Italien/Israel: Don-Orione-Priester „Gerechter unter den Völkern“
Für seine Verdienste um Menschenrechte zur Zeit des Holocaust wird der italienische
Pater Gaetano Piccinini posthum mit der Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“
geehrt. Der Staat Israel vergibt den Ehrentitel seit 1963 an Nicht-Juden, die während
der nationalsozialistischen Herrschaft im Zweiten Weltkrieg ihr Leben riskierten,
um Juden vor Ermordung und Verfolgung zu retten. Der Einsatz für Juden ist allerdings
nur ein Teil des reichen karitativen Wirkens des Don Orione-Paters, der 1927 zum Priester
geweiht und bald darauf zur Schlüsselfigur des Ordens wurde.
Die Medaille und
der Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ wird dem 1972 verstorbenen Pater posthum
am Donnerstag im römischen Don Orione-Zentrum verliehen. Der heutige Generalobere
der Don Orione-Ordensgemeinschaft „Söhne der göttlichen Vorsehung“, der Piccinini
angehörte, wird die Auszeichnung stellvertretend entgegennehmen. Anwesend sein wird
auch der israelische Botschafter am Heiligen Stuhl, Mordechai Lewy. Piccinini habe
sich durch eine allumfassende Barmherzigkeit ausgezeichnet, erzählt Generaloberer
Flavio Peloso im Gespräch mit Radio Vatikan.
„Piccinini wurde sozusagen
der Koordinator des Ordens in Fragen der Rettung. Erst hat er den Juden geholfen.
Dann hat er aber auch Menschen aus dem faschistischen Milieu und genauso Widerstandskämpfern
gerettet. Seine Caritas war allumfassend. Wie Don Orione sagte: Barmherzigkeit fragt
nicht danach, wer an die Tür klopft, nach dessen Namen, Religion oder Heimat, sondern
nur danach, ob es Schmerz gibt. Im Notfall war Piccinini immer für die Menschen da.“
Unter
Einsatz des eigenen Lebens bewahrte Don Piccinini im Zeitraum 1930 bis 1940 viele
Juden vor Verfolgung und dem Tod. Einer von ihnen ist Bruno Camerino, der heute in
Mailand lebt. Elf Jahre alt war er, als die Nazis in Rom ihre großangelegte Juden-Deportation
durchführten. Es war der frühe Morgen des 16. Oktober 1943, ein verregneter Samstag
– Sabbat für die Juden. Mit seinen drei Schwestern entwischte Bruno den Nazis und
klopfte an die Tür von Pater Gaetano Piccinini. Die jüdischen Mädchen fanden Aufnahme
in einem katholischen Waisenheim, der Bruder blieb im Don Orione-Kloster. Damit es
nicht auffiel, dass er Jude war, wurde Bruno, wie er später erzählte, zum Telefondienst
abgestellt: So war plausibel, dass er nicht an der Messe teilnahm.
Gaetano
Piccinini selbst war als Waisenkind aufgewachsen. Das Erdbeben von Marsica 1915 tötete
seine Eltern. Das Kind wurde von der Ordensgemeinschaft „Söhne der göttlichen Vorsehung“
aufgenommen, erfuhr die Fürsorge, die er später selbst leisten sollte, schon als Kind
am eigenen Leib. Damals lernte Gaetano den Ordensgründer und späteren Heiligen Don
Orione (1872-1940) kennen und trat selbst dem Orden bei. Dazu Peloso:
„Piccinini
hat sich sein Leben lang mit Don Orione identifiziert. Er kam 1915 nach dem Erdbeben
von Marsica mit elf Jahren zum Orden und wurde von Don Orione mit offenen Armen aufgenommen.
Der Orden wurde zu Piccininis Familie. Als Don Orione starb, wurde Piccinini zu einer
Schlüsselfigur der Kongregation in Italien, die dann Ableger in England und in den
Vereinigten Staaten bildete. Er hat ihre Arbeit auf mehrere Länder ausgeweitet, an
verschiedenen Fronten der Caritas gekämpft. Die Auszeichnung „Gerechter unter den
Völkern”, die sich auf die Rettung vieler Juden im zweiten Weltkrieg bezieht, markiert
nur einen Teil seines Wirkens.“
Unter Piccininis Schützlingen ist auch
der jüdische Bildhauer Arrigo Minerbi (1881-1960). Er schuf die Madonnenstatue auf
dem heutigen Gelände des Don-Orione-Zentrums, das auf dem römischen Hügel „Monte Mario“
liegt und bis heute vielen Römern als Gebetsstätte dient. Papst Benedikt XVI. segnete
die stehende „Madonnina“ vor fast genau einem Jahr ein. In seiner Ansprache am 24.
Juni 2010 würdigte der Papst dabei auch ausdrücklich die karitative Arbeit des Don-Orione-Zentrums.
Don Gaetano Piccinini war bereits im Jahr 1994 von der jüdischen Gemeinde
Rom für die Rettung von Juden ausgezeichnet worden. Für den Ehrentitel „Gerechter
unter den Völkern“ war er schon seit Anfang 2008 im Gespräch. Der Ehrentitel wird
seit 1963 durch den israelischen Staat verliehen. Unter Schirmherrschaft der Jerusalemer
Gedenkstätte Yad Vashem überprüft eine öffentliche Kommission seitdem vorgeschlagene
Personen nach bestimmten Kriterien und erkennt sie gegebenenfalls als „Gerechte aus
den Völkern“ an. Auf Basis der bisher anerkannten Fälle schätzen Historiker die Zahl
der Retter, die die Kriterien Yad Vashems erfüllen, auf maximal 25.000 Personen. Den
Trägern des Ehrentitels muss eine konkrete und sicher bezeugte Rettungsaktion für
Juden unter Einsatz des eigenen Lebens nachgewiesen werden können. Auszuschließen
ist dabei eine verlangte Gegenleistung für die gewährte Hilfeleistung. (rv/diverse
22.06.2011 pr)