In knapp zwei Wochen
besucht Benedikt XVI. Kroatien. Ein Anlass der 19. Auslandsreise des Papstes ist der
Nationale Familientag der Katholiken des Landes am 5. Juni in Zagreb. Weiter stehen
eine Rede vor Politikern, Wissenschaftler, Diplomaten und Religionsführern sowie eine
Begegnung mit Jugendlichen auf dem Programm. Auch wenn Kroatien nur einen Katzensprung
von Italien entfernt ist, wird die Papstvisite in dem katholischen Land auf dem Balkan
wohl kein Spaziergang.
Der Papstbesuch fällt in die Endphase der EU-Beitrittsverhandlungen
für Kroatien, die bis Ende Juni abgeschlossen sein sollen. Kroatiens Beitritt zur
Europäischen Union – anvisiert für die erste Jahreshälfte 2013 – ist wohl auch Gegenstand
der Gespräche, die der Papst mit der kroatischen Staatsspitze führen wird. Der Heilige
Stuhl erkannte 1991 als einer der ersten Staaten die Unabhängigkeit Kroatiens an und
gilt heute neben Deutschland und Österreich als verlässlicher Befürworter des kroatischen
EU-Beitritts. Anders als zum Beispiel Frankreich, für das das zentrale Kriterium der
Beitrittsverhandlungen mehr Kooperation des Balkanlandes mit Internationalen Strafgerichtshöfen
ist – insbesondere bei Aufarbeitung der eigenen Kriegsvergangenheit. So empört in
Kroatien derzeit die Verurteilung der beiden Militärs Ante Gotovina und Mladem Markac
vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag die Gemüter. Die im eigenen Land
als Kriegshelden verehrten Männer wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit
im Zusammenhang mit der Rückeroberung der Krajina im Jahr 1995 zu langen Haftstrafen
verurteilt. Ob mögliche Papstappelle zu Verständigung und Versöhnung auf Kroatiens
nationalistischem Boden Blüten treiben, ist noch völlig offen. Nicht zuletzt deshalb,
weil selbst die katholische Kirche bei der Frage gespalten ist: Kritik am Haager Urteil
kam nicht zuletzt von der kroatischen Bischofskonferenz, während andere Teile der
kroatischen Kirche die Kooperation mit Den Haag befürworteten. Weiterer Stolperstein
auf Kroatiens Weg in die EU ist der Korruptionsskandal um den Expremier und ehemaligen
Christdemokraten Ivo Sanader, der das Staatsbudget durch Amtsmissbrauch und dubiose
Geldgeschäfte um sechs Millionen Euro erleichtert haben soll. Auch die für Herbst
erwarteten Wahlen samt EU-Volksabstimmung – die Zustimmung zur EU liegt in Kroatien
derzeit bei nicht mal 30 Prozent – und die verbreitete Politikverdrossenheit der Jugend
sind Prüfsteine für die Zukunft eines Landes, das noch vor acht Jahren endlich aufzubrechen
schien: Als Papst Johannes Paul II. Kroatien auf einer seiner letzten Auslandsreisen
im Jahr 2003 besuchte, war Kroatiens politische Isolation aufgebrochen, die Tür zum
Westen einen Spalt weit aufgetan und auch die Wirtschaft angekurbelt. Anders als sein
Vorgänger dürfte Papst Benedikt bei dieser Reise weniger im kroatischen Frühling wandeln
als vielmehr auf vermintem Boden. (rv/kap 23.05.2011 pr)