Italien: Volksabstimmung ist „Provokation für Politik”
95 Prozent gegen Pläne
von Ministerpräsident Silvio Berlusconi: Das ist das Ergebnis einer zweitägigen Volksabstimmung
in Italien. Abgelehnt wurden der angestrebte Wiedereinstieg in die Atomenergie, Pläne
zur Privatisierung der Wasserversorgung und ein Gesetz, das führenden Politikern weitgehend
vor Strafverfolgung schützen sollte. Da rund 57 Prozent der Wahlberechtigten an der
Abstimmung teilnahmen, ist das Referendum gültig.
„Schlappe“ oder „Ohrfeige
für Berlusconi“ titeln links- wie rechtsgerichtete Zeitungen. Von einem „Sieg der
Bürger“ sprachen am Montagabend verschiedene Oppositionspolitiker. Ähnlich sieht das
auch der Präsident der katholischen Laienvereinigung „Azione Cattolica“, Franco Miano.
Die Katholiken hätten entscheidend zum Ausgang des Referendums beigetragen.
„Das
war ein interessantes und wichtiges Zeichen, dass die Bürger sich einige Fragen zu
Eigen gemacht haben, in denen sie die Politik als abgehoben wahr nehmen. Das ist Kritik
an der Tatsache, dass die Politik sich zu weit von dem entfernt hat, was die Bürger
beschäftigt und ihnen Sorgen macht. Das Ergebnis zeigt auch: Die Katholiken in Italien
können immer mehr dazu beitragen, das öffentliche Gewissen zu stärken.“
Die
Bischöfe des Landes hatten zur Teilnahme an der Abstimmung animiert. Im Gegensatz
zu Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Er hatte zum Boykott des Referendums aufgerufen.
Katholische Zeitungen hatten im Vorfeld Fragen wie demokratische Freiheit, Gemeinwohl
und Schöpfungsverantwortung thematisiert. Erstmals seit 1995 wurde die nötige 50-Prozenthürde
bei einer Volksabstimmung genommen:
„Die Katholiken haben entscheidend dazu
beigetragen, das Quorum zu erreichen. Es gibt eine Sensibilität, eine besondere Aufmerksamkeit,
die gerade aus dem Leben der Verbände und Gemeinschaften erwächst. Hier geht es darum,
vertretene Prinzipien ganz konkret umzusetzen. Das Referendum ist letztendlich die
Übersetzung, die Übertragung großer Prinzipien ins Konkrete.“
Der Bürgerwille
dürfe nicht missachtet werden, erklärte Berlusconi. Italien müsse sich jetzt auf erneuerbare
Energien konzentrieren. Doch die Politik insgesamt müsse mehr dem „Wunsch der Bürger
und dem Wohl der Bürger entsprechen“, mahnt Azione Cattolica-Präsident Miano. Im Gespräch
mit Radio Vatikan fordert er zwar nicht – so wie italienische Oppositionsparteien
– den Rücktritt Silvio Berlusconis, aber er stellt klar:
„Ein solches Abstimmungsergebnis
hat sicherlich auch politische Bedeutung. Wir haben eine umfassende Sicht von Politik.
Zur Politik gehören immer auch einige große Themen, denen sie sich stellen muss, von
denen sie sich hinterfragen lassen muss. Das Ergebnis ist eine Provokation – auch
für die Politik. Das ganz sicher.“
Auch Kardinal Agostino Vallini äußerte
sich zu Wahl am Sonntag. In einem Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ betonte
er, dass er sich über die rege Wahlbeteiligung freue. Trotz der nicht ausreichenden
Berichterstattung in den Medien würden die Menschen diese Themen als wichtig empfinden.
Berlusconi dürfte also auch in den konservativen Kreisen der Bevölkerung mit zukünfig
weniger Zustimmung rechnen.