Mehr Schutz für koptische Christen in Ägypten. Das fordern Menschenrechtsschützer
nach dem gewaltsamen Wochenende in Kairo mit mindestens zwölf Toten und fast 200 Verletzten.
Am Samstagabend haben sich hunderte radikale Islamisten heftige Straßenschlachten
mit koptischen Christen geliefert, bei denen es auch zu Schießereien und Brandanschläge
auf Kirchen gekommen ist. Die Situation bleibt gefährlich, sagt der Nahostreferent
der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, im Gespräch mit dem Kölner Domradio:
„Die
Kopten in Ägypten leben in einer sehr gefährlichen Situation. Das ist immer so in
Übergangsphasen. Vor dem Sturz von Mubarak haben sich die Kopten aktiv an der Demokratiebewegung
beteiligt. Sie erhofften sich eine Verbesserung ihrer Situation. Aber nach dem Sturz
Mubaraks sehen wir: Es kommt wieder zu Anschlägen auf Kopten, sowohl in Oberägypten
als auch in Kairo. Die neue provisorische Militärregierung muss jetzt beweisen, dass
sie wirklich die Täter, die islamistischen Fundamentalisten, die Terroristen bestraft,
die immer wieder Anschläge auf Kopten verüben.“
Zwölf Tote, fast 200 Verletzte,
allein davon mehr als 60 mit Schusswunden. Und dazu noch Brandanschläge, die zwei
Kirchen zerstört haben. Das ist die traurige Bilanz vom vergangenen Wochenende. Der
ägyptische Justizminister hat unmittelbar nach den Unruhen versprochen, mit harter
Hand gegen die Schuldigen vorgehen zu wollen.
„Wir erwarten jetzt, dass
diesen Versprechungen Taten folgen. Sonst, vermuten wir, wird nach dem gleichen alten
Muster des Regimes Mubarak gehandelt, das die Angreifer nicht vor Gericht stellte.
Jetzt sagt die Regierung, dass sie 190 Täter festgenommen hat. Darunter sind viele
Kopten. Deswegen sind diese Beteuerungen für uns nicht glaubhaft.“
Seit
Monaten schwelt in Ägypten der Konflikt zwischen Muslimen und koptischen Christen.
Die Polizei hat zwar nach den letzten Unruhen wieder dutzende Verdächtige festgenommen.
Das bedeute aber noch nicht, dass die Täter von einem Gericht verurteilt werden, so
Sido:
„Wir haben immer wieder das Problem der Straflosigkeit für die Täter.
Wenn die Brandstifter nicht vor Gericht gestellt werden, wird es immer wieder zu Gewalt
kommen. Jetzt müssen wir - auch die Bundesrepublik Deutschland, die EU - der Armeeführung
bzw. der Regierung klarmachen: Wir kümmern uns um die Kopten, wir machen uns Sorgen.“
Noch
ist unklar, wer hinter den Anschlägen steckt und die religiöse Hetze antreibt. Radikale
islamische Gruppen wie die Salafisten könnten mit Anhängern des alten Regimes unter
einer Decke stecken, vermutet Sido:
„Wir vermuten sowohl die Salafisten,
die übrigens vom alten Regime unterstützt wurden, um den liberalen Flügel der Moslembruderschaft
zu bekämpfen. Aber auch Teile des alten Regimes, die Privilegien verloren haben, die
versuchen wieder zur Macht zu kommen.“
Wie auch in anderen arabischen Ländern
ist auch in Ägypten nicht klar, was nach den Revolutionen kommen wird. Die Militärregierung
hat für September Wahlen angekündigt, bei denen der Moslembruderschaft große Gewinne
prophezeit werden. Viele Regierungen Europas haben bereits angekündigt, den Demokratieprozess
in den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens unterstützen zu wollen. Sido kritisiert
in diesem Zusammenhang die Kommunikation der europäischen Regierungen:
„Das
Problem europäischer Regierungen ist, dass sie nicht in einer klaren Sprache mit den
Regierungen der arabischen Welt sprechen. Es werden Höflichkeiten ausgetauscht - das
muss beendet werden. Der Westen muss eine sehr klare Sprache sprechen und sagen: Wir
wollen den Schutz der Minderheiten, vor allem den der Christen in Euren Ländern sehen,
sonst werden wir weder wirtschaftlich noch politisch mit Euch zusammenarbeiten. Das
muss gesagt werden. Aber auch die Muslime in Deutschland müssen Flagge zeigen und
für den Schutz der Kopten in Ägypten eintreten.“