Die Missbrauchskrise hat die Kirche nach Ansicht des Einsiedler Abtes Martin Werlen
weiter gebracht. „Wir sind wahrhaftiger geworden. Wir haben uns Menschen zugewendet,
die durch uns großes Leid erfahren haben", sagte Werlen im Interview mit der katholischen
Wochenzeitschrift „Sonntag". Der Abt vertritt die Schweizer Bischofskonferenz seit
2002 im Fachgremium „Sexuelle Übergriffe in der Pastoral". Die von der Bischofskonferenz
bislang eingeleiteten Maßnahmen genügen nach Ansicht des Abtes nicht. Wohl seien die
Fachgremien ständig an der Arbeit und gute Richtlinien vorhanden. „Entscheidend sind
die menschlichen Begegnungen. Wenn sich ein Opfer nach einem Gespräch mit einem Vertreter
der Kirche verstanden fühlt, dann ist das ein wesentlicher Schritt. Opfer spüren sehr
gut, ob sie einfach abgefertigt werden oder ob sich jemand ihrer wirklich annimmt",
so der Abt gegenüber dem „Sonntag". Er selber hat nach eigenen Angaben rund hundert
Gespräche mit Opfern geführt. Der Abt war im vergangenen Jahr auch mit Übergriffen
durch Angehörige seines Klosters konfrontiert worden.