Afghanistan: „Ausländische Präsenz war sehr hilfreich“
„Nichts ist gut in
Afghanistan“ – mit diesem Satz entfachte vor mittlerweile anderthalb Jahren die damalige
evangelische Bischöfin Margot Käßmann eine heftige Debatte in Deutschland. Was bringt
der Afghanistan-Einsatz, bringt er überhaupt etwas? Und sollte sich Deutschland nicht
allmählich vom Hindukusch wieder zurückziehen? Frau Käßmann und inzwischen auch zwei
Verteidigungsminister des Kabinetts Merkel sind (aus verschiedenen Gründen) zurückgetreten,
aber die Afghanistan-Debatte gibt`s immer noch und immer wieder. Was sagt Afzal Shumarch
Nooristani dazu? Der Mann ist Anwalt und gehört zu einer Menschenrechtsorganisation
namens „Legal Aid Organization of Afghanistan“. „Der derzeitige Krieg ist nicht
einfach ein afghanischer Krieg: Es ist ein Krieg zwischen Gut und Böse in der Hinsicht,
dass die terroristischen Gruppen häufig Beziehungen zum Ausland haben und mit Drogenhändler-
und Warlords-Netzwerken in Verbindung stehen. Die ausländische Präsenz in Afghanistan
war aus meiner Sicht sehr hilfreich, und man kann das auch am Wachstum in verschiedenen
Bereichen ablesen: im Justizbereich, im Medienbereich, im Menschenrechtsbereich, im
Schulwesen, auch bei der Infrastruktur. Natürlich bleibt die Sicherheitsfrage eine
Herausforderung; Afghanistan ist noch nicht imstande, sie alleine zu lösen. Das liegt
vor allem an der internationalen Vernetzung der Terrorgruppen.“ Die Strategie
des Westens besteht mittlerweile aber daraus, schrittweise die eigenen Truppen abzuziehen
und einen Dialog mit den Taliban zustandezubringen. Wie sieht die afghanische Zivilgesellschaft
das? „Die Taliban haben doch nie irgendein Angebot, das von der internationalen
Gemeinschaft kam, akzeptiert – und auch nichts, was von der afghanischen Regierung
ausging! Natürlich würden sich alle Afghanen wünschen, dass sich die Taliban irgendwie
in den Friedensprozess einklinken. Aber al-Quaida ist eben nicht nur in Afghanistan
verwurzelt, und darum wäre es für Afghanistan im Moment zu kompliziert, mit so mächtigen
Gegnern alleine fertigzuwerden.” Der Anwalt Nooristani bittet die internazionale
Gemeinschaft, Druck auf die Kabuler Regierung auszuüben. Damit soll dafür gesorgt
werden, dass die Anliegen der Zivilgesellschaft von denen, die die politischen Entscheidungen
treffen, gehört werden. Und dann sagt er noch etwas, das auch Frau Käßmann gut gefallen
würde: „Wenn man sich nur auf militärische Fragen konzentriert, wird man auf
die Schnelle zu überhaupt keiner Lösung kommen, im Gegenteil. Man sollte jetzt anfangen,
legale, kulturelle und soziale Aspekte eines Wiederaufbaus stärker in Betracht zu
ziehen. Dann würden auch die Afghanen allmählich an eine bessere Zukunft glauben,
für ihr Land und für ihr eigenes Leben.”