Menschen in der Zeit: Kardinal Karl Lehmann zum 75. Geburtstag
Ein Geburtstagsgeschenk
hat Kardinal Karl Lehmann schon am Vorabend seines 75. Geburtstages erhalten: Papst
Benedikt XVI. hat das aus Altersgründen vorgebrachte Rücktrittsangbot des Mainzer
Bischofs abgelehnt und Karl Lehmann gebeten, über seinen 75. Geburtstag am 16. Mai
hinaus im Amt zu bleiben. Lehmann nimmt diese Ablehnung seines Rücktritts relativ
gelassen – so wie man es von ihm gewohnt ist. Pragmatisch, praktisch, offen:
„Ich
bin kein großer Freund dieser Verlängerungen”,
sagt er etwas barsch über
die vatikanische Praxis, Kardinäle in der Regel erst mit 80 zu pensionieren. Aber
die Geste Roms wird er sicher als das empfinden, was sie ist: eine öffentliche Anerkennung.
Und er stellt fest:
„Ich hätte keinen Tag Sorge, Langeweile zu haben, wenn
ich jetzt viele Aufgaben nicht mehr hätte. Ich werde jetzt einfach meinen Dienst weiter
tun, soweit ich kann",
sagte Karl Lehmann im Gespräch mit Journalisten
in Mainz vor wenigen Tagen.
„Ich weiß mich bei Belastung sehr gut gerade
vom Bistum hier unterstützt."
Das Laufen fällt ihm am Abend sichtlich
schwer. Man müsse schauen, wie weit gesundheitliche Grenzen da seien, schränkt Lehmann
ein.
„Ich weiß schon, dass viele Aufgaben da sind, die einen täglich fordern
und andere sind schon zehn, zwölf Jahre pensioniert."
Das katholische
Kirchenrecht setzt Bischöfen eine Altersgrenze von 75 Jahren. Kardinäle besitzen ein
ungeschriebenes Gewohnheitsrecht, dass ihre Amtszeit als Bischof verlängert wird,
so sie es wünschen. Lehmann steht seit 1983 an der Spitze des Bistums Mainz. Von 1987
bis Anfang 2008 war er ohne Unterbrechung Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Ein einsamer Rekord. Anfang 2001 erhob ihn der damalige Papst Johannes Paul II. zum
Kardinal. Er sei froh, dass ihn der Bescheid aus Rom vor seinem Geburtstag am 16.
Mai erreicht habe.
„Ich muss nicht Abschied feiern."
Die Entscheidung
aus Rom habe auch gewisse Annehmlichkeiten, kommentierte Lehmann pragmatisch, so müsse
er beispielsweise nicht umziehen.
„Ich kann zunächst im selben Haus bleiben."
Doch für ihn steht fest, dass in fünf Jahren die Pension in Reichweite
ist:
„Der Vatikan kennt außer dem Papst selbst kein Amt, keine Aufgabe
über 80. Das ist also ein absolut eisernes Gesetz mit 80 ist in jedem Fall Schluss."
Es
sei ihm wichtig, dass der Geburtstag nicht gekoppelt sei an einen Wechsel und Diskussionen
über einen Nachfolger.
„Ich kann also etwas fröhlicher nur Geburtstag feiern",
sagte der Kardinal. Eine richtige Feier verbiete sich allerdings, denn:
„Wir
müssen gerade in der heutigen Situation, in der die Kirche ist, aufpassen, dass wir
so persönliche Dinge wie es auch ein 75. Geburtstag ist, nicht zu sehr ins Rampenlicht
bringen."
An seinem Geburtstag sei eine „normale Messe" mit Mitarbeitern
des bischöflichen Ordinariats geplant. Am Abend werde mit einer kleinen Zahl von Leuten
gemeinsam essen,
„und zwar hier zu Hause".
Lehmann äußerte
sich in dem Gespräch mit Journalisten mit mahnenden Worten zum innerkirchlichen Dialogprozess.
Er forderte eine zielgerechte Gestaltung des von den deutschen Bischöfen auf den Weg
gebrachten Prozesses. Der Prozess dürfe kein Selbstzweck sein, sagte der Kardinal.
Es müsse klar sein, was man machen könne und was nicht. Man dürfe keine falschen Hoffnungen
haben, müsse überlegen, wo man selber Beschlüsse fassen und Antworten geben könne
und wo man bestimmte Probleme in Rom anmelde.
Nicht immer ist der langjährige
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz mit Entscheidungen aus dem Vatikan glücklich
gewesen. Vielen seiner Gedanken ist abzuspüren, dass er mehr als einmal mit dem Kopf
gegen die Mauern des Kirchenstaats gelaufen ist. Lehmann nennt selbst die markantesten
Differenzen:
„Den Streit um die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen
zur Kommunion sowie die zermürbende Auseinandersetzung um die katholische Schwangerenberatung”.
Ein
römisches Ereignis war es aber auch, das Kardinal Lehmann als einen der größten Glücksmomente
seines Lebens bezeichnet: die Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die damalige
Öffnung der katholischen Kirche wird heute zunehmend kritisch gesehen. Zur bevorstehenden
50-Jahrfeier ruft der Kardinal dazu auf, die Texte und „wirklichen Aussagen“ des Konzils
wieder stärker wahrzunehmen. Das könne der Kirche neuen Schwung geben.
„Man
kann sich nicht auf den Geist des Konzils berufen, und den Buchstaben kennt man nicht”.
Kardinal Karl Lehmann, der 87. Nachfolger des heiligen Bonifazius als
Bischof von Mainz hat sein Bistum in vielfältiger Weise geprägt und immer wieder die
Sorge um die Nöte der Menschen in den Mittelpunkt seines Handels gerückt. Ein Schwerpunkt
seines Wirkens, das er als Bischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
immer sehr intensiv verfolgt hat, ist die Ökumene. Stets weist Lehman bei seinen öffentlichen
Auftritten darauf hin, dass es keine Alternative zur Ökumene gibt.
„Ich
bin überzeugt, dass wir auf dem eingeschlagenen Weg des ökumenischen Gesprächs weiter
vorangehen müssen”.
Kardinal Karl Lehmann wurde am 16. Mai 1936 in Sigmaringen
als Sohn des Volkschullehrers Karl Lehmann und seiner Frau Margarete geboren. Er studierte
Philosophie und Theologie in Freiburg und Rom, wo er von Kardinal Döpfner zum Priester
geweiht wurde. Als Assistent von Karl Rahner arbeitete er an den Universitäten von
München und Münster und erlebte das Zweite Vatikanische Konzil aus nächster Nähe mit.
Karl Lehmann erwarb den Doktortitel in Philosophie und Theologie mit Arbeiten über
den Philosophen Martin Heidegger mit dem Thema: „Auferweckt am dritten Tag nach der
Schrift”. Mit 32 Jahren wurde er auf den Lehrstuhl für Dogmatik in Mainz berufen.
1983 wurde er zum Bischof von Mainz ernannt. 1987 folgte die Wahl zum Vorsitzenden
der Deutschen Bischofskonferenz und 2001 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum
Kardinal.
In dem Pressegespräch vor wenigen Tagen äußerte sich Karl Lehmann
unter anderem auch zu seinem Verhältnis zu Papst Johannes Paul II., der vor zwei Wochen
selig gesprochen wurde. Seine Wertschätzung für diesen Papst sei in den vergangenen
Jahren noch gestiegen, sagte Lehmann.
„Er hat mir zugehört, er war nie ungeduldig,
und ich hatte immer das Gefühl, dass ich mit meinen Anliegen ernst genommen werde”
Abschließend
äußerte sich Kardinal Karl Lehmann noch zu dem Begriff ‘Heimat’:
„Je älter
ich werde, desto mehr spüre ich, dass mir meine Wurzeln wichtig sind. Wenn man weiß,
wo seine Wurzeln sind, hat man Kraft, sich zu verändern”.
Er sei geprägt
von der religiösen Sozialisation durch seine Eltern.
„Je älter ich werde,
desto dankbarer bin ich auch meinen Eltern. Denn sie haben mir jede Freiheit gelassen
und jede Unterstützung gegeben”.