2011-06-21 13:48:51

Vatikan/Ägypten: „Lösungen liegen im Aufbau des Rechtsstaates“


RealAudioMP3 Nach dem Umsturz in Ägypten hat sich die Situation für Christen in dem Land zwar nicht verbessert, aber erste Bedingungen für ihr Wirken sind geschaffen. Das hat Kardinal Antonios Naguib, Patriarch der koptisch-katholischen Kirche in Ägypten, an diesem Dienstag im Interview mit Radio Vatikan unterstrichen. Der Patriarch nimmt in dieser Woche an der 84. Sitzung der Hilfswerke für die Ostkirchen (ROACO) im Vatikan teil. Das Treffen soll zum besseren Verständnis der Situation der Christen im Nahen Osten beitragen und dementsprechend zu einer effizienteren Ausrichtung der kirchlichen Projekte in der Region beitragen, die im Zeichen des Aufbaus, Friedens und Dialoges stehen. Natürlich steht die ROACO-Sitzung in diesem Jahr stark unter dem Eindruck des so genannten „Arabischen Frühlings“. Kardinal Naguib berichtet von der aktuellen Lage der Christen in Ägypten:

„Die Situation der Christen hat sich (nach dem Sturz der Regierung) nicht radikal verändert, sie haben dieselben Probleme wie zuvor. Wenn wir uns aber die Gesamtsituation des Landes ansehen und das System in sich, kann man von einem großen Sprung nach vorn sprechen. Es ist ein großer Verdienst, ein diktatorisches und korruptes System zu beenden, auch wenn die Schwierigkeiten im engeren Sinne bleiben. Das gilt aber nicht nur für die Christen, sondern für alle Bürger. Die Probleme der Christen werden natürlich nicht vom einen auf den nächsten Tag gelöst.“

Eine langfristige Verbesserung der Situation der Christen in Ägypten liegt nach Ansicht des koptisch-katholischen Patriarchen in der Errichtung eines funktionierenden Rechtsstaates, in dem Religionsfreiheit und gleiche Rechte und Pflichten für alle Bürger gelten. Die christliche Minderheit wurde ja in den letzten Jahrzehnten von weiten Teilen des öffentlichen Lebens in Ägypten ausgeklammert; sie hatte zum Beispiel nur sehr beschränkt Zugang zu Ämtern in der Verwaltung und zu politischen Rechten. Was die Angriffe radikaler Muslime auf christliche Kirchen betrifft, da habe die amtierende Militärregierung zumindest erste Schritte unternommen, berichtet Naguib:

„Die Militärkommission, die derzeit die Macht im Land hat, hat auch positive Maßnahmen getroffen, um diesen Angriffen und den (interreligiösen) Konflikten zu begegnen. Sie hat aber das Problem noch nicht an der Wurzel gepackt, nämlich die Konflikte mit Mitteln des Rechtsstaates und der Gesetze zu lösen. Wir denken und hoffen, dass sich diese Mittel Schritt für Schritt durchsetzen werden.“

Sollten den Christen in Zukunft tatsächlich mehr Rechte in Ägypten eingeräumt werden, ist Naguib zufolge ihr Weg auch in die Politik frei.

„Man muss sich klar machen: Die Christen sind im sozialen Leben präsent. Wir hoffen, dass sie in diesem Prozess, in dieser Orientierung hin zum demokratischen und zivilen Staat inklusive einer entsprechenden Verfassung ihren festen Platz finden. Ebenso in den noch mehr in den Parteien, die auf dieses Ideal hin arbeiten.“

Die Sitzung der Hilfswerke für die Ostenkirchen geht noch bis zum 24. Juni. Über 20 Vertreter katholischer Vereinigungen aus zehn Ländern des Nahen Ostens sind anwesend, darunter der neue maronitische Patriarch aus dem Libanon, Bechara Boutros Rai, sowie des Kustos im Heiligen Land, Pater Pierbattista Pizzaballa. Aus Deutschland sind Vertreter des Hilfwerks Renovabis aus Freising beteiligt.

Die Vereinigung der Hilfswerke für die Ostkirchen wurde 1968 von der Ostkirchenkongregation gegründet. Die geleistete Hilfe bezieht sich auf alle Lebensbereiche der Christen im Nahen Osten: Kultausübung und Priesterausbildung, Schul- und Kulturprogramme sowie die medizinische Versorgung. Aktuell ist Kardinal Leonardo Sandri Präfekt der Ostkirchenkongregation.

(rv 21.06.2011 pr)








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