In der Forschung über die so genannte „Logienquelle Q“ steht ein Paradigmenwechsel
an. Das sagte der Grazer Neutestamentler Christoph Heil im Gespräch mit der Nachrichtenagentur
Kathpress. Eine internationale Tagung am Wochenende in Graz habe eine neue Ära in
der Forschung zu dieser rund 240 Verse umfassenden Quelle eingeleitet. Die „Quelle
Q“ spielt in der historisch-kritischen Bibelforschung eine besondere Rolle. Sie ist
einer von zwei Quelltexten des Neuen Testaments, in denen man den originären Aussagen
Jesu besonders nahe zu kommen glaubt. Bisher standen zur Rekonstruktion und Veröffentlichung
der Quelle vor allem methodische Fragen zur Erschließung, Zuordnung und Sicherung
der biblischen Textstellen im Vordergrund. Jetzt bewege sich das Interesse gerade
unter jüngeren Forschern mehr in Richtung einer theologischen Erschließung der Quelle.
Dies sei aus den mehr als 20 Vorträgen von Experten aus Österreich, Deutschland, Belgien,
Großbritannien, Kanada, den USA und Italien deutlich geworden. Zwar bleibe das historische
und religionsgeschichtliche Interesse an der Forschung und ihrer Methodik groß. Doch
wachse doch die Zahl jener, die die Quelle nun mit literaturwissenschaftlichen Methoden
zu erschließen versuchen. So weisen die Verse eine eigene theologische Dynamik und
bereits eine eigene Christologie auf, die nach eigenständigen Interpretationen verlange,
so Heil.
Die Forschungen zur „Quelle Q“ reichen zurück bis in die Anfänge
der Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der synoptischen Evangelien (Matthäus,
Markus, Lukas) Ende des 18. Jahrhunderts. Seither spielt die Rekonstruktion dieser
Textquelle durch Vergleiche von Matthäus-, Lukasevangelium und Markusevangelium eine
wichtige Rolle in der Jesus-Forschung wie in der Exegese. Methodisch stützte man sich
bei der Rekonstruktion vor allem auf gemeinsame Textpassagen, die bei Matthäus und
Lukas, nicht aber bei Markus vorkommen. Eine Blütezeit erlebte die Q-Forschung in
den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, die schließlich in ein
internationales Publikationsprojekt zu „Q“ im Jahr 1996 mündete. Die Befassung mit
der „Quelle Q“ gehört mittlerweile zu den exegetischen Standards im Theologiestudium.
Zu den Kritikern der Rekonstruktion gehört unter anderen Papst Benedikt XVI.. Er zählt
die Q-Forschung jener Form der historisch-kritischen Bibelforschung zu, die Texte
seziert, ohne sie in einem theologischen Gesamthorizont der Bibel zu reflektieren.