2011-09-04 09:28:39

Missbrauchsskandal: Erzbischof von Dublin begrüßt Klarstellung aus Rom


RealAudioMP3 Die katholische Kirche in Irland begrüßt die ausführlichen Klarstellungen des Vatikans zum Missbrauchsskandal. Der Heilige Stuhl hat am Samstag eine über 20-seitige Antwort auf Vorwürfe aus dem so genannten Cloyne-Report veröffentlicht. Der Text zeigt Verständnis für Ärger und Wut in Irland über kirchliche Fehler beim Umgang mit Missbrauchsfällen. Gleichzeitig betont er aber, der Vatikan habe die irischen Bischöfe in den letzten Jahren keineswegs davon abgehalten, Missbrauchsfälle den Behörden zu melden. Positiv auf das ausführliche Vatikan-Dokument reagiert der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Ich glaube, die Leute nehmen das allgemein als eine ernsthafte Antwort wahr. Sie ist durchgearbeitet, stringent und sehr detailliert. Natürlich wird sie erstmal Zeit brauchen, um gelesen und analysiert zu werden. Ein Punkt, der mich hat aufhorchen lassen, betrifft die Haltung der vatikanischen Glaubenskongregation in den letzten zehn Jahren. Sie hat in diesem Zeitraum offenbar mehr als zwanzig Mal darauf hingewiesen, dass die Kirche nationales Recht respektieren muss, wenn es eine Meldepflicht für Missbrauchsfälle gibt. Das zeigt sehr, sehr klar die Haltung der Kongregation und der katholischen Kirche.“

Der Dubliner Erzbischof hat in der Vergangenheit auch nicht mit Kritik an Rom gespart, wenn es um den Umgang mit den Missbrauchsskandalen geht. Besonders aufgebracht ist er über Mitbrüder im Bischofsamt, die in der Vergangenheit die Normen ignorierten, die sich die irischen Bischöfe im Bereich Kinderschutz selbst gegeben haben. „Einige Leute haben sich selbst um päpstliche Vorgaben nicht gekümmert – es waren nicht viele Leute, aber sie haben riesigen Schaden angerichtet.“

„Der derzeitige Standard an Regelwerken in der Kirche ist sehr hoch und erlaubt, wie auch der Cloyne-Report sagt, wirklichen Schutz von Kindern. Aber es muss auch dafür gesorgt werden, dass selbst die besten Normen der Welt auch tatsächlich angewandt werden! Darum haben wir in Zusammenarbeit mit der „Nationalen Behörde für Kinderschutz“ ein Monitoring-System für die Kirche in Irland eingerichtet.“

Die „letzte Verantwortung in dieser Hinsicht“ trägt allerdings der Staat, betont Erzbischof Martin. Jetzt, „wo wir erstmals in der irischen Geschichte ein eigenes Kinderschutzministerium haben“, gelte das umso mehr.

„Schon eines der Gründungsdokumente des modernen Irland, das beim Dubliner Aufstand von 1916 eine Rolle spielt, nennt als eines der Ziele der Freiheitskämpfer „eine Gesellschaft, die sich um alle Kinder kümmert“. Das ist die Art von Gesellschaft, die wir brauchen. Die jetzige Lage des Kinderschutzes in Irland ist nicht zufriedenstellend – das kann man an kirchlichen Aspekten zeigen, aber auch an vielen Aspekten der Gesellschaft überhaupt. Wir müssen zu einer neuen Haltung der Kindheit gegenüber finden, zu einem neuen Respekt vor ihr.“

Erzbischof Martin hat den Eindruck, dass das Dokument aus dem Vatikan einen wichtigen Vorwurf ausräumt, den der irische Premierminister Enda Kenny erhoben hatte. Kenny hatte im Dubliner Parlament behauptet, der Heilige Stuhl habe vor drei Jahren versucht, eine staatliche Untersuchung des kirchlichen Umgangs mit Missbrauchsfällen „zu verhindern“. Dafür gibt es nach dem Eindruck des Dubliner Erzbischofs „keinerlei Hinweise“. Aber trotzdem:

„Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche ist sehr wichtig – zum einen wegen der Rolle, die die irische Kirche im Schulwesen spielt. Sie ist aber auch für die Kirche selbst wichtig: damit sie wirklich als ein sicherer Ort für Kinder gilt, die an ihren Aktivitäten teilnehmen wollen. Die irische Kirche ist – aller Polemik zum Trotz – ein sehr viel sicherer Ort als noch vor ein paar Jahren, weil sie ein effektives Regelwerk hat. Fehler und Nachlässigkeiten auf welcher Seite auch immer müssen identifiziert werden – nicht nur aus polizeilichen Gründen, sondern damit wir noch besser werden und damit unsere Normen wirklich halten, was sie versprechen.“

„Wie soll es jetzt weitergehen?“ Das fragt sich Erzbischof Martin zum Schluß seines Statements. Seine Antwort auf die eigene Frage geht so:

„Wohin auch immer wir gehen – wir sollten es gemeinsam tun. Spannungen und Polemik helfen nicht weiter; wir müssen in der Wahrheit, mit Transparenz und Ehrlichkeit, vorwärts gehen. Jeder Versuch, in eine Mentalität des Vertuschens zurückzufallen, wäre ein Schaden nicht nur für die Kirche, sondern vor allem für die Kinder. Denken wir daran, dass Jesus Kinder als ein Zeichen für das Reich Gottes sah. Wir müssen neu lernen, was uns das sagt. Werden wie die Kinder, aber auch: Kinder respektieren und beschützen – das gehört zu dem, was Christen leben und leben sollten.“

Auch der irische Primas, Kardinal Sean Brady, hat die Antwort des Vatikans auf den Cloyne-Report begrüßt. Er unterstreicht, dass der Heilige Stuhl ausdrücklich „tiefen Abscheu, Bedauern und Scham“ angesichts der Missbrauchsfälle und kirchlichen Versagens in diesem Bereich ausdrückt. Kardinal Brady versucht, möglicher Kritik zu begegnen, dass der Vatikan ziemlich spät dran sei mit seiner Erklärung: „Die Zeit, die der Heilige Stuhl darauf verwandt hat, seine Antwort zu schreiben, zeigt seine Bereitschaft, mit diesem Thema ernst, fair und sensibel umzugehen.“

Premierminister Kenny erklärte, er wolle die Antwort des Vatikans studieren. Die Regierung werde dann zu gegebener Zeit „einen Kommentar dazu geben“. Sein Stellvertreter, Außenminister Eamon Gilmore, anerkannte in einer ersten Reaktion, dass die Kirche die „überwältigenden Beweise“ für Missbrauchsfälle im Bistum Cloyne offenbar ernst nehme. Der Vatikan-Text komme ihm allerdings „technisch und legalistisch“ vor. Er sei weiterhin der Ansicht, dass ein Brief des Päpstlichen Nuntius von 1997 an irische Bischöfe „einigen einen Vorwand gegeben hat, sich um eine volle Kooperation mit Irlands staatlichen Behörden zu drücken“.

(rv 04.09.2011 sk)








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