Nach Beginn des islamischen
Fastenmonats Ramadan, der Muslimen als „Heiliger Monat“ gilt, gerät das Land zunehmend
in eine Spirale der Gewalt. Am vergangenen Freitag, dem Tag des ersten Freitagsgebetes
im Fastenmonat, wurden bei Massendemonstrationen erneut mindestens 16 Menschen von
syrischen Sicherheitskräften getötet; am Vorabend des Ramadan starben über 100 Menschen
bei Zusammenstößen in der Protesthochburg Hama. Der Vatikan und Kirchenvertreter in
Syrien fürchten, dass sich die aufgebrachte Stimmung im Land gegen die Christen wenden
und einen Keil in das bisher friedliche Zusammenleben der Religionen treiben könnte.
Auch die christliche Minderheit in Syrien spürt, dass sie sich auf Messers Schneide
bewegt. Das berichtet der Apostolische Nuntius in Syrien, Erzbischof Mario Zenari,
im Interview mit Radio Vatikan:
„Ich beobachte eine zunehmende Sorge unter
den Christen; die Angst um ihre Zukunft nimmt von Monat zu Monat zu. Syrien war immer
ein Modell des Zusammenlebens verschiedener Religionen und ein Beispiel innerhalb
der ganzen Region, bis heute. Doch viele unserer Christen spüren, dass diese Atmosphäre
durch die jüngsten Ereignisse kippt. Es wäre schrecklich, wenn der Dialog und die
guten Beziehungen der Religionen, die es in Syrien immer gab, beschädigt würden!“
Viele
Syrer sind vor der Gewalt bereits in die Türkei und den Libanon geflohen, darunter
auch Christen. Droht Syrien ein Exodus der Christen wie im Irak? Das ist auch für
den Apostolischen Nuntius zu diesem Zeitpunkt schwer zu sagen. Vor allem auch, weil
er viele der Christen im Land selbst kaum noch erreicht:
„Eine der wichtigsten
Aufgaben eines päpstlichen Vertreters ist, die christlichen katholischen Gemeinschaften
hier zu besuchen. Diese kleinen Gemeinschaften sind verlassen und verstreut. Bis vor
einigen wenigen Monaten noch konnte ich diese Christen besuchen. Jetzt aber muss man
vorsichtig sein, kann sich nicht mehr frei bewegen und einige Orte nicht mehr besuchen.
Es tut mir im Herzen leid, dass ich die Christen hier nicht mehr besuchen kann.“
Die
syrische Opposition speist sich nach Angaben von Beobachtern aus verschiedenen Gruppen
der überwiegend sunnitischen Bevölkerung; ob auch viele Christen darunter sind, konnte
bisher nicht bestätigt werden. Für die Zeit des Ramadan haben die Protestierenden
tägliche Demonstrationen angekündigt. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner: Der Sturz
des Assad-Regimes, ihr Motto: „Wir haben keine Angst, Gott ist mit uns.“ Das Regime
schlägt derweil umso heftiger zurück; in Hama und der Provinzhauptstadt Deir el Sor
rollen Panzer, Soldaten schießen auf Demonstranten. In Homs, Kfar Inbil und den Außenbezirken
von Damaskus habe es derweil neue Kundgebungen der Opposition gegeben, heißt es. Der
„Heilige Monat“ scheint sich mehr und mehr in einen blutigen Ramadan zu verwandeln,
befürchtet der päpstliche Nuntius:
„Der Ramadan, der für die Muslime ein
Monat des Fastens ist, verwandelt sich zunehmend in einen Monat des Schmerzes und
Blutvergießens. Das ist eine sehr belastende und sehr traurige Sache für alle. Ich
schließe mich dem Appell des Papstes an, der schon vor Monaten sagte, dass zuallererst
das Blutvergießen ein Ende haben muss. Die Situation bereitet uns großen Schmerz.“
Das
syrische Regime hält derweil weiter an der Darstellung des Konfliktes als „Verschwörung“
fest: Die staatlichen syrischen Medien berichteten, das Militär gehe gegen „bewaffnete
Terroristen“ vor. Ausländische Journalisten können in Syrien nicht mehr arbeiten.
Deshalb können die Angaben von Einwohnern, Aktivisten und der Regierung nicht überprüft
werden. Westliche Staaten wollen der Gewalt mit verschärften Sanktionen einen Riegel
vorschieben. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die Gewalt gegen
Zivilpersonen und die Menschenrechtsverletzungen in Syrien bei einer Sitzung am Mittwochabend
in New York.