Ein Kommentar von unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord:
Es sind schlechte
Zeiten für Vorurteile.
Vor eineinhalb Jahren mussten wir uns das Vorurteil
zerschlagen lassen, dass es in der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum so
etwas wie sexuellen Missbrauch nur in Ausnahmefällen gebe. Es war ein bequemes Vorurteil,
es hat uns vom genauen Hinsehen abgehalten. Die Wirklichkeit sah anders aus.
Und
jetzt geht es weiteren Vorurteilen an den Kragen, wie auch immer sie sich tarnen:
Annahmen, Forderungen, groben Verstellungen, all dem, was das Internet – und nicht
nur das Internet – hergibt. Die Deutschlands Bischöfe haben zwei wissenschaftliche
Projekte in Auftrag gegeben, die klären sollen, wie es sich mit dem sexuellen Missbrauch
in der Kirche genau verhält.
Das ist nötig, denn wie die Bundesbeauftragte
für diese Fragen, Christine Bergmann, herausgefunden hat, ist das alles kein Thema
der Vergangenheit. Missbrauch ist ein Thema auch für heute. Jetzt will man also wissenschaftlich
der herrschenden Ungewissheit an den Kragen.
Man hat erst einmal nur Fragen:
Gute Wissenschaft lässt sich eben nicht im Vorhinein auf ihre Ergebnisse festlegen.
Das Stichwort ist „Ursachenforschung“. Nicht nur statistische Zahlen, sondern Gründe
und Bedingungen sollen erforscht werden. Es geht ums Verstehen.
Vor einem Jahr
gab es die Forderungen – im Chor, dass die Bischöfe doch bitte Verantwortung übernehmen
müssten. Die Studien sind ein weiterer Schritt genau dazu, kein spektakulärer, keiner,
der das Thema endlich verschwinden lassen würde. Aber ein notwendiger Schritt. Dem
medialen Kampf um die Deutungshoheit wird das nicht passen. Und auch das ist gut so.
Wie
gesagt, es sind schlechte Zeiten für Vorurteile. Oder religiös ausgedrückt: Vor Gott
ist die Wahrheit nie unser Feind.