2011-06-18 16:24:35

Deutschland: Entweiht und verkauft


RealAudioMP3 Das Verkaufsobjekt befindet sich im westlichen Frankfurter Stadtrand (…) bestehend aus einer Kirche mit Kirchturm und einem Kindergarten. S-Bahn Anschluss, Bus Haltestelle, Anschluss an die A 66. Das Grundstück liegt in einem einfachen Wohngebiet, bestehend aus Geschosswohnungsbauten der fünfziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts.“

Anzeigen dieser Form findet man inzwischen oft im Internet. Laut deutschen Medienberichten ist die Zukunft von 33.000 protestantischen und katholischen Kirchengebäuden in Deutschland ungewiss. Es fehlt schlicht das Geld für die laufenden Kosten, die ein Kirchengebäude verursacht. Die Folge: Katholische Kirchen werden entweiht und danach verkauft oder abgerissen. Jedes Bistum verfolgt beim Kirchenverkauf seine eigene Strategie. Doch ist der Kirchenverkauf zur Entlastung des Bistumshaushaltes wirklich die beste Lösung? Eine Mitarbeiterin des Bistums Hildesheim ist Monika Tontsch. Sie ist im Bistum für die Denkmalpflege zuständig. Wenn eine Kirche geschlossen wird, kümmert Tontsch sich um die Kult- und Kunstgegenstände, die zurückbleiben. Sie plädiert für Gemeinschaftsnutzungen anstatt Verkauf und erinnert sich an Projekte, die ihr als besonders gelungen erscheinen:

„Es gibt eine ganze Bandbreite an Erfahrungen, die ich da eigentlich habe, zwei Projekte die ich nennen möchte sind, wo die Kirchen in Kindergärten umgenutzt wurden, was ich beide Male sehr interessant und spannend fand. (...) das eine Mal war es eine Kirche, die hat die politische Gemeinde von der Stadt von der Kirche gekauft, um dort in diesem Gebäuden einen Kindergarten einzurichten und das Zweite ist ein Projekt unseres eigenen Hauses. Der Kindergarten lag nebenan, der war zu klein, der brauchte einfach größerer Räumlichkeiten und dann sind in diesem Kirchenraum die Kindergartenräume eingerichtet worden.“

Der Verkauf und die Umnutzung von Kirchenräumen organisiert bisher jedes Bistum im Alleingang. Tontsch sieht das durchaus kritisch:

„Da würde ich mir noch wünschen, dass da auch mal eine von der Bischofskonferenz organisierte Tagung stattfinden würde. In der Öffentlichkeit wird es ja inzwischen recht breit wahrgenommen und es gibt inzwischen auch eine andere Wahrnehmung in der Kirche. Ich denke, im engeren Kreis in der deutschen Bischofskonferenz, zusammen mit Experten, sollte man dieses Thema noch einmal vertiefen.“

Doch nicht nur im Rahmen der Bischofskonferenz spielt das Thema bisher eine untergeordnete Rolle, auch katholische Theologen haben sich hauptsächlich mit Aspekten der Entweihung beschäftigt, aber kaum mit dem was danach kommt. Ein Vorreiter auf dem theoretischen Gebiet der Kirchenumnutzung ist der evangelische Religionssoziologe Prof. Dr. Gert Pickel von der Universität Leipzig. Er sieht hier ein Umdenken in den Bistümern, gerade was die Außenwirkung eines Verkaufs oder Abriss anbelangt:

„Wenn ich also Kirchen abgebe werde ich nach Außen das Verlustbild ja nur verstärken. Das ist das Signal was der noch zur Kirche gehörende Gläubige, und das sind ja dann doch nicht so wenige, sieht und da weiß man natürlich nicht, wie die Auswirkung ist, in Westdeutschland haben wir zwar nicht mehr so wahnsinnig viele Kirchengänger aber immerhin doch noch fast vierzig Prozent Mitglieder in der katholischen Kirche und wie die natürlich sehen, es ist ein dauerhafter Rückgangsprozess wird sich das in den Säkularisierungsprozess einpflegen und gerade bei den jüngeren Generationen dann auch dazu führen, dass die Distanz weiter getrieben wird, weil es letztendlich natürlich auch ganz wichtig ist, was für ein Bild man hat, ob man das Gefühl hat, also Kirche im dem Sinne ist auch etwas wo etwas für die Gesellschaft wichtiges passiert oder wo man sagte, dass brauche ich eigentlich für meinen Lebensalltag nicht mehr und da ist natürlich die Symbolik nicht ganz zu unterschätzen.“

Gerade die Symbolik und Identifikationskraft des Kirchengebäudes könnte sich, laut Prof. Pickel, für Projekte zur Neuevangelisierung anbieten. Durch gemeinsame Umnutzungskonzepte mit protestantischen Gemeinden oder städtischen Einrichtungen wäre es möglich, Menschen in die Kirche zu holen, die sie sich ansonsten nur von Außen ansähen. Denn Kirchenverkäufe oder Abrisse sind für fast alle Menschen einer Stadt vor allem eines: ein Kulturverlust.

(rv 17.06.2011 cm)








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