2011-07-18 17:18:36

Somalia: „Es braucht mehr internationale Mobilisierung“


Der Papst hat zur schnellen Hilfe für Opfer der Dürrekatastrophe in Ostafrika aufgerufen. Beim Angelus-Gebet in seiner Sommerresidenz Castelgandolfo lancierte Benedikt XVI. am Sonntag einen Hilfs-Appell für die Menschen am Horn von Afrika, die von massiver Wassernot und Hunger betroffen sind. Er hoffe auf stärkere „internationale Mobilisierung“, sagte der Papst:


„Unsere Brüder und Schwestern, die schon so hart geprüft sind und unter denen sich auch viele Kinder befinden, brauchen schnell Hilfe! Alle Menschen guten Willens mögen es nicht an Solidarität und an konkreter Unterstützung dieser leidenden Bevölkerung fehlen lassen!“


Die Vereinten Nationen beginnen in diesen Tagen mit ihrer Hilfe für die Menschen der Region. Mit einer Luftbrücke werden erste Nahrungsmittel und Medikamente in die Zentralregion Somalias geflogen, 200 Kilometer nordwestlich von Mogadischu. Auch evangelische und katholische Hilfswerke hatten in den vergangenen Tagen Spendenaktionen gestartet, vom Papst selbst kam eine erste Geldspritze von 50.000 Euro. Diese notwendigen Maßnahmen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Somalia schon lange Zeit ein Problemfall ist. Und zwar vor allem wegen der politisch prekären Lage in dem Land, erinnert Douglas Duale, Mitarbeiter der Botschaft Somalias in Italien, im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Die Wurzel des Problems ist die Tatsache, dass das Land seit 1991 ohne Regierung ist. Alle Regierungen, die es seither gegeben hat, waren so genannte Übergangsregierungen. Die jetzige Führung kontrolliert nicht mehr als ein paar Kilometer in der Hauptstadt Mogadischu. Und dennoch zahlen die Vereinten Nationen jeden Monat die Gehälter für sechs- bis zehntausend Friedenssoldaten, die aus anderen afrikanischen Staaten kommen und die ihre Kasernen erst gar nicht verlassen. Wir stehen hier vor einem Totalversagen der internationalen Gemeinschaft!“


Der Botschafts-Mitarbeiter sieht die bisherige internationale Hilfen als Tropfen auf heiße Steine. Hinzu kommt, dass Kirchen und Hilfsorganisationen in Somalia durch Gewalt und Anarchie immer wieder an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden. Seit dem Sturz der autoritären Regierung von Siad Barre im Jahr 1991 herrscht Bürgerkrieg, die Übergangsregierung kommt gegen die lokalen Clans, Kriegsherren und radikal-islamische Gruppen einfach nicht an. Das römisch-katholische Bistum von Mogadischu löste sich faktisch auf, der letzte Bischof vor Ort, Bischof Salvatore Colombo, wurde im Juli 1989 vor der Tür der Kathedrale umgebracht. Nur ein Fall von vielen, erinnert Vatikansprecher Federico Lombardi:


„Im Jahr 2003 wurde die freiwillige Krankenschwester, Annalena Tinelli, in Somaliland erschossen. Dasselbe geschah Schwester Leonella Sgorbati. Als sie starb – daran erinnerte der Papst am 7. Januar 2007 – „erbat sie Vergebung für ihre Mörder“. Das sind nur drei Namen, die zeigen, dass die katholische Kirche präsent ist und mit dem somalischen Volk leidet. Doch die Zahlen der unschuldigen Opfer sind inzwischen unabschätzbar: Den christlichen Konfessionen setzt integralistischer Hass zu und die wehrlose Bevölkerung ist bewaffneten Kämpfen zwischen den politischen und ethnischen Faktionen ausgesetzt.“


Im sunnitisch geprägten Somalia sind Christen in absoluter Minderheit. Die öffentliche Ausübung anderer Religionen neben dem Islam ist untersagt. Die Dürre hat jetzt tausende von Menschen auf der Suche nach Essen und Wasser in die Flucht getrieben. Ihre Notlage nutzen Kriminelle aus, berichtet Pater Lombardi:


„Wir hören von zermürbenden Fußmärschen und Angriffen durch Räuber. Und wir hören von Kindern, die von Hyänen angefallen werden.“


Schon drei von zehn Kindern sind in dem Dreiländereck – auch Kenia und Südäthiopien sind ja betroffen – massiv unterernährt, berichtet die Welthungerhilfe. Auf der Suche nach Wasser und Essen stranden tausende Menschen in Flüchtlingslagern. Zum Beispiel in Kenia, wo im größten Flüchtlingslager der Welt derzeit hunderttausende Menschen ausharren. Sabine Wartha ist Koordinatorin der Katastrophenhilfe bei der Caritas Österreich, deren Mitarbeiter vor Ort versuchen zu helfen.


„Dieses Camp in Kenia besteht schon seit 20 Jahren. Es war ursprünglich als kleines Camp eingerichtet für etwa 100.000 Personen. Derzeit sind dort fast eine halbe Million Menschen. Das ist schon eine Stadt geworden. Das ist aber nicht das Ziel eines Flüchtlingscamp.“


Auch Wartha meint, dass die Folgen dieser „größten Naturkatastrophe der Welt“, wie die Vereinten Nationen die Lage in der Region betitelt haben, vorhersehbar gewesen wäre. Und zwar einfach aus meteorologischer Beobachtung heraus:


„Wir verfolgen die Situation schon seit vielen Monaten in Ostafrika. Das ist keine akute Krise wie z.B. bei einem Erdbeben, sondern wir wussten schon seit Januar, dass wir auf eine Dürre hinsteuern werden, weil Regen in den vergangenen Monaten und teilweise vor zwei Jahren fast schon ausgefallen sind. Besonders betroffen sind Kenia, Somalia und Südäthiopien.“


Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe könnten die aktuellen finanziellen Hilfen nur ein Anfang sein; sie seien noch lange nicht ausreichend:


„Wir wissen, dass über zehn Millionen Menschen von der Dürre betroffen sind. Deshalb brauchen wir viel mehr finanzielle Resourcen. Die zusätzlichen Mitteln sind immer notwendig. Des Weiteren sollten wir uns alle viel mehr für solche Fälle engagieren. Das ist eine Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft.“


Mehr Geld, aber auch mehr Einsatz für die Friedensarbeit in dem Land, so also der Aufruf der Kirchen und Hilfsorganisationen an die internationale Gemeinschaft.


(rv 18.07.2011 sk/ord/pr)







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