Weltjugendtag: „Glauben gerade in Krisenzeiten wichtig“
Mit einer Heiligen
Messe auf dem Cibeles-Platz in Madrid startet an diesem Dienstag Abend der 26. Weltjugendtag.
Viele junge Leute aus ganz Europa sind schon nach Spanien gereist, den Papst werden
sie aber erst am Donnerstagsabend zu Gesicht bekommen. Benedikt XVI. besucht Spanien
in keiner leichten Phase für das Land: Bürgerproteste angesichts der wirtschaftlich
und politisch unsicheren Lage sorgten in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen,
und auch das Verhältnis zwischen Regierung, Ortskirche und Heiligem Stuhl könnte besser
sein: Uneinigkeit gab es hier vor allem in Fragen des Religionsunterrichtes, der Familie
und des Lebensschutzes. Schlechte Vorzeichen für den Weltjugendtag und den Papstbesuch?
Iwo, meint Bischof Josef Clemens, Sekretär des Päpstlichen Laienrates: Gerade in Zeiten
der Krise kann und soll ein Weltjugendtag Zeichen der Hoffnung sein, sagte der Jugendbischof
im Interview mit Anne Preckel vor seiner Abreise nach Madrid.
„Wir sind
sehr gut in der Zeit. Wir haben am Dienstag noch gehört, dass die 450.000-Teilnehmer-Grenze
überschritten worden ist. Wir hören, dass etwa 800 Bischöfe teilnehmen werden und
viele, viele tausend Priester. Also von den Zahlen her läuft die Sache sehr gut und
auch, was die Vorbereitungen angeht – soweit wir das von hier beurteilen können –
ist auch alles entsprechend der Planung bisher verlaufen.“
Es gibt ja mehrere
Gelegenheiten für die Jugendlichen, dem Papst in Madrid zu begegnen. Wo Haben Sie
und der Vatikan denn für die Veranstaltung die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte
gesetzt?
„Es sind im Grunde drei oder vier wichtige Ereignisse: Erstens
die Willkommensfeier des Papstes am Donnerstag, dann auch der Kreuzweg, der für uns
sehr wichtig ist, und dann eben die Katechese am Abend, die Vigilfeier und der Schlussgottesdienst.
Es sind ich würde sagen vier sehr wichtige und für die Jugend auch sehr herausfordernde
Begegnungen.“
Seit der Initiative von Papst Johannes Paul II. lädt der
Vatikan ja alle drei Jahre zu den großen Jugendtreffen ein. 2005 kamen 1,1 Millionen
Teilnehmer nach Köln, 400.000 Jugendliche waren 2008 in Sydney, 1,5 Millionen Gläubige
werden jetzt in Madrid erwartet. Wird das ein neuer Rekord? Und haben Sie gehört,
aus welchen Ländern die Jugendlichen anreisen?
„Ein Rekord besteht bereits
darin, dass es in dem zeitlichen Abstand von nur zwei Monaten oder drei Monaten eine
sehr hohe Anmeldezahl gab. Und das wiederum lässt durchscheinen, dass die Zahl noch
weiter ansteigen wird. Weil viele entscheiden sich so ganz kurzfristig, vor allem
natürlich die spanischen Jugendlichen, die vielleicht sogar nach der Eröffnung noch
sich auf den Weg machen – damit rechnen wir auch, weil das gastgebende Land beim Weltjugendtag
natürlich die größte Rolle.“
„Glaube gerade in schweren
Zeiten wichtig“
Das wäre auch meine nächste Frage: Welche Bedeutung
hat denn der Standort Madrid für den kommenden Weltjugendtag? Spanien wird derzeit
ja von einer angespannten wirtschaftlichen Lage gebeutelt, was sich auch in gesellschaftlichen
Protesten niederschlägt: Die so genannten „Indignados“ – darunter viele junge Arbeitslose
– gehen auf die Straße, Kritik wurde zuletzt auch an den Kosten des Papstbesuches
laut...
„Madrid und Spanien sind natürlich von ihrer Geschichte her besondere
Orte. Innerhalb der europäischen Länder haben der christliche Glaube und die katholische
Kirche in Spanien natürlich eine hervorragende Rolle gespielt. Das merkt man ja auf
Schritt und Tritt an den vielen Kirchen, und wer ein wenig die Kirchengeschichte kennt,
weiß um die vielen, vielen großen Gestalten der Kirche, die aus Spanien kommen. Ja,
die Probleme – da haben Sie völlig Recht – sind natürlich da, und es wäre schade,
wenn da etwas gegeneinander ausgespielt würde. Ich würde sagen, der Weltjugendtag
eröffnet eine positive Sicht auch in schwierigen Zeiten. Und es ist – wenn es wahr
sein sollte, dass 40 Prozent der Jugendlichen in Spanien ohne Arbeit ist – ein wichtiger
Befund. Wir denken aber dennoch, dass man auch bei Schwierigkeiten und
vielleicht gerade bei Problemen vom Glauben her Antworten bekommen kann, weil er unseren
Blick in die Tiefe und in die Zukunft richtet. Wir wünschen uns natürlich alle – und
ich denke, das gilt für alle Jugendlichen, egal, woher sie kommen, dass diese Probleme
gelöst werden. Vor allem, weil Spanien ja so eine rasant positive wirtschaftliche
Entwicklung hatte. Und nun kommt plötzlich so ein gewisser Absturz. Das bedauern wir,
und wir hoffen, dass hier nicht Dinge gegeneinandergestellt werden. Der Glaube ist
wichtig und entscheidend gerade in schwierigen Zeiten!“
„In die Jugend
investieren heißt für die Zukunft sorgen“
Wie wird der Weltjugendtag
eigentlich finanziert – zum Thema gab es ja Kritik: Der Weltjugendtag sei viel zu
teuer, beklagten atheistische und laizistische Gruppen in diesen Tagen in Madrid.
„Also ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass das lokale Komitee und
der Kardinal von Madrid um eine sehr große Sparsamkeit bemüht waren. Das sage ich
jetzt nicht im Nachhinein, sondern das war mein Eindruck von Anfang an. Man wollte
wirklich jeden Euro prüfen, der ausgegeben werden sollte, und ich glaube auch, das
ist geschehen. Der Kardinal und das Komitee haben sehr viele Sponsoren finden können,
die – sei es durch Leistungen oder Spenden – den Weltjugendtag unterstützen. Ein solches
Großereignis hat einfach seine Kosten. Und wie gesagt – es ist sparsam vorgegangen
worden, die Kosten sind genau berechnet worden. Und wie ich höre, ist man auch in
dem Limit geblieben, das man vorhatte. Immer wieder geht es um die Kosten – ich denke
und das ist unsere feste Überzeugung im Laienrat, dass es eine gute und richtige Anlage
ist, in die Jugend zu investieren, nicht nur zeitlich oder vom Engagement her, sondern
auch finanziell.“
Weltjugendtag als „Brücke“ über gesellschaftlichen
Schluchten?
Auch in Punkto Neu-Evangelisierung ist Spanien ein wichtiges
„Target“ – das sozialistisch regierte Land fiel immer wieder durch gesellschaftliche
Entwicklungen und auch Gesetze auf, die in der Kirche umstritten sind: denken wir
etwa an den Lebensschutz und Entwicklungen der Familie. Was kann der Weltjugendtag
in dieser Perspektive bringen?
„Ja, ich hoffe und wünsche mir, dass diese
Gegensätze, die zum Teil schon seit Jahrzehnten bestehen, irgendwie vermindert und
überbrückt werden. Dass dieses Land, das so schön ist, eine so reiche Geschichte hat
und Europa so viel zu geben hat, dass dieses Spanien sich nicht noch weiter zersplittert
– es gibt ja schon auf regionaler Ebene Auseinandersetzungen zwischen der Zentralregierung
und verschiedenen Regionen. Und dann kommt noch eine weitere geistige und geistliche
Spaltung hinzu… Ich hoffe, dass vor allem auch viele Jugendliche in diesen Tagen und
darüber hinaus erkennen, dass hier Gegensätze aufgebaut worden sind, die letztlich
für die Gestaltung des eigenen Lebens überwunden werden müssen. Sie sollten verstehen,
dass man in einer Anti- und Gegenposition gegen den Glauben und vielleicht auch gegen
die eigene Geschichte angeht.“
Trotz eines Demonstrationsverbotes wollen
spanische Protestbewegungen an einer geplanten Kundgebung unmittelbar vor dem Papstbesuch
in Madrid festhalten. Das hört sich nach einem zähen Widerstand an. Meinen Sie, es
kommt während des Weltjugendtages zu unangenehmen Konfrontationen?
„Das
glaube ich eher nicht. Aber was ich mir wünschen würde: Dass die Jugendlichen, die
diese Probleme haben, mit anderen Jugendlichen sprechen und Erfahrungen von anderen
hören, dass die entwickelten Gegensätze nicht noch weiter vertieft werden. Ich glaube
nicht, dass es zu großen Demonstrationen kommt. Wobei ich mir auch nicht wünschen
würde, dass bei einem so schönen und friedlichen Anlass ungeheure Polizeikräfte aufmarschieren
– das wäre kein gutes Bild und kein gutes Zeugnis für den Weltjugendtag.“
Vor
Kurzem wurde hier in Rom der neue Jugendkatechismus „Youcat“ der Welt vorgestellt.
Das Buch ist ein Geschenk des Papstes an alle Teilnehmer des Weltjugendtages, wird
in jedem Rucksack der jugendlichen Teilnehmer zu finden sein. Zwei Worte dazu?
„Ja,
ich fand das von Anfang an eine wunderbare Idee; wir haben dieses Projekt vom Laienrat
auch unterstützt. Es ist etwas Besonderes: Madrid wird auch in Zukunft immer mit dem
Youcat verbunden sein. Es war natürlich eine große Anstrengung von Seiten der Verfasser
und Herausgeber. Ich denke, dass sich das positiv auswirken wird, weil das Buch –
ich habe es mir ja angeschaut – doch in einer sehr zugänglichen Form die großen Blöcke
des Glaubens erklärt. Und ich hoffe, dass die Jugendlichen den Jugendkatechismus nicht
nur im Rucksack vorfinden, sondern ihn auch aus dem Rucksack herausholen und einmal
hineinschauen.“
Kirche und staatliche Stellen in ungewohnter
Eintracht
Madrids Erzbischof, Kardinal Antonio Maria Rouco Varela,
hat betont, die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen bei der Vorbereitung des Weltjugendtages
könnte nicht besser sein. Worte, die vor Hintergrund der zahlreichen Konflikte zwischen
Kirche und Regierung in den vergangenen Jahren durchaus überraschen…Ist da ein neues
Kapitel angebrochen?
„Ich würde es mir wünschen. Wobei man sagen muss:
Die Stadtregierung Madrid und auch die Region war immer sehr für den Weltjugendtag.
Also, es war eher die Nationalregierung, die gewisse Reserven hatte. Umso schöner
ist es, wenn sich der Regierungschef besonnen hat und den positiven Wert des Weltjugendtages
erkannt hat, und von der nationalen Seite auch – wie es der Kardinal berichtet hat
– Unterstützung signalisiert. Für uns ist das sehr erfreulich, und wir würden uns
natürlich wünschen, dass das der Beginn einer fruchtbaren und positiven Zusammenarbeit
sein könnte.“
Schwerpunkt Katechese – Glaubensvermittlung
aus eigener Erfahrung
Was ist denn der Weltjugendtag eigentlich für
eine Form der Glaubensvermittlung? Es geht ja stark ums gemeinsame Tun, weniger um
eine theoretische Heranführung der Jugend an den Glauben…
„Für uns und für
mich persönlich spielen die Katechesen eine große Rolle. Vor allen Dingen unterstreiche
ich gerne die Nähe des Katecheten zu den Jugendlichen. Es wird also eine Katechese
gehalten, und dann kann man Fragen stellen, so dass ein direkter Dialog entsteht,
nicht von der hohen Warte herunter, sondern im gemeinsamen Suchen. Und dass der Bischof,
die Katecheten sind ja Bischöfe, den Jugendlichen etwas von seinem eigenen Glaubensleben
erzählt, vielleicht auch von seinen Schwierigkeiten. Und dass man auf diese Weise
erkennt: Auch Bischof x und y hat sich um den Glauben bemüht, der ist nicht einfach
vom Himmel gefallen, sondern er hat ihn sich erkämpft und er verteidigt ihn in seinem
Denken, vor allem natürlich auch in seinem Tun. Für den verstorbenen Papst
Johannes Paul II. war dieser dialogische Aspekt der Weltjugendtage eine sehr wichtige
Sache. Und deswegen freue ich mich, dass wir auf dieser Schiene weitergehen.“
Sind
solche Formen der Glaubensvermittlung die Zukunft? Angesichts einer Kirche, die ja
in der letzten Zeit stark in die Kritik geraten ist und die sich heute stärker denn
je dem Nachwuchs öffnen muss?
„Ja, wir sprechen ja gerne vom Weltjugendtag
nicht nur als Ereignis, sondern als Methode. Der Weltjugendtag ist nicht nur eine
einmalige Zusammenkunft, sondern hat ein Davor, das Ereignis selbst und ein Danach.
Und das Ereignis selbst bestimmt die Zeit davor und sollte auch die Zeit danach bestimmen.
Während des Ereignisses spielen das Wort des Papstes, aber auch das der Bischöfe und
der Austausch der Jugendlichen eine große Rolle. In einer Welteinrichtung wie der
Kirche sind eben die Schwierigkeiten und auch die positiven Dinge nicht überall gleich.
Und ich glaube, im Vergleich zu Europa und zu Deutschland im Besonderen ist die Erfahrung
des Positiven in vielen Ländern weitaus größer. Und ich würde mir wünschen, dass die
Jugendlichen, die einen unkomplizierten, natürlichen Zugang zum Glauben haben, diese
ihre Erfahrung den Jugendlichen aus Europa und vor allem aus Deutschland weitergeben.
Das wünschen wir uns von ganzem Herzen!“
Im Notfall „Feuerwehr“
Eine
letzte Frage, Exzellenz: Welche persönlichen Erwartungen und Hoffnungen haben Sie
zum Weltjugendtag und – wo kann man Ihnen in Madrid begegnen?
„Wir reisen
etwas umher, gehen zu den großen Sprachveranstaltungen, beobachten, wie es läuft,
sind natürlich ganz eng in Kontakt mit dem Lokalkomitee, falls etwas nicht läuft.
Meine persönlichen Wünsche: dass ich zum einen deutsche Gruppen treffen kann, auch
aus meiner Heimatdiözese Paderborn und meiner Heimatregion ist eine Gruppe mit dabei,
die ich hoffe treffen zu können. Und ich will natürlich etwas von der ganzen Atmosphäre
mitbekommen. Und wenn es nötig sein sollte, müssen wir – wie es in Köln der Fall war
– hin und wieder mal als „Feuerwehr“ auftauchen oder Ersatz, wenn Probleme auftreten.“
Ja,
und dafür wünschen wir Ihnen von Herzen alles Gute - vielen Dank für das Gespräch.