Vor kurzem
fand in der Deutschen Akademie in Rom, der Villa Massimo, das traditionelle Sommerfest
statt. Die Stipendiaten präsentierten dabei einen großen Publikum an Interessenten
ihre Werke. Beim Gang durch die zehn Pavillons wurden große Unterschiede, aber auch
Gemeinsamkeiten im Werk der Künstler erkennbar. Besonders einprägsam waren die Konzerte
der Komponisten.
Jeder der in den Südstaaten der USA gewesen ist, kennt sie:
die großen „Jesus-wants-you“-Plakate an den Autobahnabfahrten. Nicht nur viele Europäer,
auch Kanadier fühle sich in einem solchen Umfeld fremd. Einer von ihnen ist Komponist,
Wahlberliner und deshalb auch Stipendiat bei der Villa Massimo. Marc Sabat hat in
Rom versucht, dieses Gefühl der Fremdheit zu einer Art Musikhörspiel zu verarbeiten.
Ein Anhalter wird von einem evangelikal gewordenen Filipino mitgenommen.
„Es
ist nicht ironisch, dass man denkt, okay, das ist irgend so ein Freak. Er akzeptiert
den Standpunkt des anderen. Vielleicht akzeptiert er manches nicht, oder vielleicht
akzeptiert er alles, aber er fällt kein Urteil.“
Auch in einem zweiten
Stück von Sabat spielt die Südstaatenreligiosität eine Rolle. In „Fathers Suite and
Watch“ tanzt sein Kollege Lorenzo Pompa in einem Anzug seines verstorbenen Vaters
in einem Video. Wie von einer Tarantel gebissen, zuckt und windet sich der Künstler.
Zu der Musik für Sänger, Streicher, Schlagwerk und Klavier werden immer wieder von
Band Bruchstücke eines Folksongs eingespielt, der die Unausweichlichkeit einer göttlichen
Strafe thematisiert.
“ Zu dem Archaischen finde ich, dass das ganze Stück
eigentlich mehr steuert, als das es gesteuert wird. Beispielsweise ist mein Tanz etwas,
was nicht einstudiert ist, sondern was dann passiert. Da muss man natürlich schauen,
dass man sich darauf einlässt und das ist natürlich heutzutage nicht ganz leicht.“
Der
Kontrast zwischen Archaik und Moderne, zwischen historischer Schichtung und Kommerz
verbindet das Werk des Komponisten mit dem anderer Künstler in der Villa Massimo.
Vor der Prachtfassade von San Giovanni in Laterano ergießt sich die tägliche
Blechlawine mit Sirenengeheul. Plötzlich erklingt aus dem Hintergrund der berühmte
Gefangenenchor Giuseppe Verdis aus der Oper „Nabucco“ - Italiens heimliche Nationalhymne.
Die römische Verkehrshölle bleibt jedoch vom Gesang der Gefangenen völlig ungerührt.
Nur am Rande gibt es etwas Emotionen: Ein Liebespärchen besteigt ein Motorino. Zu
den Schlussakkorden des Chores fahren sie aus dem Bild. Was nach einer Szene aus einem
Fellini-Film klingt, ist Teil einer Video-Installation von Maria Sewcz, Stipendiatin
an der Villa Massimo.
„Es stand eine Bühne dort vor der Kirche und es gab
gerade diesen Soundcheck dort, mit dieser Musik. Ich habe dort nur Gefunden, Es ist
auch eine Findung. Was dort abgebildet ist, ist abgelaufen, ohne dass ich eingegriffen
habe.“
Deshalb spricht Sewcz auch bei ihren römischen Arbeiten nicht von
einem gemeinsamen ästhetischen Konzept, sondern einfach von Finderglück. Dies sei
in Rom besonders groß, da sich die Stadt durch die Überlagerung verschiedenster Schichtungen
auszeichne:
„An Rom interessiert mich vor allem diese Dauer, diese Zeit,
diese unterschiedlichen Ebenen von der Antike, Renaissance, Barock bis halt zur Moderne
und das mit dem Alltag zu kombinieren oder im Alltag erleben zu dürfen, das ist eigentlich
das besondere dabei. Also dass man nicht einfach nur hinfährt und sich Dinge ansieht,
sondern dass man auch diese Alltäglichkeit erfahren darf, dass finde ich ganz besonders.“
Rom
ist also auch noch heute für Künstler interessant. Das sieht man auch im Werk der
acht anderen Stipendiaten an der Villa Massimo Der Kürze des Beitrags ist die Darstellung
der Werke von nur zwei Stipendiaten geschuldet. Stipendiaten in der Gattung Bildende
Kunst sind Via Lewandowsky und Julia Schmidt. Matthias Graf von Ballerstrem und Andrea
Hartmann sind die Architekten in diesem Jahr. Der zweite Komponist ist Sven-Ingo Koch.
Schließlich sind Jan Wagner und Lutz Seiler die Schriftsteller. Da erst ein Viertel
ihres Stipendiumsjahr verstrichen ist, wird es sicherlich noch einmal die Möglichkeit
geben, Werke der Künstler in Rom zu sehen.