Pakistan: Fällt Minderheitenministerium für immer weg?
Widersprüchliche Meldungen
zum staatlichen Minderheitenschutz kommen derzeit aus Pakistan – das Ministerium für
religiöse Minderheiten wurde am vergangenen Freitag aufgelöst; seine Kompetenzen sollen
dezentralisiert werden. Das sorgte für große Aufregung unter den Christen im Land.
Sie fürchten eine Zunahme von Gewalt und Verfolgung, wenn die Behörde, die sich bis
dahin um ihre Rechte kümmerte, tatsächlich wegfallen sollte. Der pakistanische Premierminister
Yousef Raza Gilani versprach dann auch schnell eine nahtlose Fortsetzung des Minderheitenschutzes.
Man habe vor, bald ein neues Minderheitenministerium auf Bundesebene einzurichten,
ja wolle den Schutz religiöser Minderheiten sogar „stärker als zuvor“ angehen, sagte
Premierminister Yousef Raza Gilani am vergangenen Samstag, einen Tag nach Abschafffung
des nationalen Minderheitenministeriums und den Protesten von Christen, die akut um
ihre Sicherheit fürchten.
Rückschritt oder Fortschritt?
Unmittelbar
nach der Ermordung von Shabhaz Bhatti, der dem besagten Ministerium vorstand und obendrein
zu Lebzeiten der einzige Christ im pakistanischen Parlament war, konnte man noch auf
ein stärkeres Durchgreifen der pakistanischen Regierung gegen radikale Tendenzen im
eigenen Land hoffen. So schien mit dem neuen Grundsatzpapier zur Religions- und Meinungsfreiheit,
das Pakistan Ende März 2011 dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen präsentierte,
ein neues Kapitel in der Religionspolitik des Landes aufgeschlagen: Mit Bezug auf
die universalen Menschenrechte warb die pakistanische Islamkonferenz (OIC) darin für
einen „globalen Dialog, um eine Kultur der Toleranz und des Friedens auf allen Ebenen
zu fördern“. Dieser Dialog gründe sich „auf den Respekt der Menschenrechte und der
Verschiedenheit der Glaubensrichtungen und Religionen“, hieß es darin weiter. An dieser
Stelle wurde in dem Beschluss auf die Konformität zwischen Religions- und Meinungsfreiheit
verwiesen. Das war ein Novum, denn bis zu dem Zeitpunkt hatte Pakistan noch versucht,
auf internationaler Ebene eine Art Kampagne für Blasphemie-Gesetze durchzusetzen –
mit dem selbsterklärten Ziel, jede Diffamation von Religion zu bekämpfen und zu ahnden.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen billigte das Papier mit großem Konsens,
christliche Organisationen lobten das Dokument und die Christen in Pakistan schöpften
gar neue Hoffnung.
Ein „zweiter Mord“
Die Abschaffung
des Minderheitenministeriums in der vergangenen Woche spricht freilich nicht dafür,
dass die Autoritäten des Landes, die sich mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit
gut stellen wollen und müssen, die Diskriminierung religiöser Minderheiten tatsächlich
ernsthaft angehen wollen. Bei der Sitzung am vergangenen Samstag waren von Seiten
der Minderheiten Christen und Hindus, Parlamentarier und Exponenten der Zivilgesellschaft
aus ganz Pakistan anwesend. Auch der Katholik Paul Bhatti war dabei; er ist derzeitiger
Berater des Premiers in Minderheitenfragen und eigentlich für die Leitung des besagten
Ministeriums im Gespräch: Nachdem sein Bruder Shabhaz Bhatti von Islamisten ermordet
worden war, sollte Bruder Paul das Amt übernehmen. Die Regierung habe Fragen der Minderheiten
im Blick, auch die Frage nach der Förderung der Frau in der pakistanischen Gesellschaft,
versuchte der Premier die Minderheitenvertreter zu beruhigen. Eine Dezentralisierung
der Behörde würde für die Christen in der Tat nichts Gutes bedeuten, erklärt Shahid
Mobeen, pakistanischer Dozent an der Päpstlichen Lateranuniversität, im Gespräch mit
Radio Vatikan:
„Das Ministerium wird den Regionen anvertraut und jedes Regionalparlament
wird selbst über die Minderheiten auf seinem Gebiet entscheiden. Wir wissen ja, dass
die Minderheiten die schwächste Kraft sind, in sozialer wie wirtschaftlicher Hinsicht.
Diese Entscheidung verspricht gar nichts Gutes. Mit dem Bundesministerium hatten die
Minderheiten eine Vertretung im Parlament, auf nationaler Ebene, im Kabinett. Der
zuständige Minister versuchte die Rechte der Minderheiten zu verteidigen und ihren
Schutz auszubauen. Das wird in der landesweiten Politik jetzt nicht mehr möglich sein.“ Der
ermordete Shahbaz Bhatti trat für eine Änderung des strittigen Blasphemie-Gesetzes
in Pakistan ein, das häufig als Vorwand dient, um Christen wegen vermeintlicher Lästerung
des Propheten Mohammed anzuklagen. Die Auflösung des Ministeriums für religiöse Minderheiten
sei ein erneuter Schlag gegen ihn, so Mobeen:
„Ich denke, dass Shabaz Bhatti
zum zweiten Mal ermordet wurde. Das erste Mal haben ihn Fundamentalisten getötet,
das zweite Mal die Regierung mit dieser Dezentralisierung des Ministeriums. Es war
ihm so wichtig und sein Werk.“
Wer schützt jetzt die Christen?
Ein
Beleg für die wichtige Funktion des pakistanischen Minderheitenministeriums sind zum
Beispiel die Ermittlungen im Fall der jungen Katholikin Farah Hatim, die kurz vor
Abschaffung des Ministeriums aufgenommen worden waren. Die Krankenschwester war in
der Stadt Rahim Yar Khan entführt und zur Heirat sowie zum Übertritt zum Islam gezwungen
worden. Man habe den lokalen Minister für religiöse Minderheiten in der Provinz Punjab
um Ermittlungen gebeten, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, hatte Paul Bhatti,
der Sonderberater für religiöse Minderheiten des Premierministers, angegeben. Zudem
schütze man die Angehörigen der Frau, gab Bhatti an. Schutz und Aufklärung – ob die
für religiöse Minderheiten noch geleistet werden können, wenn Minderheitenschutz nur
noch lokal organisiert wird, ist fraglich.