2011-08-05 11:06:21

Deutschland: Religionssoziologen über Jugendkirche


Jugendliche und katholische Gottesdienste – das ist eine nicht ganz einfache Sache. Vielen sind die Heiligen Messen zu altmodisch, oder sie kritisieren, diese hätten zu wenig mit ihrem Lebensalltag zu tun. Die so genannte Jugendkirche ist ein Versuch, durch neue Formen Gottesdienste für Jugendliche attraktiver zu machen. In mehreren Städten in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind solche neuen Formen in den letzten Jahren ausprobiert worden. Eine Gruppe von Religionspädagogen und Religionssoziologen hat diese Experimente erforscht und kritisch begleitet. Die Ergebnisse dazu gibt es nun auch in Buchform.

„There is dust in my head“ – Musik von Ravensburger Jugendlichen, selbst komponiert, für Ravensburger Jugendliche in der Jodokskirche. Joel ist der Name dieser Jugendkirche. Lothar Kuld ist Professor für Religionspädagogik und einer der Wissenschaftler, die sich mit den Jugendkirchen auseinandergesetzt haben. Um den Gründen der Kirchenflucht auf die Spur zu kommen, so heißt es in der Buchveröffentlichung, müsse man die Sprache, die Kultur, das Lebensgefühl der Jugendlichen neu entdecken. Was heißt das konkret? Lothar Kuld:

„Die erste Maßnahme war, dass die Beleuchtung verändert wurde. Zweitens haben die Jugendlichen die Möglichkeit gehabt, diesen Kirchenraum zum Teil selbst zu gestalten, so dass sie ihre eigene Ästhetik in den Kirchenraum hineingetragen haben. Dazu gehören zwei Dinge: Erstens die Beleuchtung. Zweitens die Weise, wie man sitzt. Es ist weithin das Sitzen in Kreisform, so dass man Kommunikation aufnehmen kann. Auch im Schweigen. Und ganz entscheidend ist die Musik, die von den Jugendlichen selbst gemacht wird.“

In dem Buch mit dem Titel „Vielleicht schau ich mal rein“ nehmen die Religionspädagogen einen Gedanken des Bochumer Pastoraltheologen Matthias Sellmann auf und fordern in den Jugendkirchen einen biografischen Bezug. Was ist damit gemeint? Lothar Kuld:

„Zunächst einmal, dass ich als Jugendlicher verstehe, was der Pfarrer sagt. Dass das, was an Wortbeiträgen da ist, in meine Sprache kommt, so dass ich es mit meinem eigenen Leben in Verbindung bringen kann. Viele Jugendliche sagen, was ich sonst in der Kirche höre, ist oft so formelhaft und gestanzt in Sprache, die nicht meine Sprache ist, ich verstehe den überhaupt nicht. Das ist der erste biografische Bezug. Der zweite ist, Jugendliche gehen in die Kirche, weil sie erwarten, dort neben der Musik von Gleichaltrigen auch Gleichaltrige zu treffen, so dass sie in eine peer group hineintreten, die sie als Unterstützung empfinden für ihre Suche nach Glaube und Religion, ohne dass es ihnen peinlich wird.“

Etwa ein Viertel der jugendlichen Besucher von Jugendkirchen, so haben die Wissenschaftler herausgefunden, sind Kirchenferne. Lothar Kuld:

„Es ist der einzige Ort, wo sie mit Kirche in Verbindung treten. Sie werden aber nie bereit seien, sich in traditionelle Strukturen von Kirchengemeinden und Jugendarbeit einzubringen. Sie kommen so lange, wie es die Jugendkirche gibt. Und wenn es sie nicht mehr gibt, dann werden sie nicht übertreten in andere Strukturen.“

Kritik an Jugendkirchen wird zuweilen von den in den Kirchengemeinden Aktiven geäußert. Sie befürchten, dass die Engagierten ihrer Heimat-Kirchengemeinde den Rücken kehren. Lothar Kuld und seine Kollegen befragen derzeit Pfarrer und pastorale Mitarbeiter der Heimat-Kirchengemeinden:

„Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sie sagen, auch unsere Jugendliche, die wir in der verbandlichen Jugendarbeit haben, betrachten die Jugendkirche als eine Art Tankstelle: Ich gehe hin, tanke dort auf und bringe die Ideen mit zurück in die Gemeinde, so dass hier eher eine Befruchtung stattfindet und keine Konkurrenz.“

(rv 05.08.2011 mch)







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