Deutschland: „Auch Terroristen haben Menschenrechte“
Auch in Zeiten der
terroristischen Bedrohung darf der Westen seine Rechtsvorstellungen nicht über Bord
werfen. Dazu mahnen die deutschen Bischöfe in einem ausführlichen Positionspapier
namens „Terrorismus als ethische Herausforderung“. Es wurde an diesem Montag, fast
zehn Jahre nach den Anschlägen des 11. September, in Berlin vorgestellt. „Entschieden
setzen wir uns dafür ein, das Recht als Grundlage unserer Zivilisation zu stärken“,
heißt es in dem Bischofswort wörtlich: „Wenn Staaten und Gesellschaften hier zu Abstrichen
bereit sind, um Straftaten besser verfolgen oder verhindern zu können, werden am Ende
nicht Freiheit und Friede, sondern der Terrorismus die Schlacht gewinnen.“
Drei
Hügel „Areopag, Kapitol, Golgotha“ – diese drei Hügel stehen, wie das Bischofswort
formuliert, für „die Grundlagen des Abendlandes, die die Kirche mitgestiftet hat“.
Dieser „Dreiklang“ – „und damit auch der Wert des Rechts“ – müsse auch heute in aller
Schärfe verteidigt werden. Der Terror von New York und Washington vor zehn Jahren
habe zu einem „politischen Wettersturz“ in der Welt geführt; das Dokument nennt den
„Verlauf der Auseinandersetzungen in Afghanistan und Irak „schwierig, zeitweilig sogar
katastrophal“. Eine Folge des 11. September sei aber auch die Kontroverse über innere
Sicherheit in vielen Staaten des Westens, auch in Deutschland. „Die demokratische
und rechtsstaatliche Kontrolle von Polizei und Geheimdiensten wird durch die verschwimmenden
Grenzen und die Absenkung von Eingriffsschwellen schwieriger“, notieren die Bischöfe.
Und es gebe nur einen schmalen „Grat“ zwischen berechtigten Sicherheitsanforderungen
und der Gefahr „einer Einschränkung oder sogar Entleerung der individuellen Freiheitsrechte,
auf deren Schutz der Staat verpflichtet ist“.
Christliche Friedenslehre Die
Bischöfe bekräftigen den Grundsatz der christlichen Friedenslehre, dass der Einsatz
von Gewalt nur in wenigen Ausnahmesituationen legitim sein kann. Die westlichen Gesellschaften
müssten „Sicherheit gewähren und zugleich ihren freiheitlichen Charakter bewahren“;
dazu gehöre, dass „ein Denken in Gegensätzen von „Freund“ und „Feind“ nicht zur alles
beherrschenden politischen Kategorie wird“. Die höchste Priorität habe der Kampf gegen
die Ursachen des Terrorismus: Eine Welt, die den meisten Menschen kein menschenwürdiges
Leben erlaube, sei „nicht zukunftsfähig“ und könne nur zum Nährboden von Gewalt werden.
Das Bischofswort geht nicht direkt auf die prekäre Rechtslage rund um die
US-Gefangenenlager Guantanamo und Abu Ghraib ein, erinnert aber an das strikte völkerrechtliche
Folterverbot. Und es verurteilt ohne Wenn und Aber die neue US-Verteidigungsstrategie,
die sogenannte „vorbeugende Kriege“ erlaubt. Das bedeute eine Aushöhlung des Gewaltverbots.
Der Islam dürfe nicht pauschal mit Gewaltbereitschaft assoziiert werden, so das 67-seitige
Dokument. Eindringlich warnen die deutschen Bischöfe vor einer Schwächung der Rechte
des Einzelnen: „Die Menschenrechte und die Würde des Menschen stehen in der völkerrechtlichen
Ordnung nicht unter einem Terrorismusvorbehalt.”
Prävention vor Intervention Weltkirchen-Beauftragter
der Deutschen Bischofskonferenz ist Bambergs Erzbischof Ludwig Schick. Er sagte bei
der Vorstellung des Papiers: „Es kann keine legitime Abwehr terroristischer Bedrohung
ohne die Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte geben.“ Auch ein Terrorist
sei „grundsätzlich Träger von Menschenrechten“. Bei der Terror-Bekämpfung gelte außerdem:
„Prävention vor Intervention“. Gesetze zur Terrorismusbekämpfung seien „in ihren Wirkungen
auf die Grundrechte sorgfältig zu prüfen“.