2011-07-21 09:48:54

Sudan: „Vielleicht die letzte Seite in der Geschichte des Kolonialismus“


RealAudioMP3 Ein Tod und eine Geburt: Der Päpstliche Nuntius im Sudan sieht mit der Unabhängigkeit von Südsudan die letzte Seite in der Geschichte des Kolonialismus in Afrika zugeschlagen. Jetzt müssten die zwei sudanesischen Staaten „Mittel und Wege finden, um weiter als gute Nachbarn zusammenzuleben“. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht seien beide aufeinander angewiesen, sagte Leo Boccardi im Interview mit Radio Vatikan.

„Jetzt, wo die Euphorie und die Feiern im Süden vorbei sind, ist es Zeit, den Staat, der bisher lediglich grundgelegt wurde, tatsächlich aufzubauen: Wirtschaft und Handel, demokratische Teilhabe der Bürger, Infrastruktur, das Auskommen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Die enormen Reichtümer des Landes müssen für das Gemeinwohl eingesetzt werden, und darum ist das Eindämmen von Korruption und Individualismus die absolute Priorität.“

Im Nordsudan (der als Staat weiterhin einfach „Sudan“ heißen wird) sei noch „das Nachdenken im Gang, was die Abspaltung des Südens für Folgen haben wird“, so der Nuntius in Khartum.

„In wirtschaftlicher Hinsicht sind die Verluste wirklich groß. Außerdem schickt die Regierung alle Südsudanesen wieder in den Süden zurück: Ein Regierungsdekret hat vor kurzem dem ganzen öffentlichen und privaten Sektor befohlen, alle Südsudanesen zu entlassen. Innerhalb der nächsten neun Monate müssen die Südsudanesen im Norden ihren Status legalisieren. Wir warten noch auf das neue Staatsbürgerschaftsgesetz – es wird den im Norden residierenden Südsudanesen das Leben sicher sehr erschweren. Um im Norden bleiben zu können, werden sie wie alle Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis brauchen.“

Es gebe zwar Signale, die einen „vorsichtigen Optimismus“ zuließen, so der Nuntius Boccardi: Da meint er zum Beispiel das Friedensabkommen, das die Regierung von Khartum vor kurzem mit einer der Rebellengruppen aus Darfur unterzeichnet hat. Doch gleichzeitig sei die „militärische Eskalation“ in anderen Teilen des Sudan – Abyei, Süd-Kordofan, Blauer Nil – „sehr beunruhigend“.

„Im Südsudan ist die Kirche jetzt ganz auf Neuevangelisierung ausgerichtet. Das bedeutet: Die Christen und die Bürger überhaupt müssen nach zwanzig Jahren Krieg lernen, mit Vergebung und Versöhnung die tiefen Wunden zu schließen. Das ist genauso wichtig wie soziale, Gesundheits- und Wirtschaftsprojekte. Die sieben Bistümer im Südsudan müssen jetzt bald einen Aktionsplan, eine Strategie ausarbeiten, damit die Katholiken beim Aufbau des neuen Staates auch wirklich präsent sind.“

Anders sei die Lage im Norden, wo der Nuntius residiert: Die dortige Kirche sei zahlenmäßig geschrumpft, damit müsse sie jetzt zurechtkommen.

„In den letzten Tagen haben sich die Bischöfe des Nordens in Khartum getroffen. Dabei wurde klar, dass sie jetzt auf direkteren Kontakt zu den kleinen Basisgemeinden setzen. Es geht darum, den Glauben lebendig zu halten, damit er weiter Zeugniskraft behält... in einem Umfeld, das vielleicht oder sicherlich arabischer und islamischer sein wird als zuvor.“

(rv 21.07.2011 sk)








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