2011-08-14 09:08:49

Weltjugendtag: „Glauben gerade in Krisenzeiten wichtig“



RealAudioMP3 Mit einer Heiligen Messe auf dem Cibeles-Platz in Madrid startet an diesem Dienstag Abend der 26. Weltjugendtag. Viele junge Leute aus ganz Europa sind schon nach Spanien gereist, den Papst werden sie aber erst am Donnerstagsabend zu Gesicht bekommen. Benedikt XVI. besucht Spanien in keiner leichten Phase für das Land: Bürgerproteste angesichts der wirtschaftlich und politisch unsicheren Lage sorgten in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen, und auch das Verhältnis zwischen Regierung, Ortskirche und Heiligem Stuhl könnte besser sein: Uneinigkeit gab es hier vor allem in Fragen des Religionsunterrichtes, der Familie und des Lebensschutzes. Schlechte Vorzeichen für den Weltjugendtag und den Papstbesuch? Iwo, meint Bischof Josef Clemens, Sekretär des Päpstlichen Laienrates: Gerade in Zeiten der Krise kann und soll ein Weltjugendtag Zeichen der Hoffnung sein, sagte der Jugendbischof im Interview mit Anne Preckel vor seiner Abreise nach Madrid.

„Wir sind sehr gut in der Zeit. Wir haben am Dienstag noch gehört, dass die 450.000-Teilnehmer-Grenze überschritten worden ist. Wir hören, dass etwa 800 Bischöfe teilnehmen werden und viele, viele tausend Priester. Also von den Zahlen her läuft die Sache sehr gut und auch, was die Vorbereitungen angeht – soweit wir das von hier beurteilen können – ist auch alles entsprechend der Planung bisher verlaufen.“

Es gibt ja mehrere Gelegenheiten für die Jugendlichen, dem Papst in Madrid zu begegnen. Wo Haben Sie und der Vatikan denn für die Veranstaltung die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt?

„Es sind im Grunde drei oder vier wichtige Ereignisse: Erstens die Willkommensfeier des Papstes am Donnerstag, dann auch der Kreuzweg, der für uns sehr wichtig ist, und dann eben die Katechese am Abend, die Vigilfeier und der Schlussgottesdienst. Es sind ich würde sagen vier sehr wichtige und für die Jugend auch sehr herausfordernde Begegnungen.“

Seit der Initiative von Papst Johannes Paul II. lädt der Vatikan ja alle drei Jahre zu den großen Jugendtreffen ein. 2005 kamen 1,1 Millionen Teilnehmer nach Köln, 400.000 Jugendliche waren 2008 in Sydney, 1,5 Millionen Gläubige werden jetzt in Madrid erwartet. Wird das ein neuer Rekord? Und haben Sie gehört, aus welchen Ländern die Jugendlichen anreisen?

„Ein Rekord besteht bereits darin, dass es in dem zeitlichen Abstand von nur zwei Monaten oder drei Monaten eine sehr hohe Anmeldezahl gab. Und das wiederum lässt durchscheinen, dass die Zahl noch weiter ansteigen wird. Weil viele entscheiden sich so ganz kurzfristig, vor allem natürlich die spanischen Jugendlichen, die vielleicht sogar nach der Eröffnung noch sich auf den Weg machen – damit rechnen wir auch, weil das gastgebende Land beim Weltjugendtag natürlich die größte Rolle.“


„Glaube gerade in schweren Zeiten wichtig“

Das wäre auch meine nächste Frage: Welche Bedeutung hat denn der Standort Madrid für den kommenden Weltjugendtag? Spanien wird derzeit ja von einer angespannten wirtschaftlichen Lage gebeutelt, was sich auch in gesellschaftlichen Protesten niederschlägt: Die so genannten „Indignados“ – darunter viele junge Arbeitslose – gehen auf die Straße, Kritik wurde zuletzt auch an den Kosten des Papstbesuches laut...

„Madrid und Spanien sind natürlich von ihrer Geschichte her besondere Orte. Innerhalb der europäischen Länder haben der christliche Glaube und die katholische Kirche in Spanien natürlich eine hervorragende Rolle gespielt. Das merkt man ja auf Schritt und Tritt an den vielen Kirchen, und wer ein wenig die Kirchengeschichte kennt, weiß um die vielen, vielen großen Gestalten der Kirche, die aus Spanien kommen. Ja, die Probleme – da haben Sie völlig Recht – sind natürlich da, und es wäre schade, wenn da etwas gegeneinander ausgespielt würde. Ich würde sagen, der Weltjugendtag eröffnet eine positive Sicht auch in schwierigen Zeiten. Und es ist – wenn es wahr sein sollte, dass 40 Prozent der Jugendlichen in Spanien ohne Arbeit ist – ein wichtiger Befund.
Wir denken aber dennoch, dass man auch bei Schwierigkeiten und vielleicht gerade bei Problemen vom Glauben her Antworten bekommen kann, weil er unseren Blick in die Tiefe und in die Zukunft richtet. Wir wünschen uns natürlich alle – und ich denke, das gilt für alle Jugendlichen, egal, woher sie kommen, dass diese Probleme gelöst werden. Vor allem, weil Spanien ja so eine rasant positive wirtschaftliche Entwicklung hatte. Und nun kommt plötzlich so ein gewisser Absturz. Das bedauern wir, und wir hoffen, dass hier nicht Dinge gegeneinandergestellt werden. Der Glaube ist wichtig und entscheidend gerade in schwierigen Zeiten!“

„In die Jugend investieren heißt für die Zukunft sorgen“

Wie wird der Weltjugendtag eigentlich finanziert – zum Thema gab es ja Kritik: Der Weltjugendtag sei viel zu teuer, beklagten atheistische und laizistische Gruppen in diesen Tagen in Madrid.

„Also ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass das lokale Komitee und der Kardinal von Madrid um eine sehr große Sparsamkeit bemüht waren. Das sage ich jetzt nicht im Nachhinein, sondern das war mein Eindruck von Anfang an. Man wollte wirklich jeden Euro prüfen, der ausgegeben werden sollte, und ich glaube auch, das ist geschehen. Der Kardinal und das Komitee haben sehr viele Sponsoren finden können, die – sei es durch Leistungen oder Spenden – den Weltjugendtag unterstützen. Ein solches Großereignis hat einfach seine Kosten. Und wie gesagt – es ist sparsam vorgegangen worden, die Kosten sind genau berechnet worden. Und wie ich höre, ist man auch in dem Limit geblieben, das man vorhatte. Immer wieder geht es um die Kosten – ich denke und das ist unsere feste Überzeugung im Laienrat, dass es eine gute und richtige Anlage ist, in die Jugend zu investieren, nicht nur zeitlich oder vom Engagement her, sondern auch finanziell.“


Weltjugendtag als „Brücke“ über gesellschaftlichen Schluchten?

Auch in Punkto Neu-Evangelisierung ist Spanien ein wichtiges „Target“ – das sozialistisch regierte Land fiel immer wieder durch gesellschaftliche Entwicklungen und auch Gesetze auf, die in der Kirche umstritten sind: denken wir etwa an den Lebensschutz und Entwicklungen der Familie. Was kann der Weltjugendtag in dieser Perspektive bringen?

„Ja, ich hoffe und wünsche mir, dass diese Gegensätze, die zum Teil schon seit Jahrzehnten bestehen, irgendwie vermindert und überbrückt werden. Dass dieses Land, das so schön ist, eine so reiche Geschichte hat und Europa so viel zu geben hat, dass dieses Spanien sich nicht noch weiter zersplittert – es gibt ja schon auf regionaler Ebene Auseinandersetzungen zwischen der Zentralregierung und verschiedenen Regionen. Und dann kommt noch eine weitere geistige und geistliche Spaltung hinzu… Ich hoffe, dass vor allem auch viele Jugendliche in diesen Tagen und darüber hinaus erkennen, dass hier Gegensätze aufgebaut worden sind, die letztlich für die Gestaltung des eigenen Lebens überwunden werden müssen. Sie sollten verstehen, dass man in einer Anti- und Gegenposition gegen den Glauben und vielleicht auch gegen die eigene Geschichte angeht.“

Trotz eines Demonstrationsverbotes wollen spanische Protestbewegungen an einer geplanten Kundgebung unmittelbar vor dem Papstbesuch in Madrid festhalten. Das hört sich nach einem zähen Widerstand an. Meinen Sie, es kommt während des Weltjugendtages zu unangenehmen Konfrontationen?

„Das glaube ich eher nicht. Aber was ich mir wünschen würde: Dass die Jugendlichen, die diese Probleme haben, mit anderen Jugendlichen sprechen und Erfahrungen von anderen hören, dass die entwickelten Gegensätze nicht noch weiter vertieft werden. Ich glaube nicht, dass es zu großen Demonstrationen kommt. Wobei ich mir auch nicht wünschen würde, dass bei einem so schönen und friedlichen Anlass ungeheure Polizeikräfte aufmarschieren – das wäre kein gutes Bild und kein gutes Zeugnis für den Weltjugendtag.“

Vor Kurzem wurde hier in Rom der neue Jugendkatechismus „Youcat“ der Welt vorgestellt. Das Buch ist ein Geschenk des Papstes an alle Teilnehmer des Weltjugendtages, wird in jedem Rucksack der jugendlichen Teilnehmer zu finden sein. Zwei Worte dazu?

„Ja, ich fand das von Anfang an eine wunderbare Idee; wir haben dieses Projekt vom Laienrat auch unterstützt. Es ist etwas Besonderes: Madrid wird auch in Zukunft immer mit dem Youcat verbunden sein. Es war natürlich eine große Anstrengung von Seiten der Verfasser und Herausgeber. Ich denke, dass sich das positiv auswirken wird, weil das Buch – ich habe es mir ja angeschaut – doch in einer sehr zugänglichen Form die großen Blöcke des Glaubens erklärt. Und ich hoffe, dass die Jugendlichen den Jugendkatechismus nicht nur im Rucksack vorfinden, sondern ihn auch aus dem Rucksack herausholen und einmal hineinschauen.“


Kirche und staatliche Stellen in ungewohnter Eintracht

Madrids Erzbischof, Kardinal Antonio Maria Rouco Varela, hat betont, die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen bei der Vorbereitung des Weltjugendtages könnte nicht besser sein. Worte, die vor Hintergrund der zahlreichen Konflikte zwischen Kirche und Regierung in den vergangenen Jahren durchaus überraschen…Ist da ein neues Kapitel angebrochen?

„Ich würde es mir wünschen. Wobei man sagen muss: Die Stadtregierung Madrid und auch die Region war immer sehr für den Weltjugendtag. Also, es war eher die Nationalregierung, die gewisse Reserven hatte. Umso schöner ist es, wenn sich der Regierungschef besonnen hat und den positiven Wert des Weltjugendtages erkannt hat, und von der nationalen Seite auch – wie es der Kardinal berichtet hat – Unterstützung signalisiert. Für uns ist das sehr erfreulich, und wir würden uns natürlich wünschen, dass das der Beginn einer fruchtbaren und positiven Zusammenarbeit sein könnte.“


Schwerpunkt Katechese – Glaubensvermittlung aus eigener Erfahrung

Was ist denn der Weltjugendtag eigentlich für eine Form der Glaubensvermittlung? Es geht ja stark ums gemeinsame Tun, weniger um eine theoretische Heranführung der Jugend an den Glauben…

„Für uns und für mich persönlich spielen die Katechesen eine große Rolle. Vor allen Dingen unterstreiche ich gerne die Nähe des Katecheten zu den Jugendlichen. Es wird also eine Katechese gehalten, und dann kann man Fragen stellen, so dass ein direkter Dialog entsteht, nicht von der hohen Warte herunter, sondern im gemeinsamen Suchen. Und dass der Bischof, die Katecheten sind ja Bischöfe, den Jugendlichen etwas von seinem eigenen Glaubensleben erzählt, vielleicht auch von seinen Schwierigkeiten. Und dass man auf diese Weise erkennt: Auch Bischof x und y hat sich um den Glauben bemüht, der ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern er hat ihn sich erkämpft und er verteidigt ihn in seinem Denken, vor allem natürlich auch in seinem Tun.
Für den verstorbenen Papst Johannes Paul II. war dieser dialogische Aspekt der Weltjugendtage eine sehr wichtige Sache. Und deswegen freue ich mich, dass wir auf dieser Schiene weitergehen.“

Sind solche Formen der Glaubensvermittlung die Zukunft? Angesichts einer Kirche, die ja in der letzten Zeit stark in die Kritik geraten ist und die sich heute stärker denn je dem Nachwuchs öffnen muss?

„Ja, wir sprechen ja gerne vom Weltjugendtag nicht nur als Ereignis, sondern als Methode. Der Weltjugendtag ist nicht nur eine einmalige Zusammenkunft, sondern hat ein Davor, das Ereignis selbst und ein Danach. Und das Ereignis selbst bestimmt die Zeit davor und sollte auch die Zeit danach bestimmen. Während des Ereignisses spielen das Wort des Papstes, aber auch das der Bischöfe und der Austausch der Jugendlichen eine große Rolle. In einer Welteinrichtung wie der Kirche sind eben die Schwierigkeiten und auch die positiven Dinge nicht überall gleich. Und ich glaube, im Vergleich zu Europa und zu Deutschland im Besonderen ist die Erfahrung des Positiven in vielen Ländern weitaus größer. Und ich würde mir wünschen, dass die Jugendlichen, die einen unkomplizierten, natürlichen Zugang zum Glauben haben, diese ihre Erfahrung den Jugendlichen aus Europa und vor allem aus Deutschland weitergeben. Das wünschen wir uns von ganzem Herzen!“


Im Notfall „Feuerwehr“

Eine letzte Frage, Exzellenz: Welche persönlichen Erwartungen und Hoffnungen haben Sie zum Weltjugendtag und – wo kann man Ihnen in Madrid begegnen?

„Wir reisen etwas umher, gehen zu den großen Sprachveranstaltungen, beobachten, wie es läuft, sind natürlich ganz eng in Kontakt mit dem Lokalkomitee, falls etwas nicht läuft. Meine persönlichen Wünsche: dass ich zum einen deutsche Gruppen treffen kann, auch aus meiner Heimatdiözese Paderborn und meiner Heimatregion ist eine Gruppe mit dabei, die ich hoffe treffen zu können. Und ich will natürlich etwas von der ganzen Atmosphäre mitbekommen. Und wenn es nötig sein sollte, müssen wir – wie es in Köln der Fall war – hin und wieder mal als „Feuerwehr“ auftauchen oder Ersatz, wenn Probleme auftreten.“

Ja, und dafür wünschen wir Ihnen von Herzen alles Gute - vielen Dank für das Gespräch.


(rv 10.08.2011 pr)








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