Thierse: „Papst in Berlin soll nicht nur zu Frommen sprechen"
Papst Benedikt XVI. erwartet bei seinem Besuch in Berlin laut Bundestagsvizepräsident
Wolfgang Thierse kein religiöses Niemandsland. Die Hauptstadt biete eine „religiös
höchst differenzierte Landschaft“, sagte der Politiker, der auch dem Zentralkomitee
der deutschen Katholiken angehört, dem Kölner Domradio. Berlin sei zwar „keine
fromme Stadt im Sinn eines traditionellen Katholizismus, aber hier leben Katholiken,
Protestanten, Muslime, Atheisten, Agnostiker, Anhänger der verschiedensten Religionen“.
Besonders erhofft sich Thierse von dem katholischen Kirchenoberhaupt auf
Reisen einen vorurteilsfreien Blick auf Berlin.
„Es ist eine Hauptstadt
der Schwulen und Lesben, die ja ein besonders konfliktreiches Verhältnis zur katholischen
Kirche haben. Das ist aber eben ein Teil der modernen Welt, die vielleicht noch Erwartungen
an den Papst haben, aber wenn der Papst gehört werden will, dann sollten sich seine
Worte nicht nur an die ohnehin schon braven Katholiken richten, sondern auch an das
Publikum dieser Stadt und diesen Landes.“
Der Papst besuche in Deutschland
eine Kirche mit „tiefen Rissen“, bewertete Thierse. „Ich glaube, es gibt einen tiefgehenden
Konflikt zwischen einerseits einer Klerikerkirche, einer Bischofskirche und andererseits
der großen Mehrheit der Gläubigen.“ Letztere seien nicht mehr ohne weiteres bereit,
den Vorstellungen von kirchlicher Autorität zu folgen. Sie lebten eine ganz andere
alltägliche Moral als Kleriker sie predigten. Benedikt XVI. könne laut Thierse mit
seinem Besuch bestehende Risse kitten, „indem er aufrichtig mit diesen Problemen umgeht
und sozusagen zeigt, dass er diese Konflikte kennt und sagt, ich als Papst begreife
etwas“.