2011-07-04 14:14:19

Sudan: Unabhängigkeit in Sicht


RealAudioMP3 Am kommenden Samstag, dem 9. Juli, geht der Südsudan offiziell in die Unabhängigkeit. Überschattet wird der Unabhängigkeitsprozess seit Anfang Juni von heftigen Gefechten zwischen Vertretern der südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) und regierungsnahen Milizen aus dem Norden des Landes. Die genaue Grenzziehung zwischen Nord- und Südteil ist immer noch umstritten; Streit gibt es vor allem um das ölreiche Gebiet Süd-Kordofan.


Nach Schätzungen der UNO wurden durch die Kämpfe in der Grenzregion bereits mehr als 70.000 Menschen vertrieben. Nachdem Sudans Staatschef Omar al-Bashir seine Armee am vergangenen Freitag zu weiteren Kämpfen in Süd-Kordofan aufgefordert hatte, drohten südsudanesische Streitkräfte dem Norden mit Krieg: Sollte ein von beiden Seiten ausgehandelter Waffenstillstand nicht in die Tat umgesetzt werden, werde „Krieg“ geben, sagte ein Vertreter der südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Die Menschen in Südsudan, insbesondere in der zukünftigen Hauptstadt Juba, lassen sich ihre Vorfreude auf die Unabhängigkeitserklärung unterdessen nicht nehmen. Das berichtet gegenüber Radio Vatikan Hans Peter Hecking, Afrika-Referent des katholischen Hilfswerkes missio, der seit diesem Montag im Südsudan unterwegs ist.

„Man bereitet sich auf den großen Tag des Landes, den größten Tag des Landes überhaupt vor, für den man so lange gekämpft hat in über zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg. Man sieht, die Stadt putzt sich heraus mit allem, was zur Verfügung steht. Man sieht überall große Plakate, die auf den 9. Juli hinweisen. Schon am Flughafen sieht man, dass überall gebaut wird, man spürt eine sehr große Energie, es geht aufwärts, das ist die Stimmung hier.“

Hecking ist von Juba aus, wo er am Samstag den Tag der Unabhängigkeitserklärung erleben wird, zunächst in die zweitgrößte Stadt von Südsudan Wau weitergereist. Während des südsudanesischen Bürgerkrieges war Wau, das im sudanesischen Bundesstaat Western Bahr el Ghazal liegt, Schauplatz heftiger Kämpfe. Und auch zum jetzigen Zeitpunkt sei die Lage in der Stadt unsicher, berichtet Hecking. Wau liegt in einer Region, in der – anders als in anderen Landesteilen – Abstimmungen zur Unabhängigkeit von Südsudan nie zustande gekommen seien. Deshalb versuche das Regime in Khartum diese Gegend mit Gewalt unter seine Kontrolle zu halten, berichtet Hecking:

„Seit sechs Wochen gibt es hier Bombardierungen wegen den Konflikten in Abyei und Süd-Kordofan. Das ist nicht so weit von meinem jetzigen Standort entfernt. Die Bombardierungen gehen einfach weiter, und die Leute werden in die Flucht getrieben.“

Weiter habe der Norden die Energieversorgung der Region einfacht gekappt, berichtet der missio-Referent weiter:

„Das hat in dieser Region dazu geführt, dass es seit sechs Wochen hier keine Stromversorgung mehr gibt, denn der Norden hat die Ölversorgung eingestellt, so dass die Stromgeneratoren nicht mehr betrieben werden können.“

Der (nord-)sudanesische Präsident Omar Al-Baschir hatte vergangene Woche seine Soldaten dazu aufgerufen, im umkämpften Bundesstaat Süd-Kordofan weiter kompromisslos gegen die Opposition vorzugehen. Milizen aus Südsudan drohten zuletzt mit Krieg. Gegen Hass und Gewalt in der Bevölkerung versuche vor allem die katholische Kirche aktiv vorzugehen, so Hecking.

„Die katholische Kirche ist einer der wichtigsten Gesprächspartner im Sudan, wenn es um die Zukunft dieses Landes geht. Die Kirche hat das wohl am besten ausgebaute Netzwerk im Sudan. Überall in den Städten und in den Dörfern ist Kirche präsent. Das gilt sowohl für das einheimische kirchliche Personal – und vor allem sind das Laien – als auch für die ausländischen Mitarbeiter, die hier präsent sind.“

Die sudanesischen Bischöfe hatten in der vergangenen Woche eine Friedens- und Gebetsinitiative gestartet. Sehr aktiv in der Friedensarbeit sind auch die am Netzwerk „Solidarity with South Sudan“ beteiligten missionierenden Ordensgemeinschaften, erzählt Hecking weiter. Das Konsortium mit Sitz in Juba, in dem mehr als 170 Ordensgemeinschaften vertreten sind, gründete sich nach einem Pastoralkongress 2004 in Rom. Im Vorfeld der Unabhängigkeitserklärung habe die Organisation in der Bevölkerung für Versöhnung, Solidarität und politische Beteiligung geworben. Hecking zählt die Arbeitsschwerpunkte des Netzwerkes auf:

„Ausbildung vom medizinischen und pflegerischem Personal. Da gibt es zum Beispiel hier in Wau ein Ausbildungszentrum. Der zweite wichtige Aspekt ist die Lehrerausbildung. Sie müssen sich vorstellen, dass hier im Südsudan mehr als 85 Prozent der Bevölkerung schlichtweg nicht lesen und schreiben können, aufgrund der zwei Jahrzehnte Bürgerkrieg. Drittens bildet das Netzwerk geistliches Personal aus.“


(rv/apa/afp 04.07.2011 mg/pr)








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