2011-07-25 15:42:09

Terrorexperte: „Perfides und makabres Tun“


RealAudioMP3 Im Internet ist am Tag nach dem Doppelanschlag ein mehr als 1.500 Seiten langes Manifest des mutmaßlichen alleinigen Täters aufgetaucht. Der Titel „2083 – Eine europäische Unabhängigkeitserklärung“. Anders Behring Breivik schreibt, er habe Europa „vor Kulturmarxismus und Islamisierung retten“ wollen. Das englischsprachige Dokument wurde teilweise als Tagebuch geführt, beansprucht wissenschaftlichen Charakter und offenbart die Fremdenfeindlichkeit des Autors und die bedingungslose Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft. Die Tat war offensichtlich jahrelang und minutiös geplant. Laut Medienberichten soll das Manifest kurz vor den Anschlägen per Email verschickt worden sein.

Ein christlich motivierter Anschlag? „Diese Vokabel benutzte der Attentäter um sein perfides und brutales makabres Tun zu rechtfertigen.“ Das sagte der Terrorexperte Rolf Tophoven im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Attentäter habe bewusst die islamistischen Anschläge von Madrid und London studiert und sich Anleihen bei dem rechtsnationalen Anschlag von 1995 in Oklahoma City geholt, so der Leiter des Instituts für Krisenprävention in Essen. Fundamentalisten gebe es in allen großen Religionen, „neu ist die ungeheure Dimension und die Taktik, die jetzt der Attentäter an den Tag gelegt hat“.

Die Tat sei „hasserfüllt und wahnhaft“, doch die Haltung des Mannes als Heilsbringer und Vorkämpfer für eine christliche Gesellschaft sei ernst zu nehmen, unterstreicht Tophoven.
„Er sieht sich in seinem Profil, wie ich es deute, als der Heilsbringer, der sozusagen für seine Tat auch noch gelobt werden will. Darauf deutet ja hin, dass er sich nicht so zur Wehr setzt, dass die Polizei ihn erschießen muss, er hat auch keinen Suizid begangen und das ist eigentlich das Besondere. Hier liegt eigentlich der Unterschied zu den – mit Anführungsstrichen – normalen Amokläufern. Dieser Amokläufer, nehmen wir den Begriff weiter, hat den großen Unterschied, dass er seine Tat sehen will. Er will sich an der Tat erfreuen und er will die Tat erleben. Sonst hätte er sich wahrscheinlich nicht widerstandslos festnehmen lassen.“

Tophoven berichtet von einer „sehr brutalen und radikalen, gewaltbereiten rechten Szene“ in Skandinavien. Möglicherweise habe man diese in Norwegen unterschätzt. „Doch der Täter kam aus dem Nichts“, so der Terrorexperte.
„Der Attentäter war zwar dem rechtsnationalen fanatischen Spektrum zugetan. Er war aber nicht in einer rechtsradikalen Gruppe als Mitglied aktiv. Das heißt also, dass die bekannten rechtsradikalen nazistischen Gruppen in Skandinavien ihm nicht rechts genug, nicht brutal genug, nicht konsequent genug in ihrem Tun erschienen.“

Deutschland und andere EU-Staaten nennt Anders Breivik als Ziel weiterer Anschläge und erwähnt auch deutsche Parteien und Politiker, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eine solche Tat wie in Norwegen wäre auch in Deutschland kaum zu verhindern gewesen, sagt Terrorexperte Tophoven:
„Ein Anschlag, der sich so darstellt, den können sie in einer freien und offenen Gesellschaft so gut wie nicht verhindern. Denn das ist eben das Risiko, das wir gesellschaftspolitisch zu tragen haben: dass wir durchaus in unserer gesellschaftlichen Offenheit einem potentiellen Täter Weichteile anbieten, in die er hineinstoßen kann. “

(rv 25.07.2011 bp)








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