Die Wiederverheiratung
von Geschiedenen – das ist ein Thema, das immer wieder für kontroverse Diskussion
sorgt. Im kanonischen Recht ist klar: Wer kirchlich verheiratet war, sich weltlich
hat scheiden lassen, der kann nicht wieder kirchlich heiraten. Und ohne kirchlichen
Segen standesamtlich zum zweiten Mal eine Ehe einzugehen, das ist auch ein Problem.
Vor kurzem meldete sich mit Professor Bruno Primetshofer ein Kirchenrechtler zur Wort.
Er empfahl, die römisch-katholische Kirche solle sich ein Vorbild an den Orthodoxen
nehmen und die Wiederheirat erlauben. Die ukrainische Theologin Natalia Karfut ist
Expertin für Ostkirchen und die Orthodoxie. Sie weist zunächst einmal darauf hin,
dass man hier genau zwischen den verschiedenen Kirchen unterscheiden muss:
„Es
gibt katholische Ostkirchen und es gibt die Orthodoxen Kirchen. Was die katholischen
Ostkirchen betrifft, so haben diese die gleiche Regelungen für wiederverheiratete
Geschiedene wie die römisch-katholische Kirche. Die Orthodoxen dagegen haben eine
eigene Regelung. Sie erlauben die kirchliche Scheidung. Man kann bei ihnen in der
Kirche aber höchstens dreimal heiraten. Um das zu verstehen, muss man auf die Kirchengeschichte
zurückblicken. Zar Leo VI. hat 1912 ein Gesetz erlassen, bei dem die Heirat zwangsläufig
in der Kirche stattfinden sollte. Die Kirche hat sich damit in eine Situation wiedergefunden,
bei der sie auch für die Trauung von Nicht-Christen verantwortlich war. Die Eheschließung
wurde deshalb außerhalb der Eucharistiefeier durchgeführt. Die Orthodoxe Kirche ist
somit an die Stelle des Staates gerückt und da der Staat die Scheidung erlaubte, musste
auch die Kirche Scheidungen gewähren.“
In welchen Kirchen ist die Wiederheirat
nun erlaubt? Und wie wird dies theologisch begründet?
„Wiederheirat ist
sowohl in der katholischen als auch in den orthodoxen Kirchen möglich. Denken wir
beispielsweise an Witwer und Witwen. Die Wiederheirat nach einer Scheidung erlauben
aber nur Orthodoxe. Die katholische Kirche kennt die Eheannullierung. Das gibt es
hingegen bei den Orthodoxen nicht. Wenn eine Ehe bei Orthodoxen nicht funktioniert,
dann darf ein Bischof den Ehesegen zurücknehmen und die kirchliche Scheidung gewähren.
Dennoch gilt, dass die orthodoxe Theologie davon ausgeht, dass die Ehe unauflöslich
ist. Bei der Scheidung stützen sie sich auf die Worte Jesu, wie sie bei Matthäus 19,9
stehen, bei der Ehebruch als Grund für eine Scheidung angegeben wird. Im Laufe der
Zeit wurden dann die Gründe für eine mögliche Scheidung erweitert. 1918 erweitert
eine russische Lokalsynode auf weitere 13 Gründe. Im Jahr 2000 wurde weitere Argumente
wie Aids-Krankheit oder Drogensucht als Scheidungsgründe hinzugefügt. Seit elf Jahren
gilt auch, dass eine Scheidung bei Abtreibungen erlaubt ist, bei der der Mann nicht
einverstanden war.“