D/Brasilien: Präsidentin bekommt Protestpost von Adveniat
Ein deutsches Hilfswerk
schreibt der Präsidentin eines Landes. Ein nicht ganz gewöhnlicher Vorgang, aber genau
das hat Adveniat – das Lateinamerika-Hilfswerk der deutschen Kirche – vor einiger
Zeit getan: Geschäftsführer Bernd Klaschka schrieb an Brasiliens Präsidentin Dilma
Rousseff. Es geht um die Vernichtung des Regenwaldes und das Überleben der indigenen
Völker. Christian Frevel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Adveniat, erklärt gegenüber
Radio Vatikan den Hintergrund:
„Wir haben zu einem besseren Schutz der Ureinwohner
in Brasilien aufgefordert, weil wir bemerkt haben, dass es in letzter Zeit verstärkt
dazu gekommen ist, dass es Übergriffe auf die physische und kulturelle Integrität
der indigenen Völker in Brasilien gegeben hat. Jetzt gab es einen ganz konkreten Anlass,
einen Überfall auf eine Station der indianischen staatlichen Kulturbehörde, die dazu
da ist, die Indianer zu schützen und sie vor Übergriffen zu bewahren. Diese Station
wurde zerstört, und wir befürchten ein Massaker an Indianern, und zwar an Indianern,
die bisher noch keinen Kontakt zur Zivilisation hatten und in freiwilliger Isolation
leben.“
So dramatisch diese Schilderung ist, so ist das kein Einzelfall.
Vor allem die Grenzregion Peru – Brasilien sei in letzter Zeit immer gewalttätiger
geworden, weil sie zunehmend Durchzugsgebiet von Drogenhändlern geworden ist - und
diese nähmen keinerlei Rücksicht auf die indigenen Völker. Es seien aber nicht nur
illegale Aktivitäten, die Grund für die Gefährdung seien:
„Es gab in den
90er Jahren und in den ersten Jahren der Regierung von Präsident Lula (des Vorgängers
von Präsidentin Rousseff, Anm. d. Red.) starke Verbesserungen, insbesondere was die
sogenannte Demarkation – die Eingrenzung und Absteckung von Indianergebieten – betraf.
Es gab ganz klare Demarkationen von Indianerreservaten und Naturreservaten. Dies ist
in den letzten Jahren allerdings nicht weitergegangen. Stattdessen hat die wirtschaftliche
Seite dort die Oberhand gewonnen, auch schon unter der Regierung Lula und jetzt unter
der Regierung von Dilma Rousseff. Wirtschaftliche Gesichtspunkte wie die Frage der
Wasserkraft oder der Ausbau der Sojafelder haben Vorrang vor dem Schutz der Menschen
und vor dem Schutz des Regenwaldes bekommen. Adveniat fordert gemeinsam
mit der Brasilianischen Bischofskonferenz, dass der Schutz der indigenen Bevölkerung
und auch der Schutz des Regenwaldes stärker berücksichtigt wird und nicht allein wirtschaftliche
Interessen verfolgt werden. Das ist das eine. Das andere ist, dass wir eine
zunehmende Militarisierung der Grenzen befürchten. Das ist genauso wie in anderen
Staaten Lateinamerikas: Wenn man sieht, dass Drogen durch das Staatsgebiet transportiert
werden, dann befestigt man die Grenzen, und es wird mehr Militär in die Region entsandt.
Das hilft aber nicht, das Problem des Drogenhandels und des Drogenkonsums und auch
der Illegalität dort zu lösen. Das schürt weitere Konflikte; du bringt Waffen und
Gewalt und damit sicher auch irgendwann Opfer in die Region.“
Neben den
grundsätzlichen Forderungen nach Schutz und Rücksicht weist der Brief von Adveniat
auch auf konkrete Ansatzpunkte hin.
„Dazu gehört auch, dass man eine stärkere
kulturelle Integrität der Indianer gewährleistet und nicht allein darauf aus ist,
sie der sogenannten Zivilisation zuzuführen. Das konnten wir in letzter Zeit am Beispiel
des Wasserkraftwerkes Belo Monte verfolgen, dort wo Bischof Erwin Kräutler zu Hause
ist. Dort sagt die Regierung, dass sie den Indianern, die wegen des Baus des Staudamms
ihren Lebensraum verlassen müssen, neue Möglichkeiten geben will. Sie will sie von
Waldläufern zu Ackerbauern machen, aber das ist nicht der Schutz der kulturellen Integrität,
den wir uns vorstellen.“
Reaktionen hat es auf den Brief an die Präsidentin
Dilma Rousseff noch nicht gegeben, Adveniat sei aber in Kontakt mit dem brasilianischen
Botschafter in Deutschland.
„Eine optimale Reaktion wäre für uns, dass es
nicht nur darum ginge, sich zu sagen, dass es lediglich eine konkrete Situation an
der Grenze zu Peru sei, die jetzt dadurch geändert wird, dass Militär entsandt wird.
Uns geht es ganz konkret auch um die Frage, wie die Gewichtung der brasilianischen
Politik ist. Wir wollen dort den Indianermissionsrat der Kirche in seiner Position
unterstützen, dass klar ist, dass die Regierung nicht abwartend daneben steht und
sagt, dass die Wirtschaftspolitik eine wichtige Sache sei und zu den Indianern wenig
sagt. Dass bedeutet auch, dass man die Indianer als brasilianische Bürger akzeptiert,
so wie sie sind, mit ihrer Kultur, und dass man nicht sagt, dass sie Menschen zweiter
Klasse sind.“