Die Hölle auf Erden
herrscht in Nordkorea: Hunger, Unterdrückung und Verfolgung machen den Menschen dort
massiv zu schaffen. Vor allem Christen gehören zu den Opfern eines Regimes, das neben
der kommunistischen Ideologie kein anderes Denken und keinen anderen „Glauben“ duldet.
Hören Sie hier ein Dossier zum Thema.
Nach aktuellen Zahlen des Welternährungsprogramms
der Vereinten Nationen sind in dem international isolierten Land 6 Millionen Menschen
akut vom Hunger bedroht. Besonders betroffen sind die Landbevölkerung, Kinder, Alte
und Kranke, berichtet der Geschäftsführer der Hilfsorganisation Cap Anamur Bernd Göken,
der vor einigen Tagen von einer Rundreise in dem kommunistischen Land zurückgekehrt
ist. Das Kölner Domradio hat mit ihm gesprochen.
„Wir haben Waisenhäuser
besucht, das war schon ein schlimmer Zustand, wie die Kinder dort aussahen. Die scheinen
das letzte Glied in der Kette zu sein. Einmal stand ein Leiter einer Waisenschule
weinend vor mir, der sagte: Ich habe 300 Kinder zu versorgen, ich habe nichts zu essen,
gib mir was, irgendwas. Das Schlimme ist: Man kann nichts einkaufen, denn es gibt
keinen Markt, alles wird ja zugeteilt.“
Nordkorea könne nur ein Fünftel
der eigenen Anbauflächen landwirtschaftlich nutzen, so Göken. Überdies seien während
des vergangenen extrem harten Winters große Teile der Ernte kaputt gefroren. Neben
der Nahrungsmittelknappheit fehle den Menschen besonders medizinische Versorgung:
„Die
Lage in den Krankenhäusern ist katastrophal: Es gibt weder ausreichend Medikamente
noch Material. Die Geräte sind größtenteils aus den 1970er Jahren und technisch vollkommen
veraltet. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen. An gut ausgebildetem Personal mangelt
es zwar nicht, die Mediziner könnten jedoch aufgrund der Umstände nur sehr begrenzt
helfen.“
Als wäre das alles nicht schon genug Elend, setzt das nordkoreanische
Regime die eigene Bevölkerung auch noch extrem unter Druck: Jedes Verhalten und Denken,
ja jeder Glauben, der in Konkurrenz zur kommunistischen Ideologie stehen könnte, wird
brutal unterdrückt und verfolgt. In Kim Jong-ils Schreckensregime werden Schätzungen
zufolge zwischen 150.000 bis 200.000 Menschen in Straf- und Umerziehungslagern festgehalten,
davon ein Großteil Christen. Folter, Vergewaltigung, medizinische Experimente, Zwangsarbeit,
erzwungene Abtreibungen und Exekutionen sind in diesen Lagern an der Tagesordnung.
Michel Varton, Direktor von Open Doors Frankreich, kann im Gespräch mit Radio Vatikan
von vielen solcher Fällen berichten:
„In einer Stadt, mit der wir in Kontakt
sind, gibt es zu Beispiel 23 Gläubige, die letztes Jahr von der Polizei festgenommen
wurden, weil sie sich heimlich getroffen haben. Dabei sind drei von ihnen sofort hingerichtet
worden, die zwanzig anderen wurden zu Zwangsarbeit gezwungen. Wir schätzen, dass von
den insgesamt 400.000 Christen in Nordkorea 25 Prozent in Arbeitslagern sind! Wenn
man als jemand enttarnt wird, der an Gott glaubt, wird man verhaftet und in Lager
gesteckt, die Todeslager sind.“
Ähnlich erging es dem Vater einer jungen
Nordkoreanerin aus Pjöngjang, die kürzlich auf dem 3. Internationalen Kongress für
Weltevangelisierung in Kapstadt, Südafrika (16.-25. Oktober 2010), um Hilfe für verfolgte
Christen in ihrem Land bat. Ihr Vater war Berater des nordkoreanischen Diktators Kim
Jong-il gewesen, bei dem er zunächst als politischer Dissident und dann als Christ
in Ungnade fiel. Nach der Flucht der Familie nach China war er in der Volksrepublik
mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Danach hatte er sich entschieden, verdeckt
als Missionar in sein Heimatland zurückzugehen.
„Er ging wohlgemerkt nicht
nach Südkorea, wo er religiöse Freiheit hätte genießen können, sondern kehrte nach
Nordkorea zurück, wo er in großer Gefahr schwebte. Im Jahr 2006 wurde seine Arbeit
von der nordkoreanischen Regierung entdeckt und er wurde wieder ins Gefängnis gesteckt.
Ich habe seitdem nichts mehr von meinem Vater gehört. Wir glauben, dass er erschossen
wurde - mit dem Vorwurf der Spionage, wie das verfolgten Christen in Nordkorea so
oft passiert.“
Open Doors befürchtet, dass sich die Lage der Christen in
Nordkorea nicht verändern bzw. sogar verschlimmern wird. Dazu Varton:
„Die
Unterdrückung der Christen droht noch schlimmer zu werden, denn das Regime ist geschwächt
- ein Wechsel innerhalb der Regierung steht in Aussicht, und weil dieser Wechsel das
Regime intern stark beschäftigt, sind keine Verbesserungen für die Christen zu erwarten.“
Was
die hungernde Bevölkerung betrifft, habe die nordkoreanische Regierung zumindest schon
Essenslieferungen aus dem Westen zugelassen, berichtet Cap Anamur-Geschäftsführer
Bernd Göken. So habe man in den letzten Tagen zumindest 200 Tonnen Reis ins Land
bringen können, angesichts der benötigten 500.000 Tonnen freilich ein Tropfen auf
den heißen Stein.
Das Hilfswerk für verfolgte Christen Open Doors ist der
Ansicht, dass man auf diplomatischem Wege mehr Druck auf Nordkorea ausüben müsste
und denkt dabei vor allem an Nordkoreas asiatische „Sympathisanten“ wie zum Beispiel
China. Zwar ist die Volksrepublik China selbst sicher kein Paradies für Christen,
aber wenigstens wird den christlichen Glaubensgemeinschaften dort formal – und innerhalb
staatlich kontrollierter Strukturen auch praktisch – Religionsfreiheit gewährt. Dem
Vater der jungen Nordkoreanerin hat das allerdings nicht geholfen: Er wurde nach seiner
Flucht in China im Jahr 2001 von der chinesischen Polizei verhaftet, erzählte seine
Tochter auf dem vergangenen Kongress für Weltevangelisierung in Südafrika:
„Als
mein Vater zum ersten Mal in China verhaftet und gezwungen wurde, nach Nordkorea zurückzukehren,
war ich noch keine Christin. In dieser Zeit wurde ich von der Familie eines jungen
chinesischen Pastors adoptiert. Sie waren sehr liebevoll und fürsorglich zu mir. Durch
sie hat Gott mich beschützt. Aber diese Familie musste 2007 in die Vereinigten Staaten
gehen. Kurze Zeit später hatte ich dann die Möglichkeit, nach Südkorea zu gehen. Ich
bitte euch alle: Betet mit mir zusammen für meinen Vater und für alle Menschen in
Nordkorea – meine Landsleute – so dass sie Gottes Gnade erfahren.“
Das
Dossier von Anne Preckel wurde erstellt mit Tonmaterial von Radio Vatikan, Open Doors
und dem Domradio Köln.