2011-07-14 10:55:37

Somalia: Kirche in Zeiten der Dürre


RealAudioMP3 Mehr als 11.000 Menschen sollen seit Anfang Juli aus Somalia geflohen sein: Opfer der verheerenden Dürre im Dreiländereck Somalia-Kenia-Äthiopien. Allein im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia – dem größten der Welt – sollen sich derzeit 400.000 Somalier aufhalten. Die UNICEF spricht von zehn Millionen Menschen in der Region, die dringend Nahrungsmittelhilfe brauchen. Giorgio Bertin ist der Apostolische Administrator von Mogadischu und Bischof von Dschibuti:

„Ich glaube, die UNO hat recht, wenn sie von der derzeit größten Naturkatastrophe der Welt spricht. Die Dürre in Somalia wird noch besonders verschärft durch den Umstand, dass seit zwanzig Jahren schon eine Zentralgewalt fehlt, ein Staat – vor allem im mittleren und südlichen Teil Somalias. In anderen Ländern der Region, auch in Dschibuti, wo ich mich im Moment aufhalte, sind die Folgen der Dürre zwar spürbar, aber nicht ganz so katastrophal, weil vor allem in Somalia keine Sicherheit herrscht und ständig zwischen verschiedenen Gruppen gekämpft wird.“

In dem gescheiterten Staat am Horn von Afrika bekämpft eine radikal-islamische Miliz namens Shabab die legitime, aber fast machtlose Übergangsregierung. Die Radikalen haben die Arbeit ausländischer Hilfsorganisationen bislang für „unislamisch“ gehalten und deshalb blockiert.

„Es ist schwierig, Hilfen nach Somalia hineinzubekommen. Immerhin haben die Shabab, die den Großteil des mittleren und südlichen Landesteils kontrollieren, angesichts der Dürre jetzt doch gesagt, dass die Hilfe jedweder NGO willkommen ist, wenn sie die Kultur und die Religion vor Ort respektiert.“

Die Religion vor Ort ist die islamische, denn die katholische Kirche ist in den letzten zwanzig Jahren langsam, aber sicher aus Somalia verschwunden. Der letzte Bischof in Mogadischu, ein Italiener, wurde im Juli 1989 in seiner Kathedrale umgebracht. Nur noch etwa hundert somalische Katholiken sollen sich in dem Land aufhalten. Sie dürfen sich nicht untereinander treffen, sie haben kein Kirchengebäude und dürfen keine Messe feiern; Bertin konnte auch in den letzten zwei Jahren nicht mehr von Dschibuti nach Zentralsomalia hinein. Er versucht, Kontakte per Telefon zu halten.

„Die Kirche in Somalia ist seit zwanzig Jahren schon völlig zerstört. Alle Kirchen wurden dem Erdboden gleichgemacht. Wir konnten allerdings durch die Caritas doch noch etwas präsent bleiben. Allerdings haben wir kein eigenes Personal vor Ort – wir arbeiten mit den dortigen Leuten zusammen und über Mittelsmänner.“

Viel Geld kann der Bischof von Dschibuti aus nicht aufbringen; darum muss er bei der Hilfe Akzente setzen:

„Die Kinder sind natürlich in einer solchen Lage die schwächsten, verletzlichsten, dazu die älteren Leute. Wir haben ein Hilfsprojekt für Kinder unter zehn jahren und für ältere Leute in der Region Nieder-Juba: Menschen, die keine Familie mehr haben, die ihnen helfen könnte. Jetzt in der Dürrezeit spricht man von Millionen von Kindern, die zu verhungern drohen. Die internationale Gemeinschaft hat Hilfe zugesagt, bräuchte aber eine gute Koordination.“

In den letzten 21 Jahren hat es für Somalia nicht weniger als fünfzehn Friedenskonferenzen gegeben – alle gescheitert, wie Bischof Bertin bitter sagt. Die Somalier selbst engagierten sich nicht genug in diese Richtung: Die meisten politischen Führer im Land arbeiteten nur auf eigene Rechnung, nicht etwa für das Gemeinwohl. Trotzdem will er die Hoffnung nicht aufgeben, gerade jetzt in Zeiten der Dürre nicht:

„Ich sage immer, dass wir die Hoffnung nicht sinken lassen dürfen, dass wir insistieren müssen und früher oder später doch einen echten Staat für Somalia erreichen werden. Vielleicht kann ja auch diese große Dürreperiode eine Gelegenheit für neue Versuche sein, den Staat wiederaufzubauen.“

Sollte es in Somalia irgendwann wieder einen effizienten Staatsapparat und eine funktionierende Regierung geben, dann – so hofft Bischof Bertin – kann die Kirche vielleicht wieder offener im Land operieren. Und vielleicht auch eines Tages wieder Kirchen bauen. Aber das ist Zukunftsmusik in einem Moment, in dem sich wegen Krieg und Trockenheit die Preise für Grundnahrungsmittel in der Hauptstadt Mogadischu binnen weniger Wochen vervierfacht haben. Und in dem ein Drittel der Bevölkerung auf Lebensmittellieferungen angewiesen ist. Viele Hilfswerke wollen ihre Arbeit in Somalia wieder aufnehmen, doch werden künftig wohl auch wieder große Teile der Hilfe von den Shabab-Milizen beschlagnahmt. So dass die Hilfen auch Somalias ewigen Krieg weiter nähren könnten.

(rv 14.07.2011 sk)







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