2011-05-13 10:59:58

Die Theologie Joseph Ratzingers zur Einheit der Liturgie


RealAudioMP3 Bereits als Kardinal hat der jetzige Papst eindeutig Stellung bezogen zu den Fragen, die sich in der Debatte um die „alte Messe“ und die Liturgie insgesamt zeigen. In einem Beitrag für eine Tagung zur Liturgie 2001 hat der damalige Kardinal Joseph Ratzinger zum Beispiel bereits die Gedanken vorgelegt, die sich später in seinem Motu Proprio finden:

„Ich persönlich war von Anfang an für die Freiheit, das alte Missale weiter benutzen zu dürfen, aus einem sehr einfachen Grund; man begann schon damals von einem Bruch mit der vorkonziliaren Kirche zu sprechen und von der der Herausbildung unterschiedlicher Kirchenmodelle: eine überholte vorkonziliare Kirche und eine neue konziliare Kirche. Das ist übrigens jetzt das Schlagwort der Lefebvristen, zu behaupten, dass es zwei Kirchen gibt (...) . Es ist meines Erachtens von wesentlicher und fundamentaler Bedeutung, anzuerkennen, dass die beiden Messbücher Messbücher der Kirche sind, und zwar der Kirche, die immer dieselbe bleibt.“ (Gesammelte Schriften, Bd 11, S. 667f.) Der Gebrauch des alten Missale sei somit der Ausdruck der fortdauernden Identität der einen Kirche.
Das entstehende Problem zweier verwendeter Formen des einen Ritus benennt Kardinal Ratzinger ebenfalls: Die Beliebigkeit. Anstatt zu einer Ortskirche zu gehören, könne man sich diese nun aussuchen. Das Subjekt wählt sich einen Teil aus, der Ritus hänge nicht mehr an der universalen Kirche, wo er eigentlich verankert sei, sondern an der Entscheidung des Einzelnen. Und das schade der Einheit. Es brauche also ein nicht-subjektives Kriterium, um die Möglichkeit des Gebrauchs des alten Missale zu öffnen, so Kardinal Ratzinger.

Im gleichen Artikel spricht er auch von der „Reform der Reform“, die später ein Schlagwort werden soll: Ziel müsse die „liturgische Versöhnung“ sein, man müsse sich gegen die „Chaotik“ wenden und das Zerbrechen der Einheit der Liturgie, „und in diesem Sinn auch für die Einheit in der Befolgung des Missale Pauls VI.“ Ratzinger kommt zum gleichen Gedanken wie bei der Erwägung der Zulassung der „alten Messe“: Der Ritus muss einer sein, wie auch die Kirche eine ist, und er dürfe nicht der Beliebigkeit der Ortsgemeinden oder der Experten überlassen werden.

2003 fasst Kardinal Ratzinger seinen Blick auf die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils so zusammen, dass es sich an die Gedanken zu Einheit und Reform anschließt: „In der Tat kann kein Konzil einfach Neues schaffen: Es kann nur dem endgültige Gestalt und Verbindlichkeit geben, was zuvor im Glaubensleben der Kirche gereift ist.“ Nicht das Hervorbringen von vorher Unbekanntem sei seine Aufgabe, sondern „es hat aus den Strömungen seiner Zeit das Gültige, wirklich aus dem Glauben der Kirche Herausgewachsene herauszufiltern, auf diese Weise Gemeinsamkeit zu schaffen und die Richtung des weiteren Weges zu bestimmen.“ (S. 695f.)
Angewendet auf die Liturgiekonstitution des Konzils, Sacrosamctum Concilium, bedeutet das, dass Liturgie etwas Lebendiges ist: Es wächst und erneuert sich, wahrt aber auch seine eigene Identität. Ins Gegenteil gewendet heißt der Satz laut Ratzinger: Liturgie nach dem Willen des Konzils ist keine „Werkstatt unseres Machens“, denn das würde das Eigentliche vergessen machen: Gott. „Denn in der Liturgie geht es nicht um uns, sondern um Gott.“ (S. 718)

Diese Gedanken und Sätze des Theologen Ratzinger finden sich in den päpstlichen Dokumenten zur Liturgie wieder. Und auch seine Ansprachen drücken das aus. So sei Liturgie nicht so sehr ein Objekt der Reform als ein Subjekt, das dazu in der Lage ist, das christliche Leben zu erneuern. Das betonte Papst Benedikt XVI. erst neulich, am 6. Mai 2011, vor Teilnehmern an einem Liturgiekongress, veranstaltet vom päpstlichen liturgischen Institut Sant´Anselmo anlässlich dessen 50. Geburtstages. Von Beginn des Institutes an, so der Papst, habe sich die Notwendigkeit gezeigt, die theologischen Grundlagen der Liturgie genau zu studieren, um nicht in die Fallen des Ritualismus oder des Subjektivismus zu fallen und um sicher zu stellen, dass jede Reform im Licht der Offenbarung und der Tradition der Kirche erfolge. Das Institut sei aufs engste mit den liturgischen Erneuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils verbunden gewesen, so der Papst in seiner Ansprache. Die Kirche habe hier nicht zuerst Texte und Rituale verändern als vielmehr die Mentalität erneuern wollen, die dieses Geheimnis Christi im Zentrum der Pastoral und des kirchlichen Lebens sehe. Nicht selten spiele man heute auf ungeschickte Weise Tradition und Fortschritt gegeneinander aus. In Wirklichkeit aber seien Tradition und Fortschritt zwei sich ergänzende Begriffe, wie das Konzil betont habe. „Die Tradition ist eine lebendige Wirklichkeit und schließt in sich das Prinzip der Entwicklung ein, des Fortscheitens. Man könnte sagen, der Fluss der Tradition führt seine Quelle mit sich und läuft auf eine Mündung zu.“

Der Band der gesammelten Schriften Joseph Ratzingers, aus dem hier zitiert ist, ist der elfte Band, „Theologie der Liturgie“, erschienen bei Herder Freiburg Basel Wien 2008.

(rv 11.05.2011 ord)







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