Am Beginn der Neuevangelisierung steht nicht das eigene Reden, sondern das Zuhören.
So erklärte der Leiter der Wiener „Akademie für Evangelisation“, Otto Neubauer, das
Thema des am Sonntag zu Ende gegangenen Treffens des Ratzinger-Schülerkreises. Neubauer
war eingeladen, über seine Erfahrungen aus der praktischen Arbeit etwa bei Stadtmissionen
zu berichten. Eine weitere Referentin war die Dresdener Religionsphilosophin Hanna-Barbara
Gerl-Falkowitz.
In einem Interview
mit der Nachrichtenagentur Kathpress sagte Neubauer anschließend, dass bei den „sehr
offenen Gesprächen", die Papst Benedikt XVI. im Kreis seiner ehemaligen Studenten
selbst moderierte, die „nötige Weltzugewandtheit der Kirche und die daraus resultierenden
Rückwirkungen auf die Kirche selbst" intensiv diskutiert worden seien. Laut Neubauer
sei dabei klar geworden, wie wichtig es für alle kirchlichen Bemühungen um Neuevangelisierung
sei, „sich auf die Welt einzulassen". Dies sei auch beim Vortrag von Gerl-Falkowitz
deutlich geworden, die eine „geradezu virtuose Analyse der Zeitsituation" geboten
habe. Dabei habe sich gezeigt, dass auch bei einem agnostischen Umfeld wie in der
ehemaligen DDR „Neuaufbrüche des Glaubens" möglich seien.
Neubauer sagte,
er selbst habe sehr erfahrungsbezogen über die Neuevangelisierung gesprochen. „Wir
müssen neu lernen, wahrhaft zuzuhören" und die Menschen in ihren Sorgen ernst nehmen,
das ist für ihn das zentrale Gebot für die Neuevangelisierungsarbeit. Er selbst habe
erst lernen müssen, „durch das Hören zu verkünden".
In seiner eigenen Arbeit
erfahre er einerseits einen ungebrochen tiefgreifenden Säkularisierungsprozess in
Europa, der die Christen „zum kleinen Rest" werden lasse. Auf der anderen Seite stelle
er jedoch immer wieder einen „unendlichen Hunger nach Gott" bei den Menschen fest,
so Neubauer. „Die eigentliche und größte Armut in Europa ist der dramatische Mangel
an Angenommensein und Geliebtsein, der Mangel an Erfahrung der Güte Gottes." Wer in
dieser Situation vorschnell mit missionarischem Eifer Gott predige, stehe in der Gefahr,
die Menschen vor den Kopf zu stoßen und abzuschrecken. Es gehe vielmehr darum, sich
vorurteilsfrei auf die Menschen einzulassen. Vor jeder Mission müsse daher die Umkehr
des Missionierenden selbst stehen, so Neubauer.
Vier Lernschritte
Konkret
zeigte Neubauer bei dem Vortrag vier „Lernschritte" auf, die die Basis der Neuevangelisierungsarbeit
bilden sollten: Das „Herabsteigen" zu den Menschen und damit die bewusste Suche des
Gesprächs an den Orten, an denen sich das Leben heute abspiele: Straßen, Plätze, Cafes,
Bars, Privatwohnungen. Zum zweiten brauche es gerade in einer Zeit anhaltender Säkularisierung
„’Heiligtümer' der Anbetung und des Lobpreises der Gegenwart des Herren".
Zum
dritten müsse auch unter den in der Mission und Neuevangelisierung Tätigen eine enge
Bindung und Gemeinschaft als „Gebets- und Erzählgemeinschaft" - etwa in Form von kleinen
christlichen Gruppen - gepflegt werden. Schließlich brauche es - so Neubauer abschließend
- eine neue Wahrnehmung der „Demütigungen und Verwundungen" an den Menschen, denn
gerade diese seien „der Stoff der Neuevangelisierung".
Das Schülerkreistreffen,
das am Donnerstag begonnen hatte, wurde am Sonntag mit einer Vertiefung der Thematik
im Beisein des „Neuen Ratzinger-Schülerkreises" und dem Gebet der Vesper beendet.