Missbrauchsskandal: Erzbischof von Dublin begrüßt Klarstellung aus Rom
Die katholische Kirche
in Irland begrüßt die ausführlichen Klarstellungen des Vatikans zum Missbrauchsskandal.
Der Heilige Stuhl hat am Samstag eine über 20-seitige Antwort auf Vorwürfe aus dem
so genannten Cloyne-Report veröffentlicht. Der Text zeigt Verständnis für Ärger und
Wut in Irland über kirchliche Fehler beim Umgang mit Missbrauchsfällen. Gleichzeitig
betont er aber, der Vatikan habe die irischen Bischöfe in den letzten Jahren keineswegs
davon abgehalten, Missbrauchsfälle den Behörden zu melden. Positiv auf das ausführliche
Vatikan-Dokument reagiert der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, im Gespräch
mit Radio Vatikan:
„Ich glaube, die Leute nehmen das allgemein als eine
ernsthafte Antwort wahr. Sie ist durchgearbeitet, stringent und sehr detailliert.
Natürlich wird sie erstmal Zeit brauchen, um gelesen und analysiert zu werden. Ein
Punkt, der mich hat aufhorchen lassen, betrifft die Haltung der vatikanischen Glaubenskongregation
in den letzten zehn Jahren. Sie hat in diesem Zeitraum offenbar mehr als zwanzig Mal
darauf hingewiesen, dass die Kirche nationales Recht respektieren muss, wenn es eine
Meldepflicht für Missbrauchsfälle gibt. Das zeigt sehr, sehr klar die Haltung der
Kongregation und der katholischen Kirche.“
Der Dubliner Erzbischof hat
in der Vergangenheit auch nicht mit Kritik an Rom gespart, wenn es um den Umgang mit
den Missbrauchsskandalen geht. Besonders aufgebracht ist er über Mitbrüder im Bischofsamt,
die in der Vergangenheit die Normen ignorierten, die sich die irischen Bischöfe im
Bereich Kinderschutz selbst gegeben haben. „Einige Leute haben sich selbst um päpstliche
Vorgaben nicht gekümmert – es waren nicht viele Leute, aber sie haben riesigen Schaden
angerichtet.“
„Der derzeitige Standard an Regelwerken in der Kirche ist
sehr hoch und erlaubt, wie auch der Cloyne-Report sagt, wirklichen Schutz von Kindern.
Aber es muss auch dafür gesorgt werden, dass selbst die besten Normen der Welt auch
tatsächlich angewandt werden! Darum haben wir in Zusammenarbeit mit der „Nationalen
Behörde für Kinderschutz“ ein Monitoring-System für die Kirche in Irland eingerichtet.“
Die
„letzte Verantwortung in dieser Hinsicht“ trägt allerdings der Staat, betont Erzbischof
Martin. Jetzt, „wo wir erstmals in der irischen Geschichte ein eigenes Kinderschutzministerium
haben“, gelte das umso mehr.
„Schon eines der Gründungsdokumente des modernen
Irland, das beim Dubliner Aufstand von 1916 eine Rolle spielt, nennt als eines der
Ziele der Freiheitskämpfer „eine Gesellschaft, die sich um alle Kinder kümmert“. Das
ist die Art von Gesellschaft, die wir brauchen. Die jetzige Lage des Kinderschutzes
in Irland ist nicht zufriedenstellend – das kann man an kirchlichen Aspekten zeigen,
aber auch an vielen Aspekten der Gesellschaft überhaupt. Wir müssen zu einer neuen
Haltung der Kindheit gegenüber finden, zu einem neuen Respekt vor ihr.“
Erzbischof
Martin hat den Eindruck, dass das Dokument aus dem Vatikan einen wichtigen Vorwurf
ausräumt, den der irische Premierminister Enda Kenny erhoben hatte. Kenny hatte im
Dubliner Parlament behauptet, der Heilige Stuhl habe vor drei Jahren versucht, eine
staatliche Untersuchung des kirchlichen Umgangs mit Missbrauchsfällen „zu verhindern“.
Dafür gibt es nach dem Eindruck des Dubliner Erzbischofs „keinerlei Hinweise“. Aber
trotzdem:
„Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche ist sehr wichtig – zum
einen wegen der Rolle, die die irische Kirche im Schulwesen spielt. Sie ist aber auch
für die Kirche selbst wichtig: damit sie wirklich als ein sicherer Ort für Kinder
gilt, die an ihren Aktivitäten teilnehmen wollen. Die irische Kirche ist – aller Polemik
zum Trotz – ein sehr viel sicherer Ort als noch vor ein paar Jahren, weil sie ein
effektives Regelwerk hat. Fehler und Nachlässigkeiten auf welcher Seite auch immer
müssen identifiziert werden – nicht nur aus polizeilichen Gründen, sondern damit wir
noch besser werden und damit unsere Normen wirklich halten, was sie versprechen.“
„Wie
soll es jetzt weitergehen?“ Das fragt sich Erzbischof Martin zum Schluß seines Statements.
Seine Antwort auf die eigene Frage geht so:
„Wohin auch immer wir gehen
– wir sollten es gemeinsam tun. Spannungen und Polemik helfen nicht weiter; wir müssen
in der Wahrheit, mit Transparenz und Ehrlichkeit, vorwärts gehen. Jeder Versuch, in
eine Mentalität des Vertuschens zurückzufallen, wäre ein Schaden nicht nur für die
Kirche, sondern vor allem für die Kinder. Denken wir daran, dass Jesus Kinder als
ein Zeichen für das Reich Gottes sah. Wir müssen neu lernen, was uns das sagt. Werden
wie die Kinder, aber auch: Kinder respektieren und beschützen – das gehört zu dem,
was Christen leben und leben sollten.“
Auch der irische Primas, Kardinal
Sean Brady, hat die Antwort des Vatikans auf den Cloyne-Report begrüßt. Er unterstreicht,
dass der Heilige Stuhl ausdrücklich „tiefen Abscheu, Bedauern und Scham“ angesichts
der Missbrauchsfälle und kirchlichen Versagens in diesem Bereich ausdrückt. Kardinal
Brady versucht, möglicher Kritik zu begegnen, dass der Vatikan ziemlich spät dran
sei mit seiner Erklärung: „Die Zeit, die der Heilige Stuhl darauf verwandt hat, seine
Antwort zu schreiben, zeigt seine Bereitschaft, mit diesem Thema ernst, fair und sensibel
umzugehen.“
Premierminister Kenny erklärte, er wolle die Antwort des
Vatikans studieren. Die Regierung werde dann zu gegebener Zeit „einen Kommentar dazu
geben“. Sein Stellvertreter, Außenminister Eamon Gilmore, anerkannte in einer ersten
Reaktion, dass die Kirche die „überwältigenden Beweise“ für Missbrauchsfälle im Bistum
Cloyne offenbar ernst nehme. Der Vatikan-Text komme ihm allerdings „technisch und
legalistisch“ vor. Er sei weiterhin der Ansicht, dass ein Brief des Päpstlichen Nuntius
von 1997 an irische Bischöfe „einigen einen Vorwand gegeben hat, sich um eine volle
Kooperation mit Irlands staatlichen Behörden zu drücken“.