Ägypten: Salafisten gegen kleine liberale Parteien
Die Salafisten, radikale Muslime, haben in Ägypten ihre eigene Partei gegründet, und
die Minderheit der Christen fragt sich, ob das schon eine grüne Ampel für neue Feindseligkeiten
ist. In der Tat eine berechtigte Frage, meint Nagwa Farag, die seit vielen Jahren
als Entwicklungshelferin in Oberägypten tätig ist. Denn:
„Die Salafisten
sind dafür bekannt, den Islam sehr fundamentalistisch auszulegen und daher intolerant
zu sein. Vieles davon ist dem Einfluss der Wahabiten aus Saudi-Arabien geschuldet.
Jetzt bricht dieser Extremismus in Form von Gewalt aus. Wir leben in schwierigen Zeiten,
denn die Extremisten können machen, was sie wollen, weil Gesetze nur selten zur Anwendung
kommen. Die politische Lage ist sehr unsicher, es gibt viele unterschiedliche Auffassungen
über Begriffe wie Säkularisierung und Kultfreiheit."
Ein säkulares Ägypten
– das ist eine Forderung, die in der offenen Lage nach der Revolution gelegentlich
zu hören ist. Es wäre aber ein Missverständnis, darunter die Trennung von Staat und
Religion nach dem Vorbild des Westens zu sehen, so Farag. Denn die meisten Ägypter
verstünden unter einem säkularen Ägypten vielmehr einen Staat, der nicht mehr vom
Militär regiert wird. Dennoch: Christen werden in dem Land am Nil nach wie vor als
Menschen zweiter Klasse behandelt.
„Wir wissen, dass es die Meinung gibt,
das Regime unter Mubarak hätte die Christen geschützt. In Wirklichkeit hat das alte
Regime gar nichts unternommen, um Diskriminierung von Christen in der Gesellschaft
zu verhindern. Sie haben einfach geleugnet, dass es Unterdrückung gibt. Generell kann
man sagen, dass die Salafisten aus niederen, armen sozialen Schichten kommen. Sie
haben weniger Perspektiven, sie sind schlechter ausgebildet und bilden jene Masse,
die einfach zu mobilisieren ist."
Neben den radikalen sowie den gemäßigten
islamischen Gruppen gebe es aber auch politische Alternativen in Form neuer, kleiner,
liberaler Parteien, so Farag.
„Sie sind noch in der Aufbau- und Gesprächsphase.
Wir haben ein neues Wahlgesetz, bei den Parlamentswahlen können auch Bürgerlisten
einen Platz in der Parteienliste bekommen. Das kann ein Vorteil für die kleineren
Parteien sein, vor allem, wenn sie Koalitionen bilden. Trotz allem: Es schaut so aus,
als ob die Muslimbruderschaft die meisten Stimmen bekommen wird, und nicht die Salafisten."