Polen: Ordensfrauen gemeinsam gegen Zwangsprostitution
Ordensfrauen vereint gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution: vor zwei Jahren
haben sich Schwestern in Ost- und Westeuropa zu einem Netzwerk zusammengeschlossen,
das entschieden gegen die Ausbeutung von Frauen als Sklavinnen der Sexindustrie vorgeht.
Das Netzwerk heißt „Renate“, eine Abkürzung für „Religious in Europa Networking Against
Trafficking and Exploitation“. Am Sonntag beginnt bei den polnischen Salvatorianerinnen
in Trzebinia bei Krakau eine internationale Konferenz zum Thema. Sprecherin des Netzwerks
in Deutschland ist die Missionsärztliche Schwester Dagmar Plum. Miriam Thiede befragte
die Ordensfrau, die selbst mit Zwangsprostituierten arbeitet, und wollte zunächst
von ihr wissen, was sich das Netzwerk vorgenommen hat.
„Renate möchte, dass
sich immer mehr Orden zusammentun, um dieses Problem gemeinsam anzugehen, und zwar
auf europäischer Ebene. Westeuropa ist betroffen von Menschenhandel insofern, als
dass wir Aufnahmeländer sind, Transitländer.“
Woher kommen die Frauen eigentlich?
„Die
meisten Zwangsprostituierten kommen aus Osteuropa. Einer der Gründe ist der Fall der
Berliner Mauer, wodurch große wirtschaftliche Umwälzungen in Osteuropa stattgefunden
haben und doch große Teile der Bevölkerung verarmt sind. Die Frauen, die aus Osteuropa
nach Westeuropa kommen, sind zumeist arme Frauen, anfangs hatten sie noch eine gute
Ausbildung, aber keine Arbeitsplätze in dem neuen System. Jetzt sind es hauptsächlich
ungebildete Frauen, vor allem Romafrauen und -mädchen, die hier ganz schnell Opfer
von Menschenhandel und Zwangsprostitution werden. Darunter sind auch viele Kinder.
Ich war voriges Jahr in Albanien, dort werden jetzt besondere Vorkehrungen von Ordensfrauen
getroffen, um zu verhindern, dass Kinder und junge Mädchen hierher verkauft werden.
Diese findet man hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen in der Straßenprostitution.
Es sind bedrohte Minderheiten, wo Töchter sehr wenig gelten. Ich habe einen Menschenhandelsprozess
miterlebt, in dem es um 14 Romafrauen ging, die von der Polizei aufgefunden worden
waren. Während der Prozess gegen die Täter noch lief, wurden diese jungen Frauen,
die darum gebeten hatten, in ihre Heimatländer zurück kehren zu können, von ihren
Familien schon wieder zurückgeschickt in die gleichen Bordelle, aus denen Mitarbeiter
noch vor Gericht standen. Es geht hier um diese 50 Euro, die sie pro Monat nach Hause
schicken können und dafür kann man schon einmal die eine oder andere Tochter opfern.“
Gibt
es eine bestimmte Geschichte, die Sie besonders bewegt hat?
„In der Abschiebehaft,
in der ich arbeite, habe ich vor kurzem eine Marokkanerin angetroffen. Sie war nicht
mehr ganz so jung und war als Kind von ihren Eltern in ein Kinderbordell verkauft
worden. Sie hatte noch schwere Narben an Armen und Beinen, wahrscheinlich von diesen
Ketten, die sie dort fünf Jahre lang tragen musste. Im Kinderbordell waren alle Kinder
an einer Wand angekettet und die Kunden zogen dann an diesen Mädchen vorbei. Mit
17 war sie zu alt für ein Kinderbordell. So schlägt sich diese Frau weiter durch mit
der einzigen Münze, die sie hat, nämlich ihre Sex-Organe, auf diese Weise hat sich
dann bis nach Norwegen durchgeschlagen. Dort wurde ihr Asyl verwehrt, weil sie keine
triftigen Gründe für einen Aufenthalt in Norwegen, sondern nur Schwierigkeiten mit
ihrer muslimischen Familie angegeben hatte, was natürlich nicht anerkannt worden ist.
Es wurde aber auch nicht weiter danach gefragt, wie eine junge Marokkanerin nach Norwegen
kommt, ohne finanzielle Mittel und ohne Papiere. Dann ist sie untergetaucht, verarmt
und schließlich gezwungenermaßen wieder da gelandet, wo sie einmal angefangen hatte.
Dann hieß es, in Italien gebe es billige Pässe, da könne man gegen eben diese
bekannte Münze Personalausweise und Pässe kriegen. Das hat sie dann auch gemacht.
Da sie nicht genug gearbeitet hatte, hat sie nur einen Personalausweis bekommen, zudem
einen gefälschten. Mit diesem ist sie hier in Deutschland von der Polizei aufgegriffen
worden. Bis ich dann in der Abschiebehaft Zugang zu ihr gefunden habe, hat es
eine Weile gedauert. In der Abschiebehaft hält man sich nicht so lange auf, aber sie
hat sich mir dann doch anvertraut. Ich bin ja auch schon ein bisschen älter, habe
es also doch noch geschafft, sie zum Reden zu bringen und so hat sie mir die ganze
Geschichte erzählt. Ich habe mit einer Frauenorganisation in Norwegen Kontakt aufgenommen.
Sie ist von den deutschen Behörden zurückgeschickt worden und diese norwegische Frauenorganisation
hat sie über die Polizei in einem Flüchtlingscamp gefunden. Jetzt wird die ganze Sache
noch einmal neu verhandelt, also in Richtung Aufenthalt.“
Renate organisiert
jetzt eine internationale Konferenz in Trzebinia, was genau haben Sie geplant und
warum gerade in Polen?
„Wir haben einen osteuropäischen Ort gewählt, weil
die meisten Zwangsprostituierten aus Osteuropa und vor allen Dingen nach Deutschland
kommen, wo die Prostitution seit 2002 legal ist. Dies macht es der Polizei sehr viel
schwerer, zwischen legaler und krimineller Prostitution zu unterscheiden. Und da es
schon Schwesternorganisationen gibt in Osteuropa, die schon angefangen haben mit dieser
Arbeit, möchten wir als ein gemeinsames Netzwerk von ost- und westeuropäischen Ordensfrauen
gemeinsam auftreten, in der praktischen Arbeit mehr zusammenzuarbeiten und ein größeres
Bewusstsein schaffen für diese Problematik. Denn Pornographie ist ja hier inzwischen
weit verbreitet, auch die schwereren, gewalttätigeren Formen, da hat im Grunde eigentlich
niemand mehr etwas dagegen. Auch Prostitution wird oft mit diesem billigen Argument
abgefertigt, dass es sie schon immer gab. Welche Ausmaße das jedoch inzwischen angenommen
hat, wird hierbei aber nicht berücksichtigt, und zwar gewerbsmäßig. Prostitution ist
vollkommen kommerzialisiert, Bordelle gehen an die Börse, mit Verweis darauf, dass
sich ja auch sozialethische Standards geändert hätten. Da können Sie sich also zum
Beispiel bei I-Pam mit 10.000 Euro an der Börse bereits einkaufen. Dann werden Ihnen
über 300 Prozent Rendite versprochen, weil der Magnet „Frau“ immer weiter wirken wird
und das ein total sicherer Markt ist, der selten Schwankungen unterworfen ist. Wenn
Sie aber jetzt diese Vielzahl von osteuropäischen Frauen sehen, die hierher kommen,
und berücksichtigen, dass die Konkurrenz auch sehr groß geworden ist, die Preise gefallen
sind und inzwischen Flatrate-Bordelle eingeführt worden sind, wo eine Frau an einem
Wochenende mindestens 50 Männer zu bedienen hat, dann muss man sich doch fragen, was
eigentlich mit unseren humanitären Traditionen los ist. Das Problem ist auch,
dass diese Frage in den Kirchen keine Rolle spielt. Es ist ein Tabu-Thema, über das
man nicht gerne spricht, aber eigentlich gehören diese geschändeten Frauen natürlich
auch in kirchliche Kreise. Jesus steht auch für diese Frauen.
Was kann man
machen, um Ihnen bei Ihrer Arbeit zu helfen?
Ich denke, dass wir auf Dauer
konkrete Fälle vorlegen müssen, an denen deutlich wird, was falsch läuft in verschiedenen
Ländern. Die Gesetzeslage ist ja auch sehr unterschiedlich, es muss überlegt werden,
wie wir zu gemeinsamer Aktion, zu einer gemeinsamen Haltung und zu einer gemeinsamen
Politik kommen. Auch die Kirchen in diesen Ländern haben eine große Verantwortung
für diese Frauen und dafür, was mit ihnen in unserem Land geschieht. Wir betrachten
uns immer noch als Rechtsstaat, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf Dauer
gut geht, wenn man solche Zustände toleriert. Da brauchen wir aber auch die Hilfe
auch der osteuropäischen Schwestern, zunächst einmal. Die Vertrauensbasis ist hier
einfach eine andere, selbst wenn man sich nicht kennt weiß man, dass uns miteinander
sehr viel verbindet. Und gerade in Osteuropa sind schon eine ganze Reihe Ordensfrauen
engagiert, die diese Arbeit machen. (rv 02.09.2011 gs)