung über eine interreligiös
tragfähige Gottesvorstellung, da sind die Religionen unterschiedlich, und ein gemeinsames
Gebet würde ja voraussetzen, dass es eine Verständigung über den Adressaten gibt.
Wir haben etwa auch pantheistische Religionsvertreter, nicht alle sind monotheistisch.
Diese Unterschiede sollen nicht verwischt werden, sodass wir sagen würden, jetzt müssen
halt alle ein bisschen nachgeben. Sondern das Ziel ist, dass Menschen mit ihrer Überzeugung
trotzdem zu Gemeinsamem fähig sind.“
Insgesamt finden von Sonntag bis Dienstag
mehr als 30 Podiumsdiskussionen statt, sowie dutzende Gottesdienste und ökumenische
Gebete. Am Ende steht eine gemeinsame Friedenserklärung der Religionen. Klaus Reder:
„Die wird gemeinsam erarbeitet und unterschrieben. Ich bin seit 25 Jahren
bei Friedenstreffen und habe die Debatten mitbekommen, weil jeder von der Terminologie
her die Dinge anders sieht; das wird eingearbeitet, damit es ein gemeinsamer Appell
wird. Und der wird den offiziellen Vertretern des diplomatischen Corps und Staatsoberhäuptern
übergeben, damit die Botschaft hinausgeht in die Welt. Das ist eine bewegende Szene,
wenn Kinder von Religionsvertretern diesen Appell übernehmen und ihn an die Autoritäten
übergeben. Auf der anderen Seite ist es auch eine Basis für das Gespräch, das nach
München weitergeht.“
München ist nach Aachen 2003 die zweite deutsche
Stadt, die ein Friedenstreffen der Religionen beherbergt. Dass die Begegnung am zehnten
Jahrestag der Anschläge in den USA ausgerechnet in München stattfindet, ist eine bewusste
Wahl, sagt Andrea Riccardi, der Gründer von Sant´Egidio. Die bayerische Metropole
stehe für das Herz Europas, und gerade die europäischen Christen hätten „die Verantwortung,
ein neues Jahrzehnt zu gestalten“, so Riccardi im Gespräch mit dem Münchner Kirchenradio.
„Am 11. September 2011 hat ein Jahrzehnt des Terrorismus begonnen. die
Herausforderung Bin Ladens. Aber auch wir hier im Westen haben an die Gewalt geglaubt.
Wir haben geglaubt, wir können dem Terrorismus mit Krieg begegnen. Wir haben geglaubt,
dass es keine Möglichkeit der Begegnung gebe, des Zusammenlebens, des Dialogs. Und
damit haben wir viel Zeit vergeudet, viel Energie. Wir haben zuviel gehasst. Und daher
wollen wir genau hier in München, im Herzen Europas am11. September sagen: Wir müssen
ein neues Jahrzehnt beginnen.“