Der Päpstliche Nuntius in der Türkei lobt ein Dekret der Regierung von Ministerpräsident
Recep Tayyip Erdogan. In dem am Wochenende veröffentlichten Text wird der Weg für
eine Rückgabe von Immobilien an viele jüdische und christliche Gemeinden in der Türkei
freigemacht. „Auch wenn die römisch-katholische Kirche davon nicht profitieren kann,
ist das doch ein wichtiger Schritt, der für die Türkei spricht.“ Das sagte der Nuntius,
Erzbischof Antonio Lucibello, in einem Gespräch mit der US-Nachrichtenagentur cns.
Die Regierung habe „ein exzellentes Signal“ gegeben, „dass es im Land nicht länger
Bürger erster und zweiter Klasse geben soll“. Das Dekret betrifft das Eigentum nicht-muslimischer
religiöser Gruppen, das nach 1936 enteignet wurde.
Otmar Oehring ist Menschenrechtsexperte
des kirchlichen Hilfswerkes missio Aachen und ausgewiesener Türkei-Kenner. Er sagte
uns an diesem Donnerstag über Erdogans Dekret:
„Es ist ein wichtiger, ein
mutiger, ein überraschender Schritt. Aber es ist noch nicht das, was eigentlich von
der Türkei erwartet wird, nämlich dass sie vollständige Religionsfreiheit im Sinne
der internationalen Konventionen (u.a. auch der Europäischen Menschenrechtskonvention)
umsetzen würde. Das muss durch eine neue Verfassung geschehen, und es gibt zwar schon
eine Diskussion und auch Streit über die Erarbeitung einer neuen Verfassung, aber
es ist in keinster Weise klar, wie es mit diesem Verfassungsprozess weitergehen wird.“
Oehring
weist darauf hin, dass etwa die römisch-katholische Kirche in der Türkei immer noch
keinen Rechtsstatus hat. Das gleiche gilt für lutherische Kirchen, für Freikirchen
und für die Bahai. Sie alle nutzen Immobilien, etwa Kirchen, als deren Eigentümer
im Grundbuch längst der türkische Staat eingetragen ist. Da gibt`s noch viele Fragen
zu klären, sagt Türkei-Experte Oehring.
„Es hat von seiten der katholischen
Ortskirche und auch von vatikanischer Seite immer wieder die Idee gegeben, dass man
nach dem Modell des modus vivendi mit Tunesien einen entsprechenden modus vivendi
auch mit der Türkei aushandeln sollte: dass also das Kircheneigentum der römisch-katholischen
Kirche gesichert wird, ausgehend von einem Status quo an einem bestimmten Bezugstag.
Meines Erachtens wäre das der falsche Weg, weil wir klar sehen, dass es in der Türkei
seit geraumer Zeit – mindestens seit 2002 – Bewegung in der Frage gibt hin auf mehr
Religionsfreiheit. Es wäre meines Erachtens außerordentlich ungünstig, wenn die katholische
Kirche hier vorpreschen würde und sich einen anderen Status zuzueignen versuchen würde,
als er dann für alle anderen Kirchen am Ende möglicherweise herauskommen wird.“