Spanien ist seit Jahrhunderten ein traditionell katholisches Land: Etwa 72 Prozent
der 47 Millionen Spanier gehören der katholischen Kirche an. Allerdings zeichnet sich
eine nachlassende religiöse Verwurzelung der Gesellschaft ab. Gerade junge Menschen
gehören häufig nur noch auf dem Papier zur Kirche. Zugleich sind im Laienkatholizismus
einige aus Spanien stammende neue geistliche Bewegungen wie der Neokatechumenale Weg
oder das Opus Dei stark aktiv und verfügen über eine breite Mitgliederbasis. Prägend
für den spanischen Katholizismus war die Vereinigung der katholischen Königshäuser
von Aragon und Kastilien 1479 und der Fall des islamischen Königreichs Granada 1492
nach der religiös-politisch motivierten „Reconquista“, übersetzt „Wiedereroberung“.
Im 19. Jahrhundert kam es im Zug der Nationalstaatsbildung zur Enteignung kirchlicher
Güter und zur Aufhebung religiöser Orden. Auf das gegenwärtige kirchliche Selbstverständnis
wirkt noch immer der spanische Bürgerkrieg von 1936 bis 1939, in dessen Verlauf Hunderte
Priester, Ordensleute und katholische Laien von Kämpfern der republikanischen Linken
ermordet wurden. Nach dem Sieg der Rechten stand der spanische Klerus zunächst
überwiegend auf der Seite des neuen, kirchenfreundlichen Regimes unter General Francisco
Franco von 1939 bis 1975. Im letzten Jahrzehnt der Diktatur nahmen aber immer mehr
katholische Priester eine kritische Position gegenüber der Regierung ein. Zugleich
profitierte die Kirche von Privilegien aus dem 1953 geschlossenen Konkordat. Seit
dem Amtsantritt von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero 2004 gibt es Spannungen
zwischen der Regierung in Madrid und der Ortskirche sowie dem Heiligen Stuhl. Gründe
waren und sind gesetzliche Liberalisierungen in den Bereichen Familie und Abtreibung,
die Einführung einer Zivilehe für Homosexuelle und die Stellung des schulischen Religionsunterrichts.
(kna 14.08.2011 pr)