2011-08-06 12:09:30

Nuntius in Syrien: „Angst unter Christen wächst“


RealAudioMP3 Nach Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan, der Muslimen als „Heiliger Monat“ gilt, gerät das Land zunehmend in eine Spirale der Gewalt. Am vergangenen Freitag, dem Tag des ersten Freitagsgebetes im Fastenmonat, wurden bei Massendemonstrationen erneut mindestens 16 Menschen von syrischen Sicherheitskräften getötet; am Vorabend des Ramadan starben über 100 Menschen bei Zusammenstößen in der Protesthochburg Hama. Der Vatikan und Kirchenvertreter in Syrien fürchten, dass sich die aufgebrachte Stimmung im Land gegen die Christen wenden und einen Keil in das bisher friedliche Zusammenleben der Religionen treiben könnte. Auch die christliche Minderheit in Syrien spürt, dass sie sich auf Messers Schneide bewegt. Das berichtet der Apostolische Nuntius in Syrien, Erzbischof Mario Zenari, im Interview mit Radio Vatikan:

„Ich beobachte eine zunehmende Sorge unter den Christen; die Angst um ihre Zukunft nimmt von Monat zu Monat zu. Syrien war immer ein Modell des Zusammenlebens verschiedener Religionen und ein Beispiel innerhalb der ganzen Region, bis heute. Doch viele unserer Christen spüren, dass diese Atmosphäre durch die jüngsten Ereignisse kippt. Es wäre schrecklich, wenn der Dialog und die guten Beziehungen der Religionen, die es in Syrien immer gab, beschädigt würden!“

Viele Syrer sind vor der Gewalt bereits in die Türkei und den Libanon geflohen, darunter auch Christen. Droht Syrien ein Exodus der Christen wie im Irak? Das ist auch für den Apostolischen Nuntius zu diesem Zeitpunkt schwer zu sagen. Vor allem auch, weil er viele der Christen im Land selbst kaum noch erreicht:

„Eine der wichtigsten Aufgaben eines päpstlichen Vertreters ist, die christlichen katholischen Gemeinschaften hier zu besuchen. Diese kleinen Gemeinschaften sind verlassen und verstreut. Bis vor einigen wenigen Monaten noch konnte ich diese Christen besuchen. Jetzt aber muss man vorsichtig sein, kann sich nicht mehr frei bewegen und einige Orte nicht mehr besuchen. Es tut mir im Herzen leid, dass ich die Christen hier nicht mehr besuchen kann.“

Die syrische Opposition speist sich nach Angaben von Beobachtern aus verschiedenen Gruppen der überwiegend sunnitischen Bevölkerung; ob auch viele Christen darunter sind, konnte bisher nicht bestätigt werden. Für die Zeit des Ramadan haben die Protestierenden tägliche Demonstrationen angekündigt. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner: Der Sturz des Assad-Regimes, ihr Motto: „Wir haben keine Angst, Gott ist mit uns.“ Das Regime schlägt derweil umso heftiger zurück; in Hama und der Provinzhauptstadt Deir el Sor rollen Panzer, Soldaten schießen auf Demonstranten. In Homs, Kfar Inbil und den Außenbezirken von Damaskus habe es derweil neue Kundgebungen der Opposition gegeben, heißt es. Der „Heilige Monat“ scheint sich mehr und mehr in einen blutigen Ramadan zu verwandeln, befürchtet der päpstliche Nuntius:

„Der Ramadan, der für die Muslime ein Monat des Fastens ist, verwandelt sich zunehmend in einen Monat des Schmerzes und Blutvergießens. Das ist eine sehr belastende und sehr traurige Sache für alle. Ich schließe mich dem Appell des Papstes an, der schon vor Monaten sagte, dass zuallererst das Blutvergießen ein Ende haben muss. Die Situation bereitet uns großen Schmerz.“

Das syrische Regime hält derweil weiter an der Darstellung des Konfliktes als „Verschwörung“ fest: Die staatlichen syrischen Medien berichteten, das Militär gehe gegen „bewaffnete Terroristen“ vor. Ausländische Journalisten können in Syrien nicht mehr arbeiten. Deshalb können die Angaben von Einwohnern, Aktivisten und der Regierung nicht überprüft werden. Westliche Staaten wollen der Gewalt mit verschärften Sanktionen einen Riegel vorschieben. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die Gewalt gegen Zivilpersonen und die Menschenrechtsverletzungen in Syrien bei einer Sitzung am Mittwochabend in New York.

(rv/diverse 06.08.2011 pr)







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