Heiliges Land: „Flüchtlingsfrage ist Schlüssel zum Frieden“
Erst wenn für das
Problem der palästinensischen Flüchtlinge eine Lösung gefunden wird, ist Frieden im
Nahen Osten erreichbar. Daran erinnert William Bell vom Hilfswerk „Christian Aid“
im Gespräch mit Radio Vatikan. Bell ist Autor eines aktuellen Berichtes von Christian
Aid über die Lage palästinensischen Flüchtlinge in der Region. Etwa die Hälfte aller
Palästinenser, etwa 5 Millionen Menschen, leben außerhalb der besetzten Palästinensergebiete
als Flüchtlinge. Innerhalb der besetzten Gebiete – also in der Westbank und im Gazastreifen
– stellen Flüchtlinge allein 45 Prozent der Bevölkerung. In Israel und im Libanon
würden die heimatlosen Palästinenser oft fälschlicherweise für Gewalt und Instabilität
verantwortlich gemacht, berichtet Bell.
„Dabei sind sie die schwächsten
Glieder der Gesellschaft. Im Libanon zum Beispiel haben sie keine zivilen Rechte;
sie können nicht arbeiten und leben in überfüllten Lagern. Mit unserem Bericht zur
Lage dieser Menschen möchten wir darauf aufmerksam machen, dass sich die palästinensischen
Flüchtlinge dem Frieden auch Jahrzehnte nach Beginn des Friedensprozesses kein Stück
näher fühlen. Solange Israel jede Verantwortung für die Flüchtlingsfrage ablehnt,
fühlen sich diese Menschen weiter ausgeschlossen. Eine der Schlüsselfragen – im Jahr
1948 und bei den Konflikten der folgenden Jahre – war immer schon die Vertreibung
der Palästinenser.“
Eine der Folgen des Unabhängigkeitskrieges von 1948
zwischen den arabischen Staaten und dem damals frisch gegründeten Staat Israel war,
dass rund ein Drittel des palästinensischen Volkes seine Heimat verlor. Rund 750.000
Menschen wurden zu Flüchtlingen; die verlassenen Dörfer und Städte wurden von jüdischen
Siedlern besetzt, die bis heute nicht mehr wichen. Ein Zurück in die Zeit davor sei
für die Israelis heute undenkbar, merkt Bell an. Allerdings könne man die Augen vor
dem Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge nicht verschließen.
„Anzuerkennen,
dass diese Menschen ihr Zuhause verloren haben, heißt ja nicht automatisch, dass jeder
einzelne von ihnen ins heutige Israel beziehungsweise in seine vorherige Heimat zurückkehren
soll.“ Die Situation der Palästinenser in der Westbank sei insgesamt schlecht,
erinnert Bell weiter.
„Zum Beispiel sind im Gazastreifen 80 Prozent der
Bevölkerung in irgendeiner Art und Weise auf Hilfe angewiesen. Die Arbeitslosigkeit
ist enorm hoch, sie lag zuletzt bei 45 Prozent. Und die Flüchtlingscamps sind hoffnungslos
überfüllt. Die Herausforderung ist nun, allen am Friedensprozess beteiligten Gruppen
klar zu machen, dass an der Frage der palästinensischen Flüchtlinge kein Weg vorbeiführt
– ohne Lösung ihrer Situation wird es keinen Frieden geben.“
Nach Einvernehmen
zwischen Israelis und Palästinensern sieht die letzte politische Entwicklung in der
Region allerdings nicht aus. So sieht Israel die aktuellen Bemühungen Palästinas um
einen eigenen Staat als Konkurrenzmodell zur eigenen Nation. Die Palästinenser hoffen,
dass ein solcher eigener Staat durch die Vereinten Nationen im kommenden September
anerkannt werden könnte – auf der Generalversammlung des Gremiums in New York. Als
„Prozess, der die Legitimität des Staates Israel unterminiert“ kommentierte den Plan
das israelische Außenministerium.