2011-07-04 14:40:18

Pakistan: Fällt Minderheitenministerium für immer weg?


RealAudioMP3 Widersprüchliche Meldungen zum staatlichen Minderheitenschutz kommen derzeit aus Pakistan – das Ministerium für religiöse Minderheiten wurde am vergangenen Freitag aufgelöst; seine Kompetenzen sollen dezentralisiert werden. Das sorgte für große Aufregung unter den Christen im Land. Sie fürchten eine Zunahme von Gewalt und Verfolgung, wenn die Behörde, die sich bis dahin um ihre Rechte kümmerte, tatsächlich wegfallen sollte. Der pakistanische Premierminister Yousef Raza Gilani versprach dann auch schnell eine nahtlose Fortsetzung des Minderheitenschutzes. Man habe vor, bald ein neues Minderheitenministerium auf Bundesebene einzurichten, ja wolle den Schutz religiöser Minderheiten sogar „stärker als zuvor“ angehen, sagte Premierminister Yousef Raza Gilani am vergangenen Samstag, einen Tag nach Abschafffung des nationalen Minderheitenministeriums und den Protesten von Christen, die akut um ihre Sicherheit fürchten.


Rückschritt oder Fortschritt?

Unmittelbar nach der Ermordung von Shabhaz Bhatti, der dem besagten Ministerium vorstand und obendrein zu Lebzeiten der einzige Christ im pakistanischen Parlament war, konnte man noch auf ein stärkeres Durchgreifen der pakistanischen Regierung gegen radikale Tendenzen im eigenen Land hoffen. So schien mit dem neuen Grundsatzpapier zur Religions- und Meinungsfreiheit, das Pakistan Ende März 2011 dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen präsentierte, ein neues Kapitel in der Religionspolitik des Landes aufgeschlagen: Mit Bezug auf die universalen Menschenrechte warb die pakistanische Islamkonferenz (OIC) darin für einen „globalen Dialog, um eine Kultur der Toleranz und des Friedens auf allen Ebenen zu fördern“. Dieser Dialog gründe sich „auf den Respekt der Menschenrechte und der Verschiedenheit der Glaubensrichtungen und Religionen“, hieß es darin weiter. An dieser Stelle wurde in dem Beschluss auf die Konformität zwischen Religions- und Meinungsfreiheit verwiesen. Das war ein Novum, denn bis zu dem Zeitpunkt hatte Pakistan noch versucht, auf internationaler Ebene eine Art Kampagne für Blasphemie-Gesetze durchzusetzen – mit dem selbsterklärten Ziel, jede Diffamation von Religion zu bekämpfen und zu ahnden. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen billigte das Papier mit großem Konsens, christliche Organisationen lobten das Dokument und die Christen in Pakistan schöpften gar neue Hoffnung.


Ein „zweiter Mord“


Die Abschaffung des Minderheitenministeriums in der vergangenen Woche spricht freilich nicht dafür, dass die Autoritäten des Landes, die sich mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit gut stellen wollen und müssen, die Diskriminierung religiöser Minderheiten tatsächlich ernsthaft angehen wollen. Bei der Sitzung am vergangenen Samstag waren von Seiten der Minderheiten Christen und Hindus, Parlamentarier und Exponenten der Zivilgesellschaft aus ganz Pakistan anwesend. Auch der Katholik Paul Bhatti war dabei; er ist derzeitiger Berater des Premiers in Minderheitenfragen und eigentlich für die Leitung des besagten Ministeriums im Gespräch: Nachdem sein Bruder Shabhaz Bhatti von Islamisten ermordet worden war, sollte Bruder Paul das Amt übernehmen. Die Regierung habe Fragen der Minderheiten im Blick, auch die Frage nach der Förderung der Frau in der pakistanischen Gesellschaft, versuchte der Premier die Minderheitenvertreter zu beruhigen. Eine Dezentralisierung der Behörde würde für die Christen in der Tat nichts Gutes bedeuten, erklärt Shahid Mobeen, pakistanischer Dozent an der Päpstlichen Lateranuniversität, im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Das Ministerium wird den Regionen anvertraut und jedes Regionalparlament wird selbst über die Minderheiten auf seinem Gebiet entscheiden. Wir wissen ja, dass die Minderheiten die schwächste Kraft sind, in sozialer wie wirtschaftlicher Hinsicht. Diese Entscheidung verspricht gar nichts Gutes. Mit dem Bundesministerium hatten die Minderheiten eine Vertretung im Parlament, auf nationaler Ebene, im Kabinett. Der zuständige Minister versuchte die Rechte der Minderheiten zu verteidigen und ihren Schutz auszubauen. Das wird in der landesweiten Politik jetzt nicht mehr möglich sein.“
Der ermordete Shahbaz Bhatti trat für eine Änderung des strittigen Blasphemie-Gesetzes in Pakistan ein, das häufig als Vorwand dient, um Christen wegen vermeintlicher Lästerung des Propheten Mohammed anzuklagen. Die Auflösung des Ministeriums für religiöse Minderheiten sei ein erneuter Schlag gegen ihn, so Mobeen:

„Ich denke, dass Shabaz Bhatti zum zweiten Mal ermordet wurde. Das erste Mal haben ihn Fundamentalisten getötet, das zweite Mal die Regierung mit dieser Dezentralisierung des Ministeriums. Es war ihm so wichtig und sein Werk.“


Wer schützt jetzt die Christen?


Ein Beleg für die wichtige Funktion des pakistanischen Minderheitenministeriums sind zum Beispiel die Ermittlungen im Fall der jungen Katholikin Farah Hatim, die kurz vor Abschaffung des Ministeriums aufgenommen worden waren. Die Krankenschwester war in der Stadt Rahim Yar Khan entführt und zur Heirat sowie zum Übertritt zum Islam gezwungen worden. Man habe den lokalen Minister für religiöse Minderheiten in der Provinz Punjab um Ermittlungen gebeten, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, hatte Paul Bhatti, der Sonderberater für religiöse Minderheiten des Premierministers, angegeben. Zudem schütze man die Angehörigen der Frau, gab Bhatti an. Schutz und Aufklärung – ob die für religiöse Minderheiten noch geleistet werden können, wenn Minderheitenschutz nur noch lokal organisiert wird, ist fraglich.


(rv/kna/fides 04.07.2011 pr/gs/bp)








All the contents on this site are copyrighted ©.