Als „Zeugen der Ökumene“ hat der frühere vatikanische „Ökumeneminister“, Kardinal
Walter Kasper, die vier „Lübecker Märtyrer“ gewürdigt, die am kommenden Samstag in
Lübeck selig gesprochen werden. Im Widerstand gegen ein zutiefst inhumanes, totalitäres
Regime hätten die Geistlichen zusammengefunden, sagte Kasper gegenüber der Tageszeitung
„Die Welt“ von diesem Donnerstag – in einer Zeit, in der eigentlich „Funkstille“ zwischen
den Konfessionen herrschte, so der Kardinal weiter. Die drei katholischen Kapläne
Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller sowie der evangelische Pastor Karl
Friedrich Stellbrink waren von den Nationalsozialisten im Jahr 1943 hingerichtet worden.
Der Präfekt der vatikanischen Selig- und Heiligsprechungskongregation, Kardinal Angelo
Amato, berichtet im Interview mit Radio Vatikan von den Umständen der Verhaftung der
Kapläne: „Die drei wurden von einem Spion der SS verraten, der sich ihnen als
Bekehrter zum Katholizismus präsentierte. Sie wurden verhaftet, weil niemand von ihnen
dem eigenen Glauben misstraute.“ Ganz im Gegenteil: Unverblümt nannten die
drei Geistlichen die Verbrechen des Regimes beim Namen. So geißelte Eduard Müller
in seinen Predigten die Massenmorde der Nazis, die Tötung so genannten „unwerten Lebens“
und die unterdrückerische Religionspolitik, erzählt Amato. Vor allem der „gute Draht“
der drei jungen Kapläne zur Jugend war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Lange
und Müller, beide aktiv in der Jugendpastoral, drohten die Infiltrationen der Hitlerjugend
zur unterminieren. Überhaupt nahmen die Nationalsozialisten die katholische Kirche
als Konkurrenz zur Staatsideologie wahr. Hitler oder Gott – das war die Frage, die
über Leben oder Tod entschied. Dazu Amato: „Es wurden ja vor allem junge,
mutige Priester verfolgt, die das Regime kritisierten. Es reichte aber schon, Priester
und katholisch zu sein, um sich der Gefahr einer Verhaftung und eines falschen Prozesses
auszusetzen und den Tod zu riskieren. Die drei Lübecker Kapläne verbreiteten zum Beispiel
die Schriften des berühmten Münsteraner Bischofs Clemens August von Galen, der heute
selig ist. Er war zum Symbol des Glaubens und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus
geworden.“ Galen wurde 2005 selig gesprochen. Er war zur Zeit des Nationalsozialismus
zum Hoffnungsträger nicht nur für Verfolgte und Unterdrückte geworden, die er vor
dem ideologischen Wahn in Schutz nahm. Auch war er der jungen Priestergeneration Vorbild
und Mentor, weil er den Mut hatte, sich offen gegen die Unmenschlichkeit des Regimes
zu wenden. Für Furore sorgten vor allem seine Predigten gegen den „Euthanasie“ genannte
Mord an Behinderten und Kranken. Die Treue zu den eigenen Glaubensprinzipien sollte
Prassek, Lange, Müller und Stellbrink das Leben kosten. Nach einem Scheinprozess wurden
sie im November 1943 unter Ausschluss der Öffentlichkeit enthauptet. Einer der wenigen
Zeugen dieser schrecklichen Stunden war Prälat Bernhard Behnen. Er stand den jungen
Männern damals als Gefängnisseelsorger bei. Als ihnen am 10. November 1943 mittags
um 13.00 Uhr verkündet wurde, dass sie am Abend desselben Tages sterben würden, ging
er direkt zu ihnen. Müller sei zwar „leichenblass“ gewesen und seine Arme und Knie
hätten gezittert, schilderte Behnen in einer Predigt am 16. April 1946 in der Lübecker
Herz-Jesu-Kirche seine Erinnerungen. Das sei aber nur ein Moment gewesen. Danach habe
der junge Kaplan gesagt: „So, nun bin ich gerüstet, ich hoffe kurz vor meinem Tode
noch zum letzten Male meinen Herrn und Heiland empfangen zu dürfen und werde dann
an seiner Seite den Gang machen“. Mit diesen Worten habe der Priester seiner Hinrichtung
„ruhig“, ja fast „heiter“ entgegengesehen. Die Stunden bis zur Enthauptung beschreibt
der ehemalige Gefängnisseelsorger als Passionsgeschichte mit „heiligen Augenblicken“:
von der Urteilsverkündung über die „passio amara“ der jungen Männer mit Momenten der
Todesangst und Traurigkeit bis hin zur „passio beata“, als alle von ihnen von einem
„tiefen Frieden mit Gott und allen Menschen“ erfüllt worden seien, der sie zur Vergebung
befähigte. Dazu Kardinal Amato: „Am Tag der Hinrichtung erhielten sie die Sakramente
und beteten ein Gebet, in dem sie ihren Peinigern vergaben. Das Martyrium dieser Männer
hat große Bedeutung für die Laien haben eine große Bedeutung für Laien; diese Priester
haben sich in unsere Kultur eingeschrieben, sie haben mit Mut und Klarheit die Wahrheit
des Evangeliums gelebt.“ Zur Seligsprechung der Kapläne Johannes Prassek, Hermann
Lange und Eduard Müller werden rund 9.000 Gäste in Lübeck erwartet, darunter 18 katholische
und vier evangelische Bischöfe. Bereits am Freitag gedenkt die evangelische Kirche
– die keine Seligsprechungen kennt - des Pastors Karl Friedrich Stellbrink im Rahmen
eines Gottesdienstes. (rv/pm/kna 23.06.2011 pr)