2011-08-07 09:43:07

D: Gäfgen-Urteil schwer erträglich?


RealAudioMP3 Der Fall ist vielen Menschen in schlimmer Erinnerung: Die Entführung und Ermordung eines Frankfurter Bankierssohn durch den Jura-Studenten Markus Gäfgen. Ein Aspekt dieses spektakulären Kriminalfalls beschäftigt aktuell wieder die deutsche Justiz, aber auch Ethiker und Theologen: Durften Frankfurter Polizeibeamte Gäfgen im Verhör Folterung androhen, für den Fall, dass er den Aufenthaltsort des entführten Jungen nicht verrät? Nein, das war illegal, sagte jetzt das Landgericht Frankfurt und sprach dem mittlerweile wegen Mordes verurteilten Gäfgen eine finanzielle Entschädigung zu. Wessen Rechte wiegen schwerer, fragt sich mancher. Das Recht auf Leben des Entführten oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Täters? Michael Hermann hat über die ethische Problematik mit dem Theologieprofessor Herbert Rommel von der PH Weingarten gesprochen.

Der hessische Innenminister bezeichnete das Urteil als nur schwer erträglich. Hat Sie dieses Urteil ebenfalls empört?

"Nein, empört hat mich dieses Urteil nicht. Freilich steht dieses Urteil im Widerspruch zu den moralischen Intuitionen, die sich jetzt bei vielen Menschen melden. Unser Recht sagt demgegenüber, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Dies gilt sowohl für die Opfer als auch die Täter. Deshalb ist auch nach allen Menschenrechtskatalogen verboten, Menschen zu foltern."

Aus ethischer Perspektive handelt es sich hier offensichtlich um ein echtes Dilemma. Zwei Normen konkurrieren hier. Wie kann man einen solchen Konflikt lösen?

"Ich würde so sagen: Da es sich hier um ein normatives Dilemma handelt, kann man diesen ethischen Konflikt nicht wirklich lösen. Fatal für die Rechtsordnung wäre es aber, wenn sich der Staat auf die Seite des Täters und nicht auf die Seite des Opfers schlagen würde. Folglich wird hier dafür plädiert, unter engen Bedingungen die Folter zuzulassen. Die andere Auffassung ist hier, dass Folter hier unter allen Umständen zu verbieten ist. Verboten ist die Folter, weil sie gegen die Würde des Menschen verstößt. Die Würde des Menschen ist nun aber nicht irgendein Rechtswert, sondern die Würde ist derjenige Wert, in dem alle Menschenrechte gegründet sind. Würde sich der Staat entschließen, die Würde auch nur eines einzigen Menschen zu verletzen, dann agierte er gegen seine eigene Legitimationsgrundlage."

In Ihrer Argumentation hat jetzt eben der Staat eine große Rolle gespielt. Gibt es Unterschiede zwischen christlichen und säkularen Ethikern?

"Ob es hier unter den christlichen Ethikern einen Konsens gibt, weiß ich nicht. Es gibt ihn sicher nicht unter den säkularen Ethikern. Sicher ist aber, dass dieses ethische Problem auch eine theologische Relevanz hat. Diese Relevanz liegt meines Erachtens darin, dass der moralische Wert des Menschen, den wir heute ja im Begriff der Menschenwürde zur Sprache bringen, wir biblisch als die Gottebenbildlichkeit des Menschen bezeichnen. Gott hat als der Schöpfer des gesamten Universums, so könnte man sagen, dem Menschen einen Wert eingestiftet, der dem Menschen unverfügbar ist. Es ist also Gott, der über diesen Menschenwert verfügt und so Menschen auch dazu auffordert, diesen Wert zu schützen. Von daher scheint es mir unter theologischen Vorzeichen plausibel zu sein, die Unbedingtheit der menschlichen Würde zu verteidigen."

(rv 070811 mch)








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